Umweltschutz und Nachhaltigkeit nehmen einen immer größeren Stellenwert in der Gesellschaft ein. Viele Menschen hinterfragen kritisch, wie umweltfreundlich die Produkte sind, die sie im Alltag regelmäßig nutzen. Besonders der Einsatz von Einwegprodukten und deren Auswirkungen auf die Umwelt wurden in den letzten Jahren stark diskutiert. Und es blieb nicht bei der Debatte: Am 3. Juli 2021 hat die EU das Verbot für viele Einwegprodukte aus Kunststoff eingeführt. Darunter zählt zum Beispiel die Produktion und der Verkauf von Einweggeschirr und Einweg-Behälter aus Plastik oder Bio-Plastik. Hier kommt das Potsdamer Unternehmen LEEF ins Spiel. Das Team hat es sich zur Aufgabe gemacht, innovative und umweltfreundliche Alternativen aus Palmenblättern herzustellen und zu vertreiben. Im Interview mit Econeers spricht Geschäftsführer Claudio Fritz-Vietta über die umweltrelevanten Besonderheiten der LEEF-Produkte, den sich daraus ergebenen Wettbewerbsvorteilen – und über das Non-Profit-Projekt “LEEF Unlimited”.
Econeers: Hi Claudio und herzlich willkommen zum Interview. Du hast LEEF vor fast 10 Jahren gegründet. Wofür steht der Begriff „LEEF“ und welche Mission verfolgt ihr als Unternehmen?
Claudio: Unsere Mission ist es, die treibende Kraft und der Hauptlieferant von innovativen Blatt-Produkten in der Welt sein. Wir sind der Spezialist für die Verarbeitung von Blättern, einem Rohstoff, der global gänzlich übersehen wurde. Hier sehen wir uns mit unserem Knowhow der Blattverarbeitung als treibende Entwicklungskraft und Brücke zwischen den traditionellen Produktionslandschaften des globalen Südens und den Anforderungen moderner Industrienationen. Wir bringen zusammen, was bislang nicht zusammenging, aber dennoch zusammengehört. Davon profitieren sowohl die produzierenden Regionen als auch der Industriestandort Deutschland und andere hochentwickelte Nationen. Der Begriff “LEEF” steht dabei, wie eine phonetische Schreibweise, für den englischen Begriff “Leaf”, also für das “Blatt”.
Econeers: Ihr entwickelt, produziert und vertreibt Produkte wie Geschirr aus Palmblättern der Arekapalme. Ihr erwähnt dabei, dass diese Blätter als Abfallprodukt in der Betelnussproduktion anfallen und normalerweise verbrannt werden. Wie seid ihr auf diesen Rohstoff gekommen, was macht ihn so besonders und woher bezieht ihr diesen?
Claudio: Wir haben ein Blatt gesucht, dass dick genug ist, um ein ganzes Produkt zu formen, ohne dass man mehrere Blätter zusammenfügen muss. Dazu musste dieses Blatt aus einem völlig pestizidfreien Anbau stammen und ein Nebenprodukt sein, um einen expliziten Anbau zu vermeiden. So haben wir das Blatt der Arekapalme in Indien gefunden, das bis zu sechsmal im Jahr ganz natürlich von der Palme abgeworfen und normalerweise verbrannt wird. Die Plantagen sind uralte Mischplantagen, so dass jeglicher Raubbau an der Natur ausgeschlossen werden kann. Das Blatt der Arekapalme ist ja genau genommen viel mehr als nur ein Rohstoff. Die Natur stellt die Produkte schon fast fertig zur Verfügung. Wir müssen sie nur umformen und schneiden. Wir haben weltweit zwei massive langfristige Probleme, die wir kurzfristig lösen müssen: Die Plastikproduktion muss drastisch gesenkt werden, was eigentlich die Nutzung für Einmalprodukte verbietet. Und wir müssen global den Kohlendioxid-Eintrag in die Umwelt minimieren. Für beide Probleme leisten die Produkte von LEEF einen riesigen Beitrag.
Econeers: Inwiefern löst euer Produkt beide Probleme?
Claudio: Das Blatt als Produkt hat bei seinem Wuchs Kohlendioxid gebunden. Wenn es kompostiert wird, schaffen wir nicht nur wertvollen Boden, sondern binden CO2 langfristig. Das ist das, was die Natur eigentlich als Recycling vorgesehen hat: buchstäblich cradle-to-cradle. Und übrigens: Areka gibt es nicht nur in Indien, sondern auch noch in anderen Regionen. Anbaugebiete sind zum Beispiel in Indonesien, Thailand, Afrika und Lateinamerika zu finden. Die Anbaufläche in Indien ist jedoch weltweit die größte und bietet Kapazitäten für viele hundert Millionen Euro Umsatz pro Jahr.
Econeers: Was war euer erstes Produkt und wie sieht euer Produktportfolio heute aus?
