Fortbewegung im Wandel: Diese Startups erfinden die Mobilität neu

Unsere Welt ist in Bewegung. Und das – so zeigt ein Blick auf Zahlen des Instituts der deutschen Wirtschaft – mehr denn je: Allein in Deutschland nahm der Personenverkehr seit 1990 um knapp 64 Prozent zu. 2017 legten die Deutschen insgesamt 1,95 Billionen Kilometer mit dem Auto, mit Bus und Bahn sowie mit Flugzeugen und Schiffen zurück. Tendenz: steigend. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur prognostiziert bis 2030 einen weiteren Anstieg im zweistelligen Prozentbereich. Unser gesellschaftlicher Mobilitätsbedarf nimmt aber nicht nur immer weiter zu, er verändert sich auch stark durch sich wandelnde Anforderungen an die Art und Weise, wie wir uns fortbewegen und am besten an unser jeweiliges Ziel kommen. Megatrends wie Digitalisierung, Individualisierung, Urbanisierung und Nachhaltigkeit lassen unsere Fortbewegungsbedürfnisse und -muster immer komplexer und vielfältiger sowie innovative Produkte und Dienstleistungen rund um Mobilität zu einem riesigen Wachstumsmarkt werden. In diesem dynamischen Markt treten viele junge Unternehmen mit neuen spannenden Geschäftsideen sehr schnell in den Vordergrund und lassen etablierte Key-Player der Automobil- und Verkehrsbranche in Sachen Erfindergeist und Nutzerorientierung auch schon mal hinter sich zurück. Wir stellen fünf der innovationsstärksten und erfolgreichsten deutschen Mobilitäts-Startups vor.

Shared Mobility in umweltschonend

Weg vom Besitz, hin zur gemeinschaftlichen Nutzung von Fahrzeugen: Immer mehr Menschen nutzen Sharing-Angebote, wenn sie mit dem Auto mobil sein möchten. Dem Bundesverband Carsharing zufolge waren Anfang 2019 ganze 2,46 Millionen Nutzerinnen und Nutzer bei deutschen Services registriert. Die größten Anbieter für Fahrzeuge ohne feste Stationen sind die beiden Konzerne BMW und Daimler, die ihre Tochterunternehmen DriveNow und car2go  im gemeinsamen Carsharing-Dienst Share Now gebündelt haben. Im Bereich der Shared Mobility mischen aber auch einige Startups wie die beiden jungen Berliner Unternehmen Emmy und CleverShuttle mit.

Das Startup Emmy hat das klassische Sharing-Prinzip auf Elektroroller übertragen und bietet seinen Nutzerinnen und Nutzern damit insbesondere im städtischen Verkehr eine praktische, mitunter schnellere Alternative zum Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln. Denn E-Roller benötigen wenig Platz, stoßen keine Schadstoffe aus – und bringen noch dazu Fahrspaß in die Tour von A nach B. In Zeiten von unkalkulierbarem Stop-und-Go-Verkehr und Parkplatznot in Innenstädten geht das Konzept auf: Das 2015 gegründete Unternehmen hat seine Flotte in diesem jahr auf insgesamt 1.600 Roller aufgestockt, ist inzwischen in Berlin, Düsseldorf, Hamburg, München und Stuttgart vertreten und gehört zu den wachstumsstärksten deutschen Startups.

Bequemer als mit dem ÖPNV, günstiger als mit dem Taxi und das möglichst umweltfreundlich – das ist die Grundidee von CleverShuttle. Das 2014 gegründete Startup bietet einen sogenannten Ridepooling-Service mit Elektroautos in mittlerweile sieben deutschen Großstädten an, darunter Berlin, Dresden und Leipzig. Bei dem Angebot lassen sich per App Elektrofahrzeuge mit professionellen Fahrerinnen und Fahrern rufen, die Fahrgäste zum persönlichen Wunschort bringen und auf der Fahrt, wenn es sich anbietet, noch weitere Personen in dieselbe Richtung mitnehmen. Ein Algorithmus kombiniert dabei die über die App angefragten Routen der verschiedenen Fahrgäste und ermittelt die für alle schnellste Fahrtroute. So spart das E-Mobility-Startup Wege und damit letztlich auch Energie, Kosten und Zeit. Die Deutsche Bahn fand das Konzept so überzeugend, dass sie 2018 die Mehrheit an CleverShuttle übernommen hat.

