Zukunftsszenario: So kann Deutschland seine Klimaziele erreichen

Der Anteil erneuerbarer Energien am deutschen Strommix betrug 2015 bereits über 30 Prozent – ein Zuwachs von mehr als vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Diesem Aufwärtstrend könnte der im Juni 2016 veröffentliche Gesetzentwurf zur Novellierung des EEG (EEG 2016) ein Ende bereiten, denn er sieht künftig Ausschreibungsverfahren für größere Solar-, Wind- und Biogasanlagen vor. Im April 2016 verpflichtete sich die Bundesregierung jedoch mit der Unterzeichnung des Pariser Klimaschutzabkommens auch zur Umsetzung einer ambitionierten Energiewende. „Das passt nicht zusammen“, sagen Forscher der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) in einer neuen Studie.

Deutschland braucht nicht weniger, sondern viel mehr Ökostrom

Mit den Vorgaben des reformierten EEG 2016 wird die Bundesregierung ihre selbst gesteckten Ziele aus dem Pariser Klimagipfel klar verfehlen. Zu diesem Schluss kommt die sogenannte Sektorkopplungsstudie, die die Forschungsgruppe Solarspeichersysteme der HTW Berlin unter Leitung von Prof. Dr. Volker Quaschning gemeinsam mit Greenpeace Energy in dieser Woche vorgestellt hat. Darin wurde ein Szenario entwickelt, das alle wichtigen Schritte beschreibt, die Deutschland gehen muss, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten und dem Klimawandel aktiv gegenzusteuern.
Spätestens im Jahr 2040 benötigt Deutschland nach Ansicht der Forscher doppelt so viel erneuerbare Energie wie heute (1.320 Terawattstunden). Der deutlich höhere Strombedarf entsteht laut der Studie, weil Bereiche wie Verkehr, Wärme und Industrie zum Erreichen der Klimaschutzziele in Deutschland von fossilen Energieträgern auf erneuerbaren Strom umgestellt werden müssen. „Die Energieversorgung in den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr sollte […] bis 2040 vollständig mit erneuerbaren Energien gedeckt werden“, heißt es in der Studie. Und weiter: „Wir müssen die Wind- und Solarenergie drei bis sechs Mal schneller ausbauen als von der Bundesregierung geplant”, präzisierte Prof. Dr. Quaschning die Ergebnisse in einer gemeinsamen Pressemitteilung der HTW Berlin und Greenpeace Energy.
„Mit den geringen Zubaukorridoren des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ist ein Einhalten der Paris-Ziele praktisch unmöglich. Entweder fehlt den politisch Verantwortlichen der nötige Sachverstand oder sie beabsichtigen das Klimaschutzabkommen gar nicht einzuhalten“, urteilte Quaschning.

Ab 2025: keine Neufahrzeuge mit Benzin- und Dieselmotoren mehr

Um die globale Erwärmung möglichst auf 1,5 °C zu begrenzen, ist bis zum Jahr 2040 der vollständige Verzicht auf Kohlendioxidemissionen nötig. Danach darf nach Ansicht der Energieexperten der HTW in Deutschland kein fossiles Erdgas, Erdöl und keine Kohle mehr genutzt werden. Eine weitere Möglichkeit wäre, das zu viel emittierte CO2 mit dem aufwändigen und kostenintensiven CCS-Verfahren der Atmosphäre zu entziehen und zu lagern. Einen wesentlichen Teil der Energieversorgung werden nach Ansicht der Berliner Forscher vor allem Windkraft und Photovoltaikanlagen übernehmen. Ungefähr im Jahr 2025 sollten die Produktion von Fahrzeugen mit Benzin- und Dieselmotoren eingestellt und für den Güterverkehr wichtige Fernstraßen mit Oberleitungen versehen werden. Als weitere Maßnahmen zur Einhaltung des Klimaschutzabkommens dürften bereits ab 2020 im Wärmebereich keine neuen Gas- oder Ölheizungen und KWK-Anlagen mehr installiert werden. Der überwiegende Anteil der Raumwärme wird nach Ansicht der Forscher künftig durch Wärmepumpen gedeckt.

