Mehr als nur ein Hype: Die Sharing Economy boomt

Dass Teilen etwas Gutes ist, haben wir schon im Kindergarten gelernt. Als wir das ganze Spielzeug für uns allein haben wollten und die Erzieherin mit kritischem Blick mahnte: „Lass doch den Max mitspielen. Ihr könnt doch teilen.” Teilen, das erkannten wir schnell, steht in einer Reihe mit Hilfsbereitschaft, Höflichkeit und Fleiß. Es gehört zu den edlen Charaktereigenschaften. Also teilten wir. Die Süßigkeiten mit der kleinen Schwester, die gespitzten Buntstifte mit den Klassenkameraden, die Sorgen mit der besten Freundin, später sogar die Wohnung, die sich in eine WG verwandelte. Inzwischen hat sich das Teilen zu einem weltweiten Trend entwickelt. Immer mehr Menschen überlassen Fremden ihre Wohnung, wenn sie nicht da sind, sie bieten ihr Auto an oder vermieten ihre Haushalts- und Gartengeräte. Und der Trend hat auch einen Namen – Sharing Economy. 

Um herauszufinden, wie wichtig dieser Wirtschaftszweig inzwischen ist, braucht man den Begriff „Sharing Economy” nur zu googeln. Unzählige Artikel beschäftigen sich damit. Es gibt Untersuchungen, Studien und Analysen. Doch was genau verbirgt sich eigentlich dahinter? Das Prinzip ist immer gleich: Statt sich Dinge zu kaufen und diese zu besitzen, nutzen die Menschen sie lieber gemeinsam mit anderen. Das ist praktisch und günstig, weil man sich bestimmte Konsumgüter nicht selbst anschaffen, sie lagern und warten muss. Aber auch der Aspekt der Nachhaltigkeit spielt eine große Rolle. Denn ein enger werdender Lebensraum und knappere Ressourcen zwingen zum Umdenken. Folgt man dieser kurzen Definition, dann würden auch alte Geschäftsmodelle, wie zum Beispiel Bibliotheken, zur Sharing Economy gehören. Doch das ist nicht der Fall. Um den neuen Wirtschaftszweig genau abgrenzen zu können, ist ein weiterer Aspekt wichtig: Bei der Sharing Economy erfolgt die Transaktion mithilfe des Internets. Das heißt also, es wird entweder eine digitale Plattform oder eine App genutzt. 

Von Babysachen bis Autos: Diese Firmen setzen aufs Teilen

Eine der bekanntesten Sharing-Plattformen ist Airbnb. Der 2008 gegründete Betten-Vermittler aus San Francisco hat den Couchsurfing-Gedanken weiterentwickelt und Wohnungs-Sharing berühmt gemacht. Nach eigenen Angaben vermittelt das Unternehmen in mehr als 190 Ländern Häuser, Wohnungen und Zimmer. Dabei reicht die Bandbreite von einer einfachen Couch bis zu luxuriösen Penthousewohnungen mit Pool. Noch viel älter als Airbnb ist die mitfahrzentrale.de. Bereits seit 1998 ermöglicht diese Plattform Fahrgemeinschaften. Geteilt werden also freie Plätze im Auto. Vor allem Studenten nutzen das günstige Transportmittel. Seit 2015 gehört die Plattform zur französischen Firma Blablacar

Und was gibt es sonst noch? Besonders viele Anbieter beschäftigen sich mit dem Thema Carsharing. So besitzt zum Beispiel das Unternehmen Teilauto in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen eine Flotte von mehr als 1.000 Fahrzeugen, die sich die Nutzer für einzelne Fahrten ausleihen können. Und dann sind da noch jene Unternehmen, die zwar eigentlich nicht zur Sharing Economy gehören, aber auch einen Teil des Kuchens haben wollen. Der Kaffeeröster Tchibo zum Beispiel geht seit 2018 einen neuen Weg und bietet auf tchibo-share.de Babysachen zum Ausleihen an. 

Umfrage zeigt: Jeder zweite Deutsche nutzt Sharing-Angebote

Wie beliebt das Teilen ist, zeigt eine Umfrage der Beratungsgesellschaft PwC. Befragt wurden 4.500 Konsumenten in Belgien, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz, der Türkei und Deutschland. Das Ergebnis ist eindeutig: Unter den untersuchten Ländern ist Deutschland mit einem Volumen von weit mehr als 20 Milliarden Euro der größte Sharing-Economy-Markt. Fast 40 Prozent der in Deutschland Befragten gaben an, in den zwölf Monaten vor der Befragung Share-Economy-Angebote genutzt zu haben. Dabei investierten sie durchschnittlich 884 Euro. Die Studie gibt auch Aufschluss darüber, wer die Nutzer von Sharing-Angeboten sind. Deutlich wird: Das Interesse ist bei jungen Menschen besonders groß. 53 Prozent der aktuellen Sharing-Economy-Nutzer sind zwischen 18 und 39 Jahre jung, sie nutzen Sharing-Angebote häufiger als ältere Nutzer und tragen weit mehr als die Hälfte zu den Gesamtausgaben bei. 

Neuanfang für die Branche: Die Corona-Krise als Chance

Die Sharing Economy hat sich in den vergangenen Jahren rasant entwickelt. Doch zur Wahrheit gehört auch: Aktuell muss diese Branche mit der Corona-Krise eine große Herausforderung meistern. In Zeiten von Kontaktsperren, Homeoffice und Social Distancing haben es Sharing-Plattformen nicht leicht. Wer will jetzt schon mit einem fremden Auto fahren? Doch ganz so aussichtslos, wie manche Medien die Situation nun beschreiben, ist sie nicht. Von einem Aus der Sharing-Economy zu sprechen, geht zu weit, meint Jonas Pentzien vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) in Berlin, der zu diesem Thema forscht. Der ADR-Redaktion erklärte er, der Virus biete neue Chancen –  etwa für gemeinwohlorientierte und lokale Sharing-Plattformen. 

Besonders erfolgreich seien während der Corona-Krise zum Beispiel Nachbarschaftsplattformen gewesen, über die Hilfe beim Einkauf oder Ähnliches organisiert werden kann. Auch Leihfahrräder waren durch schönes Wetter und wochenlangen Bewegungsmangel in den Städten sehr beliebt. Der Experte ist sich sicher: Je lokaler die Vermittlung organisiert ist, desto besser können die Bedürfnisse in Zeiten der Krise erkannt und erfüllt werden. Doch auch für die großen Sharing-Unternehmen gibt es laut dem Experten Lösungen. So habe etwa Airbnb in Paris versucht, Wohnungen an zusätzliches Krankenhauspersonal anstelle von Touristen zu vermitteln. Kreativität ist also gefragt.

Und der Experte betont noch etwas: Ganz unabhängig von der Corona-Krise ist das Teilen vor allem aus ökologischer Sicht sinnvoll. Die Erzieherin im Kindergarten hatte also recht. Teilen ist eine gute Eigenschaft. Wer teilt, zeigt Größe – und wer das Teilen zum Geschäft macht, der kann sogar Großes erreichen. 

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