Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Laut des Female Founders Monitors werden 80 Prozent der Startups in Deutschland von Männern gegründet. Damit entfällt nur ein Anteil von 20 Prozent auf Frauen, womit sie weiterhin klar unterrepräsentiert bleiben. Diese Verteilung spiegelt sich auch bei den Projekten wider, welche über die Plattformen der OneCrowd (Seedmatch und Econeers) im Jahr 2022 finanziert wurden. Daher war es für die OneCrowd-Gruppe erfreulich, im vierten Quartal zwei weibliche Gründerteams im Rahmen einer Crowdinvesting-Kampagne begleiten zu können.
Wir haben Jennifer Schäfer, Gründerin von UNMILK, sowie Tessa Zaune-Figlar und Valerie Henssen, Gründerinnen von VEGDOG, zum Gespräch eingeladen und über den Status Quo, die hohe Frauenquote in ihren Teams und besondere Gründerinnen-Erfahrungen gesprochen.
Econeers: Erst einmal ganz allgemein: Wie steht ihr zur aktuellen Debatte um ein diverses Gründungs-Ökosystem mit dem Fokus auf mehr Gründerinnen? Nehmt ihr diese im Alltag wahr?
Jennifer Schäfer, UNMILK: Die Debatte ist schon immer wieder Thema, was ich befürworte. Eine Frauenquote von 20 Prozent unter Gründer:innen ist einfach viel zu wenig. Ich versuche, überall, wo es passt, interessierte Frauen zu unterstützen und bin bspw. im Frauen-Netzwerk nushu für Gründerinnen und Gründungsinteressierte Mitglied.
Tessa Zaune-Figlar, VEGDOG: Im Grunde genommen merkt man natürlich, dass vermehrt Maßnahmen ergriffen werden, um Gründerinnen zu fördern und zu ermutigen. Tatsächlich ist der Anteil an Gründerinnen aber immer noch sehr gering. Es ist sicher sinnvoll, Rahmenbedingungen und Grundlagen zu schaffen, bei denen sich Frauen sicherer fühlen, diesen Weg zu gehen. Es werden Annahmen getroffen, die sagen, Männer wären grundsätzlich eher bereit Risiken einzugehen als Frauen. Wir denken, dass das Risiko, welches Frauen heute eingehen müssen, im Vergleich immer noch größer ist – denn schlussendlich steht im Beispiel Familie die Frau weiterhin öfter in der Hauptverantwortung. Hier merkt man definitiv einen Wandel, der allerdings noch verbesserungsbedürftig ist. Es ist noch ein Weg zu gehen, der eine gleiche Grundlage für Männer und Frauen im Gründungsbereich schafft.
Econeers: Die Bundesregierung hat im Sommer des letzten Jahres eine Startup-Strategie verabschiedet, die u. a. konkrete Unterstützungsmaßnahmen für Gründerinnen in der Startup-Branche festgelegt. Was braucht es eurer Meinung nach, um den Gründerinnen-Anteil zu steigern?
Jennifer Schäfer, UNMILK: Es ist ein gesellschaftlich und politisch komplexes Thema. Ich denke, ein wichtiger Schritt ist es, Jugendlichen und Frauen sehr früh aufzuzeigen, dass Selbstständigkeit und Unternehmerinnentum überhaupt eine Option sind. Die meisten Menschen, insbesondere Frauen, kommen gar nicht erst auf die Idee, dass Gründen ein Karriereweg sein kann. In Schulen und Universitäten zum Beispiel sollte die Option, zu gründen, thematisiert werden.
Valerie Henssen, VEGDOG: Ich halte es für sinnvoll, schon in der Schule gezielt mehr Wirtschaftskompetenz zu fördern. Hier werden die Grundlagen gelegt und Schülerinnen könnten von spannenden Gründer-Stories inspiriert werden. Im Studium ließe sich das fortsetzen mit einem Mentorinnen-Netzwerk, das weibliche Talente erkennt und speziell fördert. Generell muss sich in Deutschland noch die Einsicht durchsetzen, dass zum Gründen auch das Scheitern gehören kann – und dass das auch okay ist. Vielleicht schreckt Frauen das noch eher ab als Männer.