Claudio: Die ersten Produkte basierten auf dem, was man traditionell bei indischen Hochzeiten verwendet, also Teller und kleine Bowls. Allerdings haben wir die Produktionsqualität und die Designs an die Kundenwünsche angepasst. Heute haben wir 128 aktive Produkte im Sortiment, darunter viele verschließbare und verschweißbare Produkte für Take-Away und Delivery.
Econeers: Sind weitere Produkte für die Zukunft geplant?
Claudio: Wir entwickeln uns mehr und mehr in Richtung Verpackungen, und zwar nicht nur für Lebensmittel. Die Welt der Produkte, die man aus Blättern produzieren kann, ist fast unendlich groß. Wir haben ja das Glück, dass unser Material nicht nur nachhaltig ist. Es ist vielmehr auch wunderschön und wird vom Konsumenten intuitiv geliebt.
Econeers: Auf dem Markt sind Alternativen, wie Geschirr aus Bioplastik und anderen kompostierbaren Materialien, weit verbreitet. Was unterscheidet euer Geschirr von anderen Plastikalternativen? Und welche Vorteile generiert die Nutzung eurer Produkte?
Claudio: Der augenscheinlichste Unterschied ist die CO2-Neutralität unseres Materials. Egal, ob wir von Papier, Zuckerrohr, Bio-Plastik oder anderen Rohmaterialien sprechen: Sie alle müssen erst einmal produziert werden. Dieser energie- und wasserintensive Produktionsprozess entfällt bei Blättern völlig. Viele faserbasierte Alternativen sind von Natur aus nicht fett- und wasserresitent, müssen also mit toxischen Chemikalien erst dazu gebracht worden. Bagasse z. B. enthält stets hochproblematische PFAS, also per- und polyfluorierte Chemikalien. Papier hingegen ist nicht recyclebar, wenn es beschichtet ist. Unsere Produkte heben sich insofern ab, dass sie komplett chemiefrei hergestellt werden. Sie eignen sich für die Nutzung im Kühlschrank, im Eisfach, im Ofen und in der Mikrowelle. Dazu sind sie wasserfest, hochisolierend, schnittfest, nachhaltig, wie kein anderes Vergleichsprodukt – und last but not least sind sie einfach schön.
Econeers: Ihr betont in eurer Kommunikation, dass euer Grundmaterial das „einzige nativ klimaneutrale Material“ weltweit ist. Was genau bedeutet dieser Ausdruck?
Claudio: Diese Frage wird uns häufig gestellt, da jeder vermutet, dass wir aus den Blättern ein Material für unsere Produkte kreieren würden. Aber es ist so einfach wie genial: Wir nutzen das fertig gewachsene und abgeworfene Blatt. Dieses Blatt wird mittels erneuerbarer Energie erhitzt, gepresst und geschnitten – und fertig ist das Produkt. Das Material selber muss demnach gar nicht produziert werden, es wächst natürlich an der Palme. Wie jedes natürlich gewachsene Blatt bindet auch das Blatt der Arekapalme CO2 beim Wachstum und ist daher genau genommen sogar CO2-negativ.
Econeers: Und welche weiteren Maßnahmen versucht ihr umzusetzen, um einen nachhaltigen Beitrag als Unternehmen zu leisten?
Claudio: Neben der Besonderheit, dass die Blätter für unsere Produkte nicht produziert werden müssen, verfolgen wir darüber hinaus eine Philosophie, die Nachhaltigkeit quasi in unsere DNA implementiert hat. In der Kette unserer Produkte gibt es vom Blättersammler bis zum Endkunden nur Gewinner. Gemessen an den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen zahlt unser Geschäftsmodell in ganze 11 Ziele ein. Wir müssen nicht nachhaltiger werden, indem wir unsaubere Praktiken verändern – wir sind seit Tag 1 darauf ausgerichtet, neue Prozesse gleich mit einer maximalen Nachhaltigkeit aufzustellen. Das beinhaltet natürlich auch ökonomische Nachhaltigkeit.
Econeers: Weiterhin erhöht sich, aufgrund der Relevanz von plastikfreien und nachhaltigen Geschirr- und Verpackungsalternativen, die Anzahl der Wettbewerber stetig. Welche Maßnahmen ergreift ihr als Unternehmen, um eure Produkte zu schützen sowie die Qualität eurer Produkte zu gewährleisten? Liegen für eure Produkte Zertifikate sowie Patente vor? Und wenn ja, welche?
Claudio: Wir sind weltweit die einzigen Palmblattproduzenten, die ernsthaft in die Produktentwicklung investieren. Unsere Mitbewerber sind reine Händler. Unsere Entwicklungen versehen wir mit Patentschutz, wann immer es möglich ist. Wir verfügen über Patente, insbesondere bei unseren Deckellösungen und wir haben ein Patent für das Absiegeln von Palmblattgefäßen mit kompostierbaren Folien. Darüber hinaus verfügen wir über alle