Ja, es gibt sie noch, die Löwen. Ab Ende August strahlt Vox bereits die 12. Staffel der beliebten Gründershow aus. Jeden Montag warten die Löwen in ihrer Höhle auf junge Gründerinnen und Gründer. Sie sind heiß auf erfolgversprechende Geschäftsideen, sie kämpfen um die besten Deals. Vor dem Bildschirm fiebert man mit jedem Gründerteam mit – und man träumt davon, selbst einmal vor die Investoren zu treten und ihnen, aber auch den vielen Fernsehzuschauern, die eigene Idee zu präsentieren.
Die Gründer-Show hat Businessgespräche populär gemacht. Doch sie ist auch umstritten. Die Hauptargumente der Kritiker sind schnell zusammengefasst: Der Bezug zur Realität fehlt, Investoren und Gründer treffen sich nicht auf Augenhöhe, die meisten Deals platzen am Ende sowieso wieder. Aber stimmt das auch? Ist die Sendung mehr Schein als Sein? Wir haben mit drei Gründern gesprochen, die es wissen müssen. Unser 2-faches Econeers-Funding koawach gehörte schon 2015 zu den Lieblingen der Show. Kluba Medical, ein bereits erfolgreich finanziertes Seedmatch-Funding, wagte sich 2019 in die Höhle. Und auch unser aktuelles Seedmatch-Funding VEGDOG stellte sich 2018 den kritischen Fragen der Löwen.
20 Minuten, die das Leben verändern
Rückblick: Im Oktober 2015 wird es spannend. Die Gründer Heiko Butz und Daniel Duarte stellen ihren koffeinhaltigen Kakao vor. Das Getränk überzeugt die Löwen sofort. Vor allem Investorin Judith Williams ist von den sympathischen Männern begeistert. Gemeinsam mit Vural Öger und Frank Thelen macht sie den beiden ein Angebot. Doch dabei bleibt es nicht, auch Jochen Schweizer hat Interesse. Die Löwen werden richtig bissig. Sie streiten regelrecht um die jungen Unternehmer. „Wir erinnern uns noch gut an diese Situation, als um den Deal gekämpft wurde”, sagt Daniel heute, fünf Jahre später. Und er verrät noch mehr. Tage- und nächtelang habe er sich mit Heiko auf den Auftritt vorbereitet. Immer wieder seien die beiden den Pitch durchgegangen. Solange, bis er perfekt saß. „Und trotzdem waren wir unglaublich aufgeregt”, sagt Daniel. Die Löwen, so meint er, waren genauso sympathisch, wie er es gehofft hatte. Nur eine Sache verwunderte den Gründer. „Für den etwa 20-minütigen Auftritt waren stundenlange Dreharbeiten notwendig”, erinnert er sich.
Wenn Daniel über den Auftritt bei der Gründer-Show spricht, dann kommt er aus dem Schwärmen nicht heraus. Und das, obwohl gar kein Löwe investierte. Zwar nahmen die Männer während der Show ein tolles Angebot von Jochen Schweizer an, doch der Deal kam im Nachgang nicht zustande. Die lange Vorbereitung, die Aufregung, der gelungene Auftritt – war am Ende doch alles umsonst? „Auf keinen Fall”, sagt Daniel und betont: „Die Show hat unser Leben verändert.”
TV-Auftritt hat Vor- und Nachteile
Wer das verstehen will, der muss sich ansehen, wie es für koawach weiterging. In kürzester Zeit waren die Gründer bekannt. Große Medien berichteten über sie. Und nicht nur das: Die Nachfrage in ihrem Online-Shop explodierte regelrecht. „Bei uns gingen nach der Sendung 30.000 Bestellungen ein, die wir monatelang bearbeiteten und die uns den ersten Millionen-Umsatz bescherten”, sagt Daniel. Der Auftritt führte später zu zahlreichen Listungen und ebnete dem koawach-Team so den Weg in den Lebensmitteleinzelhandel. Plötzlich wurden auch große Anleger auf die Gründer aufmerksam. 2017 bekamen sie schließlich doch noch ein Investment – von 7Life, einem Tochterunternehmen der ProSiebenSat.1 Media SE.
