Investor Uwe Anger: „Statt zu sparen, sollten die Menschen in neue, kreative Ideen investieren“

Im vergangenen Jahr haben wir das 10-jährige Jubiläum von Seedmatch gefeiert und sind damit die älteste Crowdinvesting-Plattform Deutschlands. Auf unserem Weg haben wir viele verschiedene Business-Ideen und Startup-Gründer kennengelernt. Doch unseren Erfolg verdanken wir auch unseren treuen Investoren, von denen uns einige schon jahrelang begleiten. Deshalb freuen wir uns umso mehr darüber, dass der Vermögensberater und langjährige Crowdinvestor Uwe Anger uns heute von seinen persönlichen Erfahrungen mit dem Crowdinvesting berichtet, Einblicke in sein Verständnis von sinnvollen Investitionen gibt und sogar Tipps für Einsteiger verrät.

Möchten Sie sich zuerst einmal einen groben Überblick zum Thema „Crowdinvesting als Anlageform“ und den damit verbundenen Renditemöglichkeiten auf Seedmatch verschaffen, empfehlen wir Ihnen unseren Podcast „Startklar“. In unserem Wissensboost erfahren Sie Grundlegendes zum Crowdinvesting –kompakt aufbereitet zum ganz bequem nebenbei Hören & Verstehen:

 

Seedmatch: Hallo Herr Anger, wie lange investieren Sie schon auf den Plattformen der OneCrowd (Seedmatch, Econeers, Mezzany)?

Uwe Anger: Wenn Sie es ganz genau wissen wollen – seit August 2012. Dazu gibt es auch eine lustige Geschichte: Ich war damals gerade auf dem Rückweg von Hamburg und traf im Zug den Gründer von Honestly. Der wiederum war gerade auf dem Weg zum Gründer von Seedmatch. Die Crowdinvesting-Plattform war damals ja gerade erst gestartet. Wir haben uns unterhalten und er hat mir sein Unternehmen präsentiert, welches er im Anschluss dann auch Seedmatch vorgestellt hat, um darüber Kapital zu generieren. Über diesen Weg, praktisch by the way, begannen wir, bei Seedmatch in Startups zu investieren.

Seedmatch: Können Sie sich noch an Ihr erstes Investment bei uns erinnern? Haben Sie damals direkt in Honestly investiert?

Uwe Anger: Ja, das erste Startup, das ich unterstützt habe, war Honestly. Wir haben damals mit dem Gedanken gespielt, direkt in Seedmatch zu investieren, haben uns dann aber erst einmal dafür entschieden, in eines der ersten Startups von Seedmatch zu investieren – und das war Honestly.

Seedmatch: Wie alt sind Sie und was machen Sie beruflich?

Uwe Anger: Ich bin 60 Jahre alt und starte in meinen dritten Lebensabschnitt. Beruflich bewege ich mich auch im Finanzsektor und betreue Kunden, deren private Vermögen wir steuern. Praktisch gesehen mache ich das schon seit 30 Jahren. Ich vertrete die Ansicht, dass heutzutage nur ein Ertrag entstehen kann, wenn ein Unternehmen Mehrwert schafft. Die Menschen müssen sich von der Gewohnheit lösen, ihr Geld nur zu sparen und anzulegen. Stattdessen sollten sie in neue, kreative Ideen investieren, in Unternehmen, die Probleme adressieren und uns den Alltag erleichtern.

Seedmatch: Ist das auch der Grund, warum Sie per Crowdinvesting investieren?

Uwe Anger: Ja, weil es eine gute Möglichkeit ist, breit gestreut zu investieren. Auf der anderen Seite erfährt man dadurch von Marktentwicklungen, auf die man andernfalls nur durch Zufall stoßen würde. Außerdem hat mich die Herangehensweise von Seedmatch gegenüber anderen Plattformen am meisten überzeugt. Auch die kompletten Abwicklungswege überzeugen trotz anfänglicher Problematiken, z. B. dass wir damals noch nicht als Unternehmen investieren konnten. Aber am Anfang ist nicht alles perfekt, und es ist schön zu sehen, dass Seedmatch immer wieder neue Wege geht. Selbst jetzt – man sieht es an der Veekim-Aktie.

Seedmatch: Welches Funding, in das Sie investiert haben, war bisher das erfolgreichste?

Uwe Anger: Unser erfolgreichstes Investment bisher war LeaseRad, das heute in jedem größeren Fahrradgeschäft für jeden zugänglich ist. Wir haben 2012 in das Unternehmen investiert und vier Jahre später ein Vielfaches unseres Investments zurückerhalten, nachdem wir die ersten beiden Rückkaufangebote von LeaseRad ablehnten – was sich für uns rentiert hat. Das war bisher unser erfolgreichstes Funding und dient auch dazu, die Ausfälle abzufedern, die natürlich auch mit dabei waren.

Seedmatch: Investieren Sie auf unseren Plattformen in jedes Funding oder beschäftigen Sie sich vorher intensiv mit den Businessplänen und Informationen zu den Unternehmen und entscheiden sich dann entsprechend für oder gegen ein Unternehmen?