Econeers: Welche Hürden in Bezug aufs Gründen müssen konkret noch abgebaut werden?
Jennifer Schäfer, UNMILK: Viele! Ich glaube, viele Hürden entstehen aber im ersten Schritt im Kopf. Und es muss verstanden werden, dass Scheitern nicht schlimm ist. Wenn du gründest und es geht schief, hast du nichtsdestotrotz allen Grund, stolz auf dich zu sein. Dafür, dass du es probiert hast und deiner Leidenschaft und deiner Idee nachgegangen bist.
Tessa Zaune-Figlar, VEGDOG: Ich glaube nicht, dass es speziell in der Unternehmensgründung Hürden gibt, die nur Frauen betreffen. Es geht eher um die Rahmenbedingungen wie familienfreundliche Arbeitszeiten etc.
Econeers: Hattet ihr im Gründungsprozess Situationen, wo das Gefühl entstanden ist, ihr werdet anders behandelt, weil ihr Gründerinnen seid?
Jennifer Schäfer, UNMILK: Ja und nein. Meiner Erfahrung nach ist es nicht sonderlich anders als in jeder anderen Lebenssituation. Frauen haben in der Berufswelt häufig mit bestimmten Vorurteilen zu kämpfen. Aber, es gibt auch Vor(ur)teile: Ich habe oft das Gefühl, dass man bspw. häufiger zu Veranstaltungen, Diskussionen und Speaker-Teilnahmen eingeladen wird, weil es eben weniger Frauen gibt. Und jede Bühne und Reichweite ist wiederum gut für das Startup und das Unternehmen.
Valerie Henssen, VEGDOG: Definitiv im Fundraising. Es war das erste Mal, dass wir das Gefühl hatten, es ist schwieriger, weil wir Frauen sind. Die Geldgeber und Investoren sind im Gespräch Männer gewöhnt, die vielleicht größere und ambitioniertere Cases vorlegen. Wir sind grundsätzlich etwas vorsichtiger in den Prognosen und setzen auf realistische Ansätze – man könnte natürlich hinterfragen, ob wir einfach so sind oder ob es eine weibliche Eigenschaft ist. Wir hatten den Eindruck, dass es gewisse männliche Eigenschaften im Zusammenhang mit Investitionsgesprächen gibt, die erwartet werden. Somit stößt man mit vorsichtigen Herangehensweisen erst einmal auf Irritation.
Econeers: Bleiben wir einmal beim Thema Geld. Es heißt, dass es für Gründerinnen oft schwierig ist, an eine Finanzierung zu kommen. Laut Female Founders Monitor ist vor allem der Zugang zu Angel-Investor:innen für Frauen(-Teams) eine Hürde im Finanzierungssystem: Würdet ihr dem zustimmen?
Jennifer Schäfer, UNMILK: Meine Investoren bestanden vor Econeers ausschließlich aus Männern. Ich freue mich sehr, in unserer Econeers-Investorenliste auch zahlreiche Frauen begrüßen zu dürfen!
Tessa Zaune-Figlar, VEGDOG: Mittlerweile eher im Gegenteil, da sich Fonds beinahe damit ‚schmücken‘, in Female Founder zu investieren. Dadurch ist allein der Begriff ‚Female Founders‘ so präsent geworden. Er ist definitiv positiv besetzt und den Eindruck hatten wir auch in Gesprächen.
Econeers: Expert:innen sind sich einig, dass es auch mehr Entscheiderinnen und Investorinnen braucht – da es die These gibt, dass Männer oft eher Konzepte von Männern fördern. Wie seht ihr diesen Punkt?
Jennifer Schäfer, UNMILK: Ich denke, das stimmt leider in der Regel. Investorinnen gibt es noch weniger als Gründerinnen. Ich freue mich aber, dass einige Investor:innen diesen Missstand verstanden haben, und versuchen, vermehrt in Frauen zu investieren.
Valerie Henssen, VEGDOG: Das können wir schlecht beurteilen. Wir sind sowohl von männlichen als auch von weiblichen Investoren gefördert worden. Der Lead Investor von unserer Series A-Finanzierung, der Green Generation Fund, hat zwei Frauen an der Spitze.