Noch heute werden Daniel und Heiko auf ihren Auftritt angesprochen. Und doch warnen die beiden auch: „Natürlich muss man sich darüber im Klaren sein, dass dieses Format eine Fernsehsendung ist, die vorrangig dem Entertainment der Zuschauer dienlich sein soll”, sagt Daniel. Die Produzenten hätten es auf eine gewisse Dynamik abgesehen, da sei Vorsicht geboten. Im Fall von koawach ging alles gut. Ihr Besuch in der Höhle blieb positiv in Erinnerung. Wenn aber Startups überambitioniert auftreten oder gar überheblich sind, könne der Auftritt schnell ins Gegenteil umschlagen.
Überzeugen statt Missionieren …
… das war das Motto von VEGDOG, als sich die Gründerinnen Tessa Zaune-Figlar und Valerie Henssen gemeinsam mit Tierärztin Lisa Walther 2018 den Löwen stellten. “Wir wussten, dass wir vollkommen authentisch bleiben können. Bei VEGDOG geht es um die Geschichte und unsere Ziele, die wir verfolgen – hierfür müssen wir uns nicht verstellen”, erzählte uns Valerie Henssen in einem Bloginterview. Doch ganz so überzeugt wie VEGDOG selbst waren die Löwen zunächst nicht. Der Markt zu überschaubar, dessen Wachstum zu langsam, kritisierten die Investoren. Ralf Dümmel äußerte zudem seine Bedenken, dass es schwer für ein junges Unternehmen sei, im umkämpften Hundefuttermarkt gegen große Ketten und deren Eigenmarken anzukommen. Doch davon ließ sich VEGDOG nicht unterkriegen, denn ein Deal war nicht die einzige Motivation für die Teilnahme an “Die Höhle der Löwen”. So erzählte uns Valerie weiter: “Uns war bewusst, welche große Chance wir mit der Sendung bekommen: VEGDOG zu präsentieren und zu zeigen, dass wir nicht missionieren möchten, sondern dass jeder Schritt zählt und VEGDOG in vielerlei Hinsicht zu einer Verbesserung beitragen kann.”
Diese Überzeugung teilte auch Löwin Dagmar Wöhrl und bot den Gründerinnen begeistert einen Deal an. Die Tierschützerin und Hundeliebhaberin investierte 150.000 Euro in das Startup. Doch das war erst der Anfang: Wie VEGDOG selbst berichtet, war die Show ein enormer Booster zur Bekanntheitssteigerung des jungen Unternehmens, welches im vergangenen Jahr bereits 2,4 Mio. Euro Umsatz erwirtschaften konnte.
Löwin zweifelt am Geschäftsmodell
Der Besuch bei den Löwen kann ein junges Unternehmen also richtig pushen, er kann aber auch nach hinten losgehen. Ein Risiko gibt es immer, meint Nicole Klingen, Geschäftsführerin von Kluba Medical, einem jungen Unternehmen, das Anfang 2019 Kapital über die Seedmatch-Crowd einsammelte und im selben Jahr auch an der Gründer-Show teilnahm. Denkt sie heute an ihren TV-Auftritt zurück, dann kommen bei ihr gemischte Gefühle auf. Zusammen mit der Ärztin Susanne Kluba wollte sie den Löwen eines ihrer Produkte präsentieren – ein smartes Babykissen, das den Kopf eines Kindes beim Schlafen in Rückenlage unterstützt, weil er sich sonst verformen könnte. Die beiden Frauen hatten sich, genau wie die koawach-Gründer, akribisch auf den Pitch vorbereitet. Und trotzdem verlief der Auftritt ganz anders, als sie es sich erhofft hatten.
Das lag vor allem an einer Löwin. Dagmar Wöhrl behauptete, dass Babys auf dem Bauch liegen sollten und stellte so das Geschäftsmodell der Günderinnen komplett infrage. „Das war für uns ein kleiner Schock. Wir hatten nicht damit gerechnet, weil doch alle Eltern heutzutage wissen, dass Säuglinge auf dem Rücken liegen sollten”, sagt Nicole. Und es wurde nicht besser. Dagmar Wöhrl ließ sich einfach nicht vom Gegenteil überzeugen und verunsicherte damit auch die anderen Löwen. Ein Deal kam daher nicht zustande. „Danach waren wir ziemlich down”, erinnert sich Nicole. Sogar einen offenen Brief schickten die Gründerinnen nach der Aufzeichnung an den Sender. „Wir haben uns ernsthafte Sorgen gemacht, dass die medizinischen Empfehlungen zum sicheren Babyschlaf falsch rüberkommen“, erklärt Nicole. Als dann auch noch bekannt wurde, dass der Pitch im TV ausgestrahlt wird, wuchs ihre Sorge. „Ich konnte kaum schlafen”, sagt sie.
