Verantwortungseigentum und die Purpose Economy: Ein Blick auf die Zukunft der Wirtschaft   

Verantwortungseigentum ermöglicht es werteorientierten Unternehmen, ihre Geschäftspraktiken auf Nachhaltigkeit und das Gemeinwohl auszurichten, anstatt ausschließlich auf Profitmaximierung zu setzen. Doch was verbirgt sich genau hinter dem Konzept des Verantwortungseigentums? 

Purpose Economy: einer tiefgehenden Unternehmensmission verpflichtet

Im Streben nach einer Wirtschaft, die den nachhaltigen Sinn des Wirtschaftens in den Vordergrund stellt, gewinnt die „Purpose Economy“ zunehmend an Bedeutung. „Purpose” lässt sich dabei mit „Zweck“ oder auch mit „Sinn“ übersetzen. Unternehmen, die sich dieser Philosophie verschreiben, agieren nicht mehr ausschließlich gewinnorientiert, sondern setzen auf Werterhaltung und eine langfristige Mission zum Wohl der Allgemeinheit und der Umwelt. Verantwortungseigentum spielt dabei eine entscheidende Rolle als Treiber dieser Entwicklung. 

Unternehmerinnen und Unternehmer als Treuhänder

Ein Treuhänder ist eine Person oder eine Organisation, die befugt ist, Vermögenswerte oder Eigentum im Namen einer anderen Person oder Gruppe zu verwalten und zu verantworten. Der Treuhänder hat die Pflicht, im besten Interesse der Begünstigten zu handeln und seine Aufgaben gemäß den vereinbarten Bedingungen oder gesetzlichen Vorschriften wahrzunehmen.

Verantwortungseigentum ermöglicht es Unternehmerinnen und Unternehmern, ihre Geschäftsaktivitäten im Rahmen einer „Gemeinwohl-Ökonomie“ zu gestalten. Die Idee dahinter ist, dass die Kontrolle und die strategischen Entscheidungen über das Unternehmen bei den Menschen bleiben, die in diesem tätig oder ihm eng verbunden sind. Das bedeutet, dass das Unternehmen gewissermaßen sich selbst gehört. Es liegt in den Händen von Mitarbeitenden, Stakeholdern oder der Gemeinschaft, anstatt ausschließlich von traditionellen Gesellschafterinnen und Gesellschaftern geführt zu werden.  Diese neuen Eigentümer haben dabei Verantwortung in Form von Stimm- und Teilhaberechten, partizipieren jedoch weder am Gewinn noch am Unternehmensvermögen. Das Unternehmensvermögen kann also nicht in das private Vermögen der Eigentümerinnen und Eigentümer übertragen werden. Dies verleiht den Unternehmenden eine Rolle ähnlich der eines Treuhänders.

Verantwortungseigentum basiert auf langfristiger Eigenständigkeit und ähnelt in diesem Prinzip Familienunternehmen. Die Unternehmensverantwortung liegt jedoch nicht ausschließlich bei der genetischen Eigentümerfamilie, sondern bei einer „Fähigkeiten- und Werteverwandtschaft“. Zwei zentrale Prinzipien gewährleisten dabei die langfristige Ausrichtung des Unternehmens zum Wohle der Gemeinschaft:
 

  • Das Selbstbestimmungsprinzip sorgt dafür, dass Unternehmenswerte langfristig getragen und Stimmrechte nicht automatisch weitervererbt werden können. Damit stellt es sicher, dass Unternehmen nicht zu Spekulations­gütern werden. 
  • Das Sinnprinzip soll gewährleisten, dass Gewinne und das Vermögen vor allem für die Weiterentwicklung des Unternehmens verwendet, reinvestiert oder gespendet werden. Gewinne dienen damit als Mittel zum Zweck.  

In gewisser Weise kann also gesagt werden, dass ein Treuhänder das Konzept des Verantwortungseigentums verkörpert, indem er das Eigentum anderer verwaltet und dabei die Verantwortung hat, dies im besten Interesse der Begünstigten zu tun. Der Treuhänder übernimmt also die Verantwortung für das Eigentum, das ihm anvertraut wurde, und handelt entsprechend den ihm auferlegten Pflichten und Verpflichtungen. 

GmgV als Lösung und politische Unterstützung 

Aktuell befinden sich in Deutschland rund 200 Unternehmen in Verantwortungseigentum, wie z.B. Ecosia, Zeiss oder Alnatura. Die meisten dieser Purpose-Unternehmen sind Eigentum einer gemeinnützigen Stiftung. Allerdings ist es rechtlich schwierig und kostenintensiv, Verantwortungseigentum durch eine Stiftung zu realisieren. 

Mit viel Rückenwind aus Politik und Wirtschaft gründete sich darum 2019 die Stiftung Verantwortungseigentum, welche sich seitdem für die Einführung einer Rechtsform einsetzt, mit deren Hilfe Unternehmen in Verantwortungseigentum überführt werden können.  

In ihrem Koalitionsvertrag hat die aktuelle Regierung die Einführung einer sogenannten „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ (GmgV) aufgenommen. Diese Rechtsform könnte insbesondere den Mittelstand stärken und die Regelung von Unternehmensnachfolgen auch außerhalb der Gründungsfamilie erleichtern. So würden Nachfolger in einer GmgV aufgrund ihrer qualitativen Eignung und ihrer Verbundenheit mit dem Unternehmen besetzt werden und nicht aufgrund ihrer Finanzkraft. 

Finanzierung und Vermögensbindung

Verantwortungseigentum basiert auf Vermögensbindung, wobei Gewinne nur begrenzt entnommen werden können, zum Beispiel um den Verantwortungseigentümerinnen und -eigentümern eine faire Kompensation für ihren Einsatz im Unternehmen oder Anlegenden eine risikoadäquate Verzinsungsmöglichkeit zu zahlen. Zwar schreibt das Sinnprinzip die Reinvestition der Gewinne zum Zwecke der Unternehmensentwicklung vor, dennoch dürfen auch Unternehmen in Verantwortungseigentum die Beschaffung von Wachstumskapital nicht vernachlässigen. Dafür stehen verschiedene Optionen der externen Finanzierung zur Verfügung, wie Eigenkapital in Form von stimmrechtlosen Anteilen mit Recht auf Dividenden, Eigenkapital als Rückkaufoption mit gedeckeltem Rückkaufpreis, Anleihen oder auch Nachrangdarlehen. 

Investition in Verantwortungseigentum 

Verantwortungseigentum eröffnet werteorientierten Anlegenden die Möglichkeit, in Unternehmen zu investieren, die ihre sozialen oder umweltbezogenen Ziele teilen. Da der Unternehmenszweck nicht auf Gewinnmaximierung abzielt und das Vermögen für die Entwicklung gebunden ist, unterscheiden sich Investitionsbedingungen, Renditen und Zeithorizonte in der Regel jedoch von denen klassischer Impact-Investments.  

Verantwortungseigentum erfordert Idealismus von Unternehmen und Investierenden gleichermaßen. Es ermöglicht werteorientierten Unternehmen, den Wandel zu einer am Gemeinwohl orientierten Wirtschaft mitzugestalten. Die Einführung der GmgV als Rechtsform könnte Purpose als Geschäftszweck in der Wirtschaft einen neuen Stellenwert verleihen, weg von einem Nischenthema hin zu einem zentralen Narrativ. 

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