Persönliche Fortbewegung und Logistik neu gedacht

Nicht nur die Modalitäten der Verkehrsmittelnutzung verändern sich, sondern auch die Mobilitätsformen. Um ans Ziel zu kommen, werden viele Menschen wieder selbst aktiver, sind öfter mal zu Fuß unterwegs und wählen neben Auto und öffentlichen Verkehrsmitteln immer häufiger das Fahrrad. So gab es 2018 laut Zweirad-Industrie-Verband 75,5 Millionen Fahrräder in Deutschland ein neuer Höchststand. Auch die Anzahl an Fahrradtypen, ergänzenden Produkten und Erfindungen, die das Radfahren noch attraktiver, nützlicher und sicherer machen, steigt – nicht zuletzt dank innovativer Unternehmen, die Fahrräder neu denken. Bestes Beispiel: das Unternehmen Möve Bikes, das mit dem cyfly einen ganz neuartigen Fahrradantrieb auf Basis der Ergonomie des menschlichen Körpers entwickelt hat. Der Fuß wird dabei nicht mehr auf einer kreisrunden, sondern auf einer hochovalen Trittbahn geführt. Aus biomechanischer Sicht kommt diese Bewegung der des Gehens näher und kann somit die Beinkraft besser in einen vortriebswirksamen Drehmoment verwandeln – eine Innovation, die viele begeisterte: In einem Funding bei Seedmatch sammelte der traditionsreiche Fahrradhersteller aus Mühlhausen in Thüringen innerhalb kurzer Zeit 500.000 Euro für sein völlig neues Antriebskonzept ein.

Mit neuen Möglichkeiten der Fortbewegung geht ein verändertes Verständnis von Mobilität einher, das sich auch auf die Logistikbranche auswirkt und intelligente und nachhaltige Entwicklungen in diesem Sektor befördert. Durch immer höheres Verkehrsaufkommen speziell in Städten und ineffiziente Ausnutzung bestehender Logistiksysteme sind verbesserte, schnellere Lösungsansätze für Transport- und Lieferprozesse auch dringend gefragt. Das Potenzial, das darin liegt, wissen vor allem innovative Unternehmen zu nutzen. Nicht weniger als eine neue Ära in der Logistikbranche will beispielsweise Cargonexx aus Hamburg mit seinem Konzept einläuten: Das 2015 gegründete Startup hat ein Künstliche-Intelligenz-System für Lkw-Transporte entwickelt, um die Organisation und Vermittlung von Lkw-Frachten wesentlich unkomplizierter und deutlich effizienter zu gestalten. Dabei errechnen selbst lernende Algorithmen den aktuellen Marktpreis sowie die bestmöglichen Routen für eine Sendung und matchen sie auf passende Touren im eigenen Frachtführernetzwerk. Dieses intelligente Matching von Ladungen auf freie Kapazitäten erhöht die Auslastung des Netzwerks, verringert Leerfahrten und senkt damit Kosten und Umweltbelastung. Seit dem kommerziellen Start 2017 haben sich 6.000 Transportunternehmen mit mehr als 80.000 Lkw  bei Cargonexx registriert. Solche Zahlen zeigen, wie groß der Bedarf an intelligenten Lösungen für die Logistikbranche ist – und das nicht nur bei Speditionen, sondern auch bei Zustellerunternehmen.

Um die Paketzustellung auf der letzten Meile ökonomisch und ökologisch sinnvoller zu gestalten, hat das Berliner Startup ONO ein umweltfreundliches E-Cargo-Bike entwickelt, das die Vorzüge eines Fahrrads mit denen eines Elektroautos vereint. Konkret handelt es sich dabei um ein dreirädriges Lastenrad mit Elektroantrieb, das vor allem in der Paketbranche zum Einsatz kommen und dort die oftmals mit Diesel betriebenen Zustellfahrzeuge ablösen soll. Es verfügt über eine geschlossene, wetterfeste Kabine und einen abnehmbaren Ladebehälter mit einem ausreichenden Volumen für den Transport von bis zu 50 Paketen. Angetrieben wird es über die Pedale und den Elektromotor und gilt im Straßenverkehr als Fahrrad. Man benötigt also keinen Führerschein, um es zu fahren. ONO möchte damit drei wesentliche Probleme im stark wachsenden Paketmarkt lösen: Fahrerpersonalmangel, drohende Dieselfahrverbote und die Ineffizienz der letzten Meile. Bis Ende dieses Jahres möchte das 2016 gegründete Startup sein neuartiges Cargo-Bike den ersten Kundinnen und Kunden zur Verfügung stellen – und damit die Paketzustellung stressfreier und umweltfreundlicher machen.

Vom smarten Sammeltaxi bis zur digitalisierten Spedition: So unterschiedlich die Beispiele dieser sechs Unternehmen auch sind, sie alle zeigen, dass technische Innovationen zum Motor neuer Formen der Mobilität werden können. Die Art und Weise, wie wir uns fortbewegen, kann durch sie agiler, gemeinschaftlicher, nachhaltiger und unkomplizierter werden – und Startups haben mit zukunftsweisenden Ideen nicht nur die Möglichkeit, enorme Marktpotenziale zu erschließen, sondern auch die Mobilität von morgen mitzugestalten.

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