Es ist eine echte Sensation: E.ON, einer der vier deutschen Energieriesen, will sich komplett von der Kohle- und Atomkraft verabschieden. In Zukunft soll der Unternehmensfokus ausschließlich auf erneuerbaren Energien, Energienetzen und Kundenlösungen liegen, das teilte der Konzern Anfang der Woche in einer Pressemitteilung mit. E.ONs radikaler Strategiewechsel beweist vor allem eines: das etablierte Kerngeschäft der fossilen Energiekonzerne hat keine Zukunft.
Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung, und diese muss man E.ON zugutehalten. Doch das überraschende Bekenntnis zu 100 Prozent erneuerbaren Energien ist zwar lobenswert, aber keineswegs uneigennützig. Die fossile Energieerzeugung ist für E.ON, wie auch für seine Mitstreiter RWE, EnBW und Vattenfall, schlichtweg unrentabel geworden. Durch den wachsenden Anteil erneuerbarer Energien und das Überangebot an Kohlestrom im Markt ist der Börsenstrompreis seit 2012 kontinuierlich gesunken. Im dritten Quartal 2014 musste E.ON deshalb erneut einen hohen Verlust von 835 Millionen Euro verschmerzen. Die Bilanzen der Wettbewerber im fossilen Energiemarkt sahen ähnlich verheerend aus.
Altlasten werden ausgelagert
Mit der Abspaltung der Problemfelder Kohle, Öl, Gas und Atom will sich der angeschlagene E.ON-Konzern jetzt neu ausrichten und für die Energiewende in Position bringen. Die fossilen und atomaren Kraftwerke sollen bis 2016 in eine eigenständige Gesellschaft überführt und an Aktionäre veräußert werden.
So weit, so gut. Doch wie geht es mit dem „abgewrackten“ E.ON-Zweig weiter? Wer trägt die Kosten für den Rückbau der sieben Atomkraftwerke, die E.ON aktuell noch in Deutschland betreibt? Wer kommt für die Entsorgung des strahlenden Atommülls auf? Ob die 14,5 Milliarden Euro, die E.ON für den Atomausstieg zurückgestellt hat, ausreichen werden, ist angesichts der ungeklärten Endlagersituation äußerst fraglich. Und was passiert im Fall, dass die neue, alte E.ON-Gesellschaft mit ihren unrentablen Kohle- und Atomkraftwerken scheitert? Dann wäre der Staat und damit der Steuerzahler am Ende in der Pflicht, die Zeche des Atomzeitalters zu bezahlen. Hier muss die Politik jetzt handeln und sicherstellen, dass sich die Energiekonzerne nicht aus ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stehlen.
E.ON hat erheblichen Nachholbedarf
Im Jahr 2013 machten regenerative Energien gerade mal 2.111 MW und damit rund 11 Prozent der deutschen Kraftwerksleistung von E.ON aus. Zieht man die Leistung der knapp 100 Wasser- und Pumpspeicherkraftwerke, die EON in Deutschland betreibt ab, bleiben nur 200 MW Leistung aus Erneuerbaren übrig. Diese stammen fast ausschließlich aus Onshore-Windanlagen und stellen lediglich ein Prozent in der E.ON-Stromerzeugung dar. Damit steht E.ON bei der dezentralen Energieerzeugung in den Bereichen Wind und Photovoltaik noch ganz am Anfang. Mit den erneuerbaren Energien muss EON umdenken und sich auf dezentrale Erzeugungsstrukturen einstellen. Wenn dem Konzern das gelingt, hat er durch seine Größe die Chance, ein wichtiger Treiber für die Energiewende zu werden.
Beleg für Wirtschaftlichkeit und Zukunftsfähigkeit der Erneuerbaren
Eine Erkenntnis kann man aus E.ONs Kurswechsel jedoch zweifelsfrei ziehen: Erneuerbare Energien sind nicht nur ökologisch, ethisch und sozial der richtige Weg, sondern perspektivisch auch wirtschaftlich alternativlos. Warum sonst würde Deutschlands größter Energieversorger jetzt alles auf eine grüne Karte setzen.