Raus aus der Kohle – aber wann und wie? Wir beantworten die wichtigsten Fragen

Ein wenige Hundert Hektar großer Wald zwischen Köln und Aachen wurde 2018 zum Symbol des Kampfs zwischen Klimaschützern und Kohlebranche – der Hambacher Forst. Für den Ausbau des angrenzenden Braunkohletagebaus wollte der Energiekonzern RWE den Wald roden. Was mit einigen wenigen Baumhäusern als Protest seitens der Umweltschützer begann, ging mit der Räumung des Forsts als einer der größten Polizeieinsätze in Nordrhein-Westfalen in die Geschichte ein. Spätestens seit diesem Zeitpunkt ist das Thema “Kohleausstieg” weit über die Grenzen der Umweltszene hinaus bekannt. Doch es brauchte zwei weitere Jahre, bis sich die Politiker einigten und mit dem Kohleausstiegsgesetz die Energiewende endlich ins Rollen brachten. Doch warum ist die Energiewende so wichtig? Und welche Bedeutung hat die Kohle heute noch? In diesem Blogbeitrag beantworten wir die wichtigsten Fragen rund um den Kohleausstieg. 

Warum will Deutschland überhaupt aus der Kohle raus?

Leider werden die dramatischen Folgen des Klimawandels immer deutlicher: schmelzende Gletscher, brennende Wälder und steigende Meeresspiegel – dass die Menschheit nicht einfach so weitermachen kann wie bisher, ist offensichtlich. Wirklich etwas ändern kann sich allerdings nur, wenn bei vielen Menschen ein Umdenken einsetzt. Der globale Rahmen wurde mit dem Pariser Abkommen von 2015 gesetzt, bei dem sich die EU und ihre Mitgliedstaaten darauf geeinigt haben, die Erderwärmung deutlich unter 2°C  zu halten und den Temperaturanstieg auf 1,5°C zu begrenzen. Um ihren Beitrag zum Pariser Abkommen zu leisten, hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, die Treibhausgasemissionen bis 2050 um mindestens 80 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Experten sind sich einig, dass dieses Ziel nur mit einem Ende der Kohleverstromung erreicht werden kann. Denn Kohle ist der mit Abstand klimaschädlichste fossile Brennstoff. Mit dem kontinuierlichen Kohleausstieg sollen in Deutschland die CO2-Emissionen zwischen 2020 und 2030 voraussichtlich um rund zehn Millionen Tonnen pro Jahr sinken.

Geht die Diskussion um den Kohleausstieg nicht schon ewig?

… zumindest schon fünf Jahre. Das liegt daran, dass mit dem Verzicht auf fossile Energieträger nicht nur eine ökologisch wichtige und richtige Wende einhergeht, es müssen auch zahlreiche ökonomische und soziale Veränderungen politisch begleitet werden. So werden es zum Beispiel noch junge Kraftwerke bis zum geplanten Kohleausstieg nicht schaffen, ihre Investitionen reinzuholen. Zudem bedeutet die Energiewende für betroffene Regionen einen enormen strukturellen Wandel. Eben weil der Kohleausstieg nicht so einfach machbar ist, wurde im Juni 2018 die sogenannte “Kohlekommission” – die Kommission für “Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung” ins Leben gerufen. Sie soll dafür sorgen dass die Ziele im Zusammenhang mit der Energiewende eingehalten und die Gesichtspunkte verschiedener Interessengruppen berücksichtigt werden. 

Wie ist der aktuelle Stand beim Kohleausstieg?

Anfang 2019 verabschiedete die Kohlekommission in ihrem Abschlussbericht ein Aktionsprogramm zum Kohleausstieg mit strukturpolitischen sowie klima- und energiepolitischen Empfehlungen. Knapp 1,5 Jahre und zahlreiche Verhandlungen später, hat der Bundestag am 3. Juli 2020 das Kohleausstiegsgesetz beschlossen und außerdem ein Gesetz verabschiedet, das Hilfen von 40 Milliarden Euro für Kohleländer wie Sachsen, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen vorsieht. Damit kommt die Regierung den Empfehlungen der Kohlekommission nach und legt nun auch formal den Ausstiegsplan aus der Kohleverstromung bis 2038 fest. 

Was bedeutet das Kohleausstiegsgesetz konkret?

Mit dem „Gesetz zur Reduzierung und zur Beendigung der Kohleverstromung“ wird die Kohleverstromung schrittweise verringert und bis spätestens Ende 2038 vollständig beendet. Konkret bedeutet das: Bis zum Jahr 2022 wird der Anteil der Kohleverstromung durch Steinkohle- sowie Braunkohle-Kraftwerke auf jeweils rund 15 Gigawatt reduziert. Bis 2030 sind weitere Reduktionen auf rund acht Gigawatt-Leistung bei den Steinkohle-Kraftwerken und neun Gigawatt-Leistung bei den Braunkohle-Kraftwerken vorgesehen. Bis 2038 soll der Ausstieg aus der Kohleverstromung spätestens abgeschlossen sein. Kurzfristig sollen acht alte und dreckige Kraftwerksblöcke im Rheinland abgeschaltet werden – der erste Block, der durch den Energiekonzern RWE betrieben wird, bereits zum Ende des Jahres. Weitere elf Kraftwerksblöcke in Deutschland sollen bis zum Jahr 2030 folgen. Für die verbliebenen Kohlekraftwerke überprüft die Bundesnetzagentur, ob die vorgesehene Abschaltung jeweils um bis zu drei Jahre vorgezogen werden kann und somit der Kohleausstieg schon mit dem Jahr 2035 vollzogen werden könnte. 

Welche Rolle spielt die Kohleverstromung noch für den deutschen Strommix?

Die Bedeutung der Kohleverstromung ist in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gesunken. Zum Vergleich: Betrug der Anteil im Jahr 1990 noch 56,7 Prozent, so lag der Anteil der Verstromung aus Kohle an der gesamten Stromerzeugung in Deutschland im Jahr 2018 bei 35,4 Prozent (Braunkohle: 22,5 Prozent; Steinkohle: 12,9 Prozent). Und der Anteil sinkt noch weiter: Im ersten Halbjahr 2020 betrug er laut Statistischem Bundesamt insgesamt nur noch 22,3 Prozent. Der Beitrag erneuerbarer Energieträger am Energiemix ist hingegen inzwischen mit 51,2 Prozent deutlich höher als der von Braun- und Steinkohle.

Was bedeutet das alles für die erneuerbaren Energien?

Erneuerbare Energien spielen schon jetzt in Deutschland eine große Rolle. Künftig wird es noch mehr Ökostrom geben. Mit dem Kohleausstiegsgesetz wurde nun erstmals rechtlich fixiert, dass der Bruttostromverbrauch 2030 zu 65 Prozent aus erneuerbaren Energien erfolgen muss. Das beschert allen Beteiligten deutlich mehr Planungssicherheit in Hinblick auf den Ausbau erneuerbarer Energieträger. Die wichtigsten erneuerbaren Energieträger sind Wind- und Sonnenenergie. Daneben leisten Biomasse und Wasserkraft einen wertvollen Beitrag zur nachhaltigen Energieversorgung.

In den kommenden Jahren wird sich also einiges tun, um die Energiewende in Deutschland voranzutreiben. Länder wie Großbritannien oder Irland, die bereits bis 2025 die Kohleverstromung beenden wollen, zeigen, dass der Ausstieg gelingen kann. Das Vereinigte Königreich vermeldete im Juni beispielsweise schon seit zwei Monaten erfolgreich ohne Kohlestrom auszukommen. Auch die Aktivisten im Hambacher Forst können mit dem Kohleausstiegsgesetz einen Erfolg feiern: Der symbolträchtige Wald zwischen Köln und Aachen bleibt erhalten. 

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