Uwe Anger: Wir investieren nicht in jedes Unternehmen. Ich verlasse mich dabei gern auf meine Intuition und schaue mir die Businesspläne an. Wir gucken einfach, welche Ideen in unseren Augen das meiste Potenzial haben, auch wenn man damit nicht immer richtig liegt. Mit unserer Herangehensweise fahren wir bisher ganz gut und es ist auch interessant zu sehen, wo es für einige Unternehmen hingeht.

Seedmatch: Gibt es eine Maximalsumme für ein Funding, die Sie sich persönlich gesetzt haben und nicht überschreiten, und investieren Sie in jedes Funding die gleiche Summe oder variiert das je nach Unternehmen?

Uwe Anger: Es variiert von Funding zu Funding. Die größte Summe, die wir bisher investiert haben, waren 10.000 Euro, auch wenn wir uns eigentlich 2.000 bis 2.500 Euro als Obergrenze gesetzt haben, weil man ja nie genau weiß, wie sich Unternehmen entwickeln werden. Manchmal sind aber Überflieger dabei wie beispielsweise Veekim, in das wir 5.000 Euro investiert haben. Zu Veekim gibt es auch noch eine witzige Anekdote: Die Aktie habe ich an der Ostseeküste bei Regen an einer Haltestelle gezeichnet, weil ich nicht einschätzen konnte, wie schnell die Aktien vergriffen sein würden. Also saß ich da und habe das Investment per Videolegitimation in der Bushaltestelle erledigt – spannend, was heute so alles möglich ist.

Seedmatch: Informieren Sie sich regelmäßig über Ihre laufenden Investitionen oder beschäftigen Sie sich erst zum Ende der Laufzeit wieder intensiver mit den jeweiligen Unternehmen?

Uwe Anger: Ich sage mir immer: Es ist wie im Garten. Wenn ich dort einen Samen in die Erde stecke, gehe ich auch nicht alle 14 Tage hin, um ihn auszugraben und zu schauen, wie weit er ist. Ich muss einfach davon ausgehen, dass ich bei einem Investment in ein Startup keinen grundlegenden Einfluss auf die weitere Entwicklung habe. Wir als Investoren stellen praktisch die Grunddüngung zur Verfügung und dann guckt man einmal im Jahr rein, was es Neues gibt. 

Im Nachhinein schaut man dann in seinen Garten und sieht, wie viele Samen aufgehen, wie viele davon eine Pflanze entwickeln und wie viele Früchte tragen. Dabei wird man ähnliche Ergebnisse beobachten können wie bei den Startup-Unternehmen. Manchmal wird es kein Samen schaffen, aufzugehen, und manchmal sogar alle. Daraus lässt sich viel über Chancen und Risiken in diesem Bereich lernen.

Ich halte nicht viel von dem, was einige in die Foren schreiben. Letztendlich gehe ich davon aus, dass Startup-Gründer im Kern immer etwas bewegen wollen – mit einigen wenigen Ausnahmen natürlich. Sich jede Neuigkeit anzuhören, rettet mein Kapital nicht. Es ist manchmal besser, wenn man sich einfach überraschen lässt, und dann schaut, was die Unternehmen daraus machen.

Seedmatch: Sie gehören bei uns zu den langjährigen Investoren und bringen entsprechend viel Erfahrung mit – was würden Sie Neulingen raten, wie sie ihre Anlagen am besten streuen können? 

Uwe Anger: Neulingen würde ich raten, sich z. B. ein eigenes Portfolio aufzubauen. Seedmatch bietet da auch gute Möglichkeiten mit einem niedrigen Mindestinvestment von 250 Euro. Dabei sollte man sich aber bewusst sein, dass das Geld am Ende weg sein kann. Es muss sich also um Geld handeln, dass man überschüssig hat und nicht um solches, auf das man angewiesen ist. Wir raten unseren Kunden immer, zwischen zwei und fünf Prozent ihres Kapitals zu investieren oder einen Teil der Gewinne, die man auf anderen Gebieten erzielt hat. Mit dieser Methode kann man im Endeffekt kein Geld, sondern nur Gewinn verlieren. Erfolgreiche Unternehmen machen es vor – zehn Prozent der Einnahmen werden immer wieder in neue Ideen investiert. 

Man sollte auch nicht immer von den sieben Jahren, die die Beteiligungsverträge ausweisen, ausgehen, sondern das Investment als Gesamtbild betrachten – also prinzipiell einen Zeitraum von zehn Jahren und mehr. Es ist also nicht dazu da, die schnelle Mark bzw. den schnellen Euro zu machen.

Seedmatch: Herr Anger – ich bedanke mich recht herzlich für Ihre Offenheit und dieses tolle Interview. Ich bin sicher, dass unsere Leser dadurch einen guten Einblick in die Welt der Investoren erlangen und es den einen oder anderen dazu inspiriert, selber aktiv zu werden.

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