EEG 2016 vs. Klimaschutzabkommen von Paris

Noch bevor das Pariser Klimaschutzabkommen abschließend im Parlament ratifiziert werden konnte, und damit verbindlich in Kraft treten kann, bremste die Bundesregierung dieses wichtige Jahrhundertprojekt aus – mit ihrem Entwurf zum EEG 2016, das am 1. Januar 2017 in Kraft treten soll. Damit wird der Ausbau der erneuerbaren Energiequellen als umweltfreundlicher Ersatz für umweltschädliche fossile Energieträger, wie z. B. Kohle oder Gas möglicherweise behindert, denn es sieht die Einführung von Ausschreibungsverfahren für Windkraft- und Solaranlagen (ab einer Leistung von 750 kW) und Biogasanlagen (ab einer Leistung von mehr als 150 kW) vor. Das bedeutet, dass die Regierung pro Jahr ein gewisses Volumen an Megawatt ausschreibt, um die sich die Anlagenbetreiber bewerben können. Der Betreiber, der den günstigsten Preis pro Kilowattstunde veranschlagt, erhält den Zuschlag. Bislang erhielten alle neu gebauten Anlagen eine feste EEG-Vergütung, was den Betreibern langfristig Planungssicherheit und feste Einnahmen garantierte.
Der Gesetzentwurf zum EEG 2016 ging in dieser Woche in die parlamentarische Beratung. Gleichzeitig machte sich Bundesumweltministerin Barbara Hendricks bei einem EU-Treffen für die Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens stark. „Binnen einer Woche treibt die Bundesregierung zwei verbindliche Rechtsakte voran, die sich inhaltlich komplett widersprechen“, kritisierte Marcel Keiffenheim, Leiter Politik und Kommunikation von Greenpeace Energy, bei der Vorstellung der Sektorkopplungsstudie und bezeichnete dieses Vorgehen als „klimapolitische Schizophrenie“.

EEG 2016 – das Aus für die Energiewende?

Die drohende Beschneidung erneuerbarer Energiequellen durch das EEG 2016 gibt Grund zur Sorge. Es erscheint fraglich, wie ernst es der Bundesregierung mit der Umsetzung der Vorgaben aus dem Pariser Klimaschutzabkommen ist. Seit Bekanntwerden des Entwurfes zum EEG 2016 ist die Branche der Erneuerbaren Energien deutschlandweit in Aufruhr. Viele Energieexperten üben Kritik an dem Gesetzentwurf, einige sprechen sogar vom „Ende der Energiewende“. Der Bundesverband Erneuerbare Energien e.V. (BEE) forderte die Bundesregierung in einer Pressemitteilung auf, die eigenen Klimaschutzziele ernst zu nehmen und die Erneuerbaren nicht auszubremsen. „Es geht uns um Klima- aber auch um Vertrauensschutz“, sagte Dr. Hermann Falk, Geschäftsführer des BEE in Berlin. Besonders bedenklich ist nach Ansicht des BEE, dass im aktuellen EEG-Entwurf eine Regelung fehlt, nach der bezuschlagte, aber nicht realisierte Ausbaumengen in der nächsten Runde neu ausgeschrieben werden können. „Dies wird nach eigenen Berechnungen der Bundesregierung zu einer Absenkung des Ausbaus um mindestens 10 Prozent oder 280 Megawatt führen“, so Falk.

Heftige Kritik am Gesetzentwurf zum EEG 2016 kommt auch vom Bundesverband Solarwirtschaft (BSW), der sich ebenfalls mit einer Pressemitteilung an die Politik wandte. Darin heißt es: „Ausgerechnet jetzt, wo Solarenergie preiswert geworden ist und sie als unverzichtbarer Klimaschützer gefragt wäre, droht der Solarenergie in Deutschland ein Schattendasein. Wenn die Klimabeschlüsse von Paris mehr als heiße Luft sind, dann muss die Politik den vorliegenden Gesetzesentwurf bei der Photovoltaik jetzt deutlich nachbessern.“

Erneuerbare Energien sind alternativlos

Nun ist die Politik gefordert, entsprechende Korrekturen am EEG 2016 vorzunehmen und die Energiewende weiter voran zu treiben, anstatt ihr regulatorische Steine in den Weg zu legen. Im Vergleich zu fossilen Energiequellen oder atomaren Technologien sind erneuerbare Energiequellen umweltfreundlich, sicher und unendlich verfügbar. Außerdem sind sie langfristig günstiger, da fast keine externen Umweltkosten auftreten, wie sie z. B. bei der kostspieligen Rekultivierung ehemaliger Tagebauflächen oder bei der Entsorgung von strahlendem Atommüll anfallen.

Warnhinweis: Der Erwerb dieser Vermögensanlage ist mit erheblichen Risiken verbunden und kann zum vollständigen Verlust des eingesetzten Vermögens führen. Der in Aussicht gestellte Ertrag ist nicht gewährleistet und kann auch niedriger ausfallen.

Bildnachweis: Titelbild: FreeImages.com/Nicolas Cosens

1 Comment

  1. Fabio Gutjahr
    13. Juni 2024

    Ein spannendes und wichtiges Thema! Es ist entscheidend, dass wir den Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben, um unsere Klimaziele zu erreichen. Hoffentlich findet die Politik bald passende Lösungen, um diese Herausforderungen erfolgreich anzugehen.

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