Kein Deal, aber viel Aufmerksamkeit
Im September lief der Pitch schließlich im Fernsehen. Aber dann passierte etwas, mit dem die Gründerinnen so nicht gerechnet hatten. Nach Ausstrahlung der Sendung meldeten sich Hebammen und Kinderärzte zu Wort. Sie verteidigten die Rückenlage und damit auch das Produkt von Kluba Medical. In vielen Medien wurde jetzt darüber diskutiert, wie Säuglinge liegen sollten. „Es ist ein wichtiges Thema und wir konnte mit unserem Auftritt dazu beitragen, dass das Thema noch mehr Aufmerksamkeit bekommt“, erklärt Nicole. Auch ihr Unternehmen profitierte. Nach dem Auftritt stiegen Nachfrage und Umsatz erheblich und sogar neue Handelspartner konnten die Gründerinnen gewinnen.
Und dennoch hat Nicole viel über den Auftritt nachgedacht. Vielleicht, so meint sie, wäre es für Kluba Medical besser gelaufen, wenn die Löwen vorbereitet gewesen wären. Man sieht es im TV: Die Investoren wissen nicht, welche Idee ihnen gleich vorgestellt wird, sie lassen sich überraschen. Das macht die Sache für die Löwen und für die Zuschauer besonders spannend. Es hat aber auch einen Nachteil. Normalerweise informieren sich Investoren über die Unternehmen, an denen sie interessiert sind, über den Markt und die Konkurrenz. Erst wenn alles stimmt, kommt es zum Deal. Die Löwen hingegen müssen sich sofort entscheiden. Das heißt, sie haben nur zwei Möglichkeiten: Sie können den Aussagen der Gründer vertrauen – oder eben nicht. Vorbereitete Löwen hätten bestimmt in Kluba Medical investiert, meint Nicole. Und sie denkt auch an andere Startups. Nach der Sendung platzen immer wieder Deals, weil die Löwen doch nicht mehr überzeugt sind. „Auch dazu käme es vielleicht nicht, wenn die Löwen vorher mehr Informationen hätten, aber dann wäre die Sendung wahrscheinlich auch weniger spannend”, meint Nicole.
Dagmar Wöhrl hat inzwischen eingesehen, dass sie mit ihrer Aussage zur Rückenlage falsch lag. Auf Twitter, Facebook und Instagram hat die Löwin sich im Nachhinein korrigiert. Bei den Gründerinnen hat sie sich aber nicht gemeldet. „Natürlich hätten wir uns gefreut, wenn Frau Wöhrl noch einmal direkt auf uns zugekommen wäre”, erklärt Nicole. Doch sie sagt auch: „Trotz allem würde ich noch einmal in die Höhle der Löwen gehen.”
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9. Januar 2021
Der letzte Satz ist interessant: „Sie wollen selbst zum Löwen werden?“ Seedmatch bietet aus meiner Sicht zwar einen guten Ansatz, jedoch ist das nicht mit einer Teilhabe ähnlich der von „DHDL“ zu vergleichen. Wenn das ein weiteres Modell werden kann und somit auch die Verbindung zum investierten Unternehmen noch größer werden kann, wäre das wirklich eine tolle und einmalige Sache. Die Investoren auf Seedmatch bringen unterschiedlichste Kenntnisse aus ihrem Beruf mit, jedoch kann ein Unternehmen davon nicht profitieren.
11. Januar 2021
Hallo Moritz,
vielen Dank für deinen Kommentar. Es gibt durchaus Parallelen zwischen Investments über Seedmatch und „DHDL“ – das Investment in junge, innovative Unternehmen und die Möglichkeit, nicht (nur) feste Zinsen zu erhalten, sondern von der positiven Unternehmensentwicklung zu profitieren. Beim Seed Investment geschieht das durch verschiedene erfolgsabhängige Renditebestandteile wie z. B. gewinnabhängige Bonuszinsen oder einen Bonuszins bei einem Exit; beim Venture Debt durch den Venture Kicker bei Vertragsende.
Richtig ist jedoch, dass die Investments bei Seedmatch bisher sogenannte „virtuelle“ Beteiligungen sind und Seedmatch-Investoren keine „echten“ Anteile erhalten. Wir sind jedoch konstant dabei, neue Investmentmodelle zu prüfen, so dass ggf. zukünftig auch eine Beteiligung in Form von echten Unternehmensanteilen angeboten werden könnte.
Viele Grüße,
Kirsten