Es ist 12 Uhr, Mittagszeit, und die Menschen aus den umliegenden Bürogebäuden strömen in Trauben in das nahegelegene Restaurant. Etwas Leckeres, Gesundes zur Stärkung zwischendurch soll es sein – aber auch bitte nicht zu lange dauern, denn das nächste Meeting steht an und mehr als 30 Minuten Pause sind nicht drin. Vorfreudige Erwartung auf ein gutes Essen, aber auch Eile liegen in der Luft, doch der Chefkoch lässt sich nicht stressen. Er läuft heute wieder zur Höchstform auf und jongliert mehrere Gerichte gleichzeitig auf dem Herd. Hier brät er Garnelen scharf an, da schwenkt er Pasta in der Pfanne, dort streut er zum Finish noch frische Kräuter über den fertig angerichteten Teller. Und während der staunende Kunde sein Essen in Empfang nimmt, ist der Koch schon längst beim nächsten Gericht. Es gelingt ihm spielend leicht, unermüdlich Essen in gleichbleibender Qualität zu servieren – und das 24 Stunden am Tag …
Küchen-Roboter sorgen für Qualität und Effizienz
… denn dieser Chefkoch ist kein Mensch, sondern ein Roboter, der sich in einem drei mal drei Meter großen Glaskubus befindet. Entwickelt hat ihn das Leipziger Startup DaVinci Kitchen. 15 verschiedene Pasta-Rezepte beherrscht der futuristische Koch bereits, pro Gericht braucht er ca. drei Minuten. Das junge Unternehmen arbeitet nun daran, das Repertoire des Küchen-Roboters über Nudelgerichte hinaus stetig zu erweitern, die Abläufe zu optimieren und die Maschine bei der Zubereitung noch schneller werden zu lassen. Einen Ersatz für Feinschmecker-Menüs in edlen Restaurants soll der Roboter jedoch nicht bieten. Zielgruppe von DaVinci Kitchen ist vielmehr die Systemgastronomie. In Kantinen, Großküchen und Imbissen, also überall dort, wo Menschen unterwegs sind und wenig Zeit haben, muss im Akkord gekocht werden. Während einerseits die Ansprüche der Kunden an die Qualität und den Nährstoffgehalt des Essens steigen, wollen andererseits immer weniger Menschen den anstrengenden Job in der Systemgastronomie machen. Da schafft der Roboter-Chefkoch von DaVinci Kitchen Abhilfe.
Gleichzeitig ist er ein Beispiel dafür, wie neueste technologische Entwicklungen die Art und Weise, wie wir uns morgen ernähren und das, was auf unseren Tellern landen wird, verändern. In den letzten Jahren hat es bereits einen tiefgreifenden Wandel in unserem Ernährungs- und Konsumverhalten gegeben. Lebensmittel sind immer mehr zu elementaren Bausteinen unseres Lebensstils geworden. Der Ausspruch “Du bist, was du isst” – ursprünglich ausschließlich auf die körperlichen Auswirkungen der Ernährung bezogen – ist in seiner Bedeutung inzwischen wesentlich vielschichtiger. Gesundheit, Körperbewusstsein sowie ein soziales und ökologisches Gewissen sind die Statussymbole von heute. Ausdruck finden sie in der richtigen Auswahl oder aber dem bewussten Weglassen bestimmter Lebensmittel. Gerade Letzteres ist besonders beachtlich, denn wir befinden uns erstmals in der Menschheitsgeschichte in einer Phase, in der wir in Sachen Ernährung buchstäblich aus dem Vollen schöpfen können, viele Verbraucher sich jedoch entscheiden, freiwillig zu verzichten – häufig der Umwelt und dem Tierwohl zuliebe. Dieser Verzicht kann zwar sinn- und identitätsstiftend sein, doch wenn bestimmte Lebensmittel, die man früher gern gegessen hat, schmerzlich vermisst werden, trübt das die Freude am guten Gewissen.
