Am 5. Oktober war es soweit: Deutschland trat dem Pariser Klimaschutzabkommen offiziell bei. Gemeinsam mit der EU und anderen europäischen Ländern hinterlegte die Bundesregierung die Ratifizierungsurkunde bei den Vereinten Nationen in New York. Damit war die letzte Hürde genommen: das Abkommen kann voraussichtlich ab dem 4. November 2016 in Kraft treten. Die teilnehmenden Länder müssen ihre Volkswirtschaften nun bis zum Jahr 2050 möglichst Treibhausgas neutral gestalten, um die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu halten. Deutschland hat dafür unter anderem im Klimaschutzplan 2050 erste Maßnahmen formuliert. Aber die gehen vielen Umweltschützern nicht weit genug.
Eindrucksvolles Startsignal
Das Pariser Klimaschutzabkommen ist schon jetzt einmalig: noch nie haben sich so viele Länder der Welt in Rekordzeit auf ein Abkommen zum Klimaschutz einigen können. Bislang haben mehr als 100 Regierungen das Weltklimaabkommen ratifiziert, darunter auch führende Industrienationen wie China, die USA, Kanada und Brasilien.
Die Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch sprach von einem „eindrucksvollen Startsignal“: „Es ist extrem ungewöhnlich, dass ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen binnen weniger als einem Jahr in Kraft tritt. Beim Kyoto-Protokoll hat es acht Jahre gedauert. Das ist ein eindrucksvolles Startsignal für eine neue Ära im globalen Klimaschutz“, so Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch.
US-Präsident Barack Obama sprach von einem „historischen Tag und einem möglichen „Wendepunkt für den Planeten“.
Auf Paris folgt Marrakesch
Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens ist der Erhalt der natürlichen Lebensbedingungen auf unserem Planeten. Um dies zu schaffen, sind die Regierungen gefragt, konsequente Schritte gegen den Klimawandel einzuleiten, z. B. durch die massive Reduktion der Treibhausgasemissionen und den Erhalt und die Erweiterung natürlicher Senken, wie z. B. Wälder. „Die Klimaziele sind rechtlich zwar nicht bindend; die Regierungen müssen den UN aber nationale Klimapläne vorlegen, die unter anderem das Ausmaß ihrer Emissionen und Fortschritte bei der Erreichung der Ziele enthalten, und diese Pläne auch alle fünf Jahre aktualisieren“, berichtet die Zeit.
Die konkrete Gestaltung ihrer Klimaschutzmaßnahmen obliegt den Ländern selbst. Sie können sie jederzeit verändern oder anpassen. So heißt es in dem Klimaschutzabkommen: „Die Vertragsparteien, die entwickelte Länder sind, sollen weiterhin die Führung übernehmen, indem sie sich zu absoluten gesamtwirtschaftlichen Emissionsreduktionszielen verpflichten. Die Vertragsparteien, die Entwicklungsländer sind, sollen ihre Minderungsanstrengungen weiter verstärken; sie werden ermutigt, mit der Zeit angesichts der unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten auf gesamtwirtschaftliche Emissionsreduktions- oder -begrenzungsziele überzugehen.“
Damit ist der Weltklimavertrag bislang eher ein Abkommen „ohne Bedienungsanleitung“. Es bleibt zu hoffen, dass auf der anstehenden 22. UN-Klimakonferenz vom 7. bis 18. November 2016 in Marrakesch weitere, konkrete Schritte festgelegt werden.