Econeers: Eine Frage an Jennifer – du sagst, du bist selbst Investorin. In welchem Bereich und mit welcher Motivation?
Jennifer Schäfer, UNMILK: Ich habe über Seedmatch und Econeers in ausgewählte Projekte investiert. Das waren Projekte, die mit meinen persönlichen und auch den UNMILK Werten übereinstimmen. Bspw. habe ich in VEGDOG investiert, da ich die Gründerinnen klasse finde und vom Produkt absolut überzeugt bin: Mein Hund bekommt selbst seit längerem das vegane Futter von VEGDOG und ist gesund und fit. Wenn also die Kombination aus Mission, Produkt und Gründer:innen-Team passt, versuche ich gerne, zu unterstützen.
Econeers: Die Frauenquote unter den Mitarbeiter:innen liegt bei UNMILK bei 100 Prozent und bei VEGDOG bei 93 Prozent und ist damit überdurchschnittlich hoch. Gibt es dafür spezielle Gründe? Wie kam es dazu?
Jennifer Schäfer, UNMILK: Das stimmt. Eine bewusste Entscheidung war das keinesfalls, wir erhalten, aber wesentlich mehr Bewerbungen von Frauen. Ich frage mich manchmal, woran das liegt: an unseren Produkten (Milchalternativen werden häufiger von Frauen konsumiert) oder vielleicht sogar daran, dass ich eine Frau bin? Es freut mich sehr, dass wir viele qualifizierte, motivierte Frauen anziehen und begeistern können, unsere Mission voranzutreiben. Zum anderen hat mich das anfänglich auch etwas gestört, gebe ich zu, da ich diverse Teams schätze. Aber: Wir sind ja noch ein kleines Team. Ich bin mir sicher, wenn wir wachsen, wird sich das Verhältnis ausgleichen.
Tessa Zaune-Figlar, VEGDOG: Es war der Lauf der Dinge. Wir würden uns freuen, auch mehr Männer im Team begrüßen zu können. Hundefutter wird meist von Frauen gekauft, so denken wir, dass VEGDOG als Arbeitsumfeld auch eher Frauen anspricht und sich somit mehr Frauen bewerben.
Econeers: Statistiken deuten an, dass das Thema Impact bei Gründerinnen eine größere Rolle spielt. Woran denkt ihr, liegt das?
Valerie Henssen, VEGDOG: Statistisch gesehen werden Frauen die Attribute empathisch und fürsorglich zugesprochen. Dies könnte der Grund dafür sein, dass Frauen sich eher mit der Auswirkung ihres Handelns oder dem der Welt auseinandersetzen. Zudem sind auch immer noch mehr Frauen in der Hauptverantwortung für die Familie. Somit könnte das Thema Zukunftssicherung für die nächste Generation für sie eine größere Rolle spielen als für Männer. Dies sind nur Annahmen, die auf statistischen Grundlagen beruhen. Natürlich denken wir, dass Männer ebenso empathisch und fürsorglich sind/sein können, aber die Vergangenheit hat diese Eigenschaften in ihnen nicht gefördert oder stimuliert.
Econeers: Etwas, dass ihr Gründerinnen mit auf den Weg geben würdet …
Valerie Henssen, VEGDOG: Baut Netzwerke auf und tauscht euch untereinander aus. Es gibt mittlerweile so viele Frauen in führenden Positionen in der Startup-Welt, dass man auf jeden Fall voneinander profitieren kann.
Econeers: Vielen Dank für eure Einblicke und weiterhin viel Erfolg im Gründerinnen-Alltag! Auch wenn es aktuell eine ungleiche Verteilung gibt, freuen wir uns über erfolgreiche Gründungs-Storys und den positiven Trend, dass der Anteil an Gründerinnen in Deutschland zuletzt leicht stieg.
Warnhinweis: Der Erwerb dieser Vermögensanlage ist mit erheblichen Risiken verbunden und kann zum vollständigen Verlust des eingesetzten Vermögens führen. Der in Aussicht gestellte Ertrag ist nicht gewährleistet und kann auch niedriger ausfallen.