Fleischkonsum ohne Tierleid und viel CO2-Ausstoß
Doch auch hier können technologische Entwicklungen Abhilfe schaffen, und viele Food-Startups tüfteln bereits daran, dass sich Gewissen und Genuss noch besser vereinen lassen. Ein Beispiel dafür ist das Thema Fleischkonsum. Die Anzahl der Vegetarier und Veganer in Deutschland steigt seit Jahren. Mittlerweile essen knapp acht Millionen Menschen hierzulande kein Fleisch mehr – ein Plus von 23 Prozent gegenüber dem Jahr 2016. Ganze 400.000 Menschen haben sich in diesem Jahr zum Veganuary angemeldet und sich damit gemeinsam dem guten Vorsatz verschrieben, den gesamten Januar 2021 über keine tierischen Produkte zu konsumieren. Viele von ihnen bleiben dabei und kaufen ab jetzt veganen Aufschnitt und Sojahack statt Schweinesalami und Rinderhackfleisch.
Wer jedoch vor allem für die Umwelt und aufgrund des hohen CO2-Ausstoßes, der bei der Tierhaltung und Fleischproduktion entsteht, auf Steak und Wurst verzichtet, darf seine Hoffnungen auf die Entwicklung von Laborfleisch setzen. Bei dieser Methode vermehren sich Zellkulturen von Schwein, Rind, Huhn & Co. in einer Nährlösung. Das Ergebnis ist echtes Fleisch ganz ohne Massentierhaltung und viel CO2. Mehrere Startups liefern sich ein Wettrennen darum, die Laborfleisch-Produktion zu vereinfachen, zu beschleunigen und so das Designer-Fleisch zu günstigen Preisen anbieten zu können. Bereits 2013 präsentierte das niederländische Unternehmen Mosa Meat den ersten Burger aus Rinderstammzellen – zum stolzen Preis von 250.000 Euro. Die Kosten sind seitdem bereits rapide gesunken, doch diverse Probleme bleiben. Aktuell kommen Antibiotika zum Einsatz, damit sich die Zellen rasch teilen; und auch ein Nährmedium auf pflanzlicher Basis wird händeringend gesucht. Viele Branchenkenner sind jedoch überzeugt, dass sich diese Probleme bald lösen lassen und Fleisch aus dem Labor Alltag werden wird. Eine Untersuchung des Karlsruher Instituts für Technologie zeigt: Viele Verbraucher sind offen dafür.
Algen als nachhaltige Alternative zum Palmöl
Auch für weitere Lebensmittel, die heute ein eher schlechtes Image haben, zeichnen sich Alternativen ab, etwa für Palmöl. Es ist aktuell das wichtigste Speisefett. Die Lebensmittelbranche brauchte im Jahr 2019 bereits 74 Millionen Tonnen davon, die u. a. in Fertiggerichten, Brotaufstrichen und Süßigkeiten stecken. Das Problematische dabei: In den Anbaugebieten in Südostasien werden Naturwälder immer weiter zurückgedrängt, stattdessen entstehen riesige Palmölplantagen als Monokulturen. Die Lösung könnte eine andere Pflanze sein, die bereits jetzt den Ruf eines Superfoods hat – die Alge. Ihr Vorteil: Sie lässt sich biotechnologisch viel leichter verbessern als eine Palme, so dass sie aus Kohlendioxid und Sonnenlicht ein definiertes Fett erzeugen kann. Damit experimentiert unter anderem das Deutsche Institut für Lebensmitteltechnik. Und sowohl Startups als auch große Konzerne wie BASF bringen bereits Algenöle auf den Markt. Sie stecken in Fertigprodukten, werden aber auch pur als Alternative zu gängigen Speisefetten wie Sonnenblumenöl positioniert, da sie reich an ungesättigten Fettsäuren sowie Omega-3 sind und so in Hinblick auf die Nährstoffe den Fischkonsum ersetzen könnten.
Die Beispiele in diesem Beitrag machen deutlich: Im Bereich der Lebensmitteltechnologie ist vieles in Bewegung. Und in den nächsten Jahren wird vermutlich einiges auf unseren Tellern landen, was wir noch nicht kennen oder derzeit mit Skepsis beäugen. Klar ist, dass die Frage, was wir zukünftig essen – und worauf wir freiwillig verzichten wollen – weiterhin eine höchst individuelle bleibt. Die innovativen Ideen junger FoodTech-Unternehmen tragen jedoch dazu bei, dass künftig jede Ernährungsform aus einem noch größeren Spektrum an Alternativen wählen kann. Labor-Fleisch, gebraten vom Küchen-Roboter, mag für uns aktuell futuristisch klingen, dürfte jedoch ein Szenario aus einer gar nicht allzu fernen Zukunft sein …