Klimaschutzplan 2050
Auch Deutschland steht in Sachen Klimaschutz vor gewaltigen, aber machbaren Aufgaben. Um dem Anspruch des Pariser Abkommens gerecht zu werden, hat die Bundesregierung zahlreiche Umweltprogramme aufgelegt, allen voran den Klimaschutzplan 2050. Darin heißt es: „Bereits 2010 – also deutlich vor Paris – hat die Bundesregierung beschlossen, die Treibhausgasemissionen bis 2050 im Vergleich zu 1990 um 80 bis 95 Prozent zu vermindern. Die Bundesregierung bekräftigt dieses Langfristziel und wird in diesem Rahmen einen angemessenen Beitrag zur Umsetzung der Verpflichtung von Paris leisten.“
Auf die Frage, wie das alles geschafft werden soll, gibt der Klimaschutzplan 2050 unter anderem folgende Antwort: „Langfristig muss die Stromerzeugung vollständig auf erneuerbaren Energien beruhen. Bis 2050 ist von einem Bedarf an erneuerbarer Stromerzeugung zwischen 600 und 800 TWh auszugehen, der Großteil davon wird durch Windenergie und Photovoltaik gedeckt werden müssen. […] Die Transformation zu einer Stromversorgung auf Basis von Erneuerbaren bis etwa 2050 bei gleichzeitiger Wahrung der Versorgungssicherheit ist technisch machbar und bezahlbar.“
Deutscher Maßnahmenkatalog „mangelhaft und verwässert“
Derartige Formulierungen gehen vielen Umweltschützern und Gesellschaftsverbänden nicht weit genug. Sie bemängeln vor allem, dass der seit Jahren geforderte Ausstieg aus der Kohleverstromung, eine der Hauptemissionsquellen von klima- und gesundheitsschädigenden Stoffen, im Klimaschutzplan 2050 überhaupt nicht vorkommt. Des weiteren seien darin keine konkreten Ziele, Zeitpläne und Strategien für die Umstellung verschiedener Sektoren wie Gebäude, Verkehr und Landwirtschaft formuliert.
Wenige Tage nach der Veröffentlichung des Klimaschutzplans 2050 forderte daher z. B. die Klima-Allianz Deutschland, ein Bündnis aus über 100 Gewerkschaften, Kirchen, Umwelt-, Wirtschafts- und Entwicklungsverbänden, dringende Nachbesserungen: „Der Entwurf des Klimaschutzplans 2050 reflektiert bei weitem nicht das dringend notwendige Ambitionsniveau im Klimaschutz. Die Klimaziele sind unverbindlich, teilweise schwach und sie werden mit den beschriebenen Maßnahmen nicht erreicht werden können. Das letzte große klimapolitische Vorhaben dieser Bundesregierung droht zur Makulatur zu werden“, so Regine Günther, Mitglied im SprecherInnenrat der Klima-Allianz Deutschland.
In diesem Zusammenhang überreichte die Klima-Allianz Deutschland Vertretern der deutschen Parteien auch einen Katalog mit Forderungen und Handlungsempfehlungen zur Bundestagswahl 2017. Darin fordern sie z. B. einen deutschen Kohleausstieg, die Verabschiedung eines Klimaschutzgesetzes und die konsequente Umsetzung der Energiewende.
Für das Klima ist es fünf vor zwölf
Während über die notwendigen Maßnahmen weiterhin verhandelt und gestritten wird, schreitet der von Menschen gemachte Klimawandel ungehindert fort. Führende Klimaexperten weisen seit Jahren auf den immer dringender werdenden Handlungsbedarf in diesem Bereich hin.
So stellte z. B. der ehemalige Chef des Weltklimarates, Sir Robert Watson, jüngst gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern einen Bericht vor, nachdem selbst ein 1,5 Grad-Ziel fast nicht mehr zu erreichen ist. Sie begründen das mit der „Verzögerung des Temperaturanstiegs nach einem Anstieg der CO2-Konzentration. Die ganze Auswirkung des Treibhausgas-Effekts von 2016 würde erst im Jahr 2030 zu spüren sein“, schreibt Klimaretter.info dazu.
Die Expertengruppe um Watson fordert daher klare Signale von der Weltgemeinschaft: „Der Klimawandel passiert gerade jetzt und zwar viel schneller als erwartet. […] Auch wenn das Paris-Abkommen ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist, ist das, was wir brauchen, eine Verdopplung oder Verdreifachung der Anstrengungen.“