An der Belastungsgrenze: Online-Boom erzwingt Konzepte für die Paketzustellung der Zukunft

In der Weihnachtszeit zeigte sich kürzlich in den Wohnvierteln deutscher Städte wieder das aus den vergangenen Jahren bereits so gut bekannte Bild: Die Straßen waren zugeparkt von Transportern, die oft in zweiter Reihe hielten und aus denen stapelweise bestellte Pakete ausgeladen und an die Haushalte verteilt wurden. Der Online-Handel boomt weiter unübersehbar. Dem Online-Monitor 2022 des Handelsverbands Deutschland zufolge ist der Online-Handelsumsatz hierzulande im Jahr 2021 um 12,4 Prozent auf 97,4 Milliarden Euro gestiegen – damit fließt mittlerweile mehr als jeder siebte im Handel ausgegebene Euro in die Kassen eines digitalen Händlers. Online einzukaufen ist in unserem hektischen Alltag oft praktisch, trägt jedoch unter anderem zu einer immer angespannteren Verkehrssituation in den Städten bei – insbesondere zum Jahresende, wenn innerhalb weniger Wochen ein erheblicher Teil des jährlichen deutschen Paketaufkommens von derzeit 4,5 Milliarden Sendungen zugestellt werden muss.

In Hochzeiten wie dem Weihnachtsgeschäft treten die bisher ungelösten Probleme der Logistik- und Zustellbranche besonders deutlich zutage: Häufig sind die Kunden zum Zeitpunkt der Zustellung gar nicht zuhause anzutreffen, weswegen Paketdienste viele Wege umsonst fahren und die Pakete schließlich wieder mitnehmen und an zentralen Zustellpunkten ablegen müssen. Um zusätzliche Wege zu diesen Pickup-Points zu vermeiden, die das Online-Shopping unattraktiver machen, entscheiden sich immer mehr Verbraucher für besondere Zustelloptionen, bei denen konkrete Lieferzeiten vereinbart werden oder in Großstädten sogar eine Lieferung innerhalb von nur ein bis zwei Stunden möglich ist. Hierdurch können Routen jedoch nicht optimal geplant werden, die Lieferfahrzeuge sind oft nur halb gefüllt und dafür häufiger unterwegs. Nicht zuletzt stellt auch die hohe Anzahl von Retouren – derzeit stolze 530 Millionen Pakete pro Jahr in Deutschland – eine Herausforderung für Logistik, Verkehr und Klima gleichermaßen dar: Die dadurch verursachten 795.000 Tonnen CO2 entsprechen immerhin dem Emissionsausstoß von 6,6 Millionen Autos auf einer Fahrt von Hamburg nach München.

Ökologisch und ökonomisch sinnvolle Zustelloptionen gesucht

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Paketdienstleister, Online-Händler sowie Städte und Gemeinden gleichermaßen daran interessiert sind, die Paketzustellung der Zukunft ökonomisch und ökologisch sinnvoller zu gestalten – mit positiven Effekten nicht nur auf die eigene Marge, sondern auch auf den Klimaschutz und die Mobilitätskonzepte in den urbanen Zentren. Verschiedene Lösungswege sind in der Diskussion oder werden bereits in Pilotprojekten getestet. Wir schauen sie uns näher an:

Ein Ansatz fokussiert sich darauf, Zustellwege einzusparen, indem der Paketversand an eine Privatadresse entgegen unserer bisherigen Gewohnheiten nicht mehr die Regel ist. Die Sendungen sollen stattdessen an Pickup-Points geliefert werden, wo die Empfänger sie selbst abholen müssen. Dies können Postfilialen, Paketshops oder Packstationen, aber auch zentrale Hubs an Knotenpunkten wie Bahnhöfen oder Einkaufszentren sein. Die Zustellung direkt nach Hause oder an einen anderen individuellen Wunschort sowie zur Wunschuhrzeit wäre dann lediglich als Premium-Feature gegen Aufpreis möglich. Aus Sicht der Paketdienstleister sicher ein verlockendes Szenario, denn es umgeht das Problem, Empfänger nicht zuhause anzutreffen, spart Zeit und Wege und ermöglicht so eine schlankere Kosten- und Personalstruktur – gerade in Zeiten, in denen die Paketdienste kaum noch Fahrpersonal finden, ein wichtiger Punkt. Von Seiten der Online-Shops und der Endkunden wird diesem Konzept jedoch Skepsis entgegengebracht, denn es könnte Online-Shopping weniger bequem und somit unattraktiver machen und damit auf die Marge der Shops drücken. Der Erfolg dieser Lösung steht und fällt damit, dass es gelingt, eine große Anzahl an Pickup-Points an Orten einzurichten, die Paketempfänger ohnehin frequentieren und an denen sie möglichst unabhängig von Öffnungszeiten unkompliziert ihre Sendungen entgegennehmen können.

Elektromobilität als Revolution auf der letzten Meile

Für den Pakettransport auf der letzten Meile von zentralen Hubs aus gilt die Elektromobilität vielen Zustellunternehmen als emissionsarme Alternative zu den herkömmlichen, oft dieselbetriebenen Lieferfahrzeugen, die sich mit immer mehr Restriktionen und Fahrverboten konfrontiert sehen. Ein Vorreiter im Bereich E-Cargobikes ist das Unternehmen ONOMOTION aus Berlin, das aktuell die Weiterentwicklung seines Lastenfahrrads ONO über eine Anleiheemission bei Econeers finanziert. Das Rad mit wetterfester Fahrerkabine und einem wechselbaren Containermodul, das über ein Ladevolumen von 2 Kubikmetern verfügt, wurde in Zusammenarbeit mit führenden Paketdienstleistern entwickelt. Entsprechend gern wird es von diesen nun auch eingesetzt: Mittlerweile sind mehrere hundert ONOs in 15 deutschen Städten für UPS, Hermes und DPD im Einsatz. Ihr großer Vorteil aus Sicht der Paketdienstleister: Sie können die Radwegeinfrastruktur nutzen und durch ihre geringere Größe direkt an die Gebäude heranfahren – die zeitintensive Parkplatzsuche entfällt somit.

Neben den sich immer mehr etablierenden elektrischen Lieferfahrzeugen werden auch futuristischere Konzepte intensiv diskutiert. Hierzu gehören etwa Lieferroboter oder Paketdrohnen. Beide Trends werden von den Paketdiensten genau beobachtet. Doch so sinnvoll gerade Drohnen für die Zustellung an schwierig erreichbare Orte erscheinen, so bestehen doch berechtigte Zweifel an der Skalierbarkeit dieser Zustellform, denn Paketzustellung ist ein Massengeschäft, das nur durch möglichst große Standardisierung und Automatisierung funktionieren kann. Roboter, Drohnen & Co. werden daher wohl zumindest vorerst nicht über das Stadium eines Premium-Services für wenige, besonders anspruchsvolle und zahlungskräftige Kunden hinauskommen.

Am Ende wird es bei der Paketzustellung wahrscheinlich nicht den einen Königsweg geben, sondern Online-Kunden werden sich bereits in naher Zukunft mit einer Vielzahl an möglichen Zustelloptionen konfrontiert sehen, aus denen sie je nach Bequemlichkeit, zeitlichem sowie finanziellem Budget wählen können. Unabdingbar ist in jedem Fall, dass sich das System reformiert und ökologisch wie ökonomisch sinnvoll gestaltet wird, denn nur eines ist wirklich gewiss: Die Anzahl der Online-Bestellungen und damit auch der zuzustellenden Pakete wird weiter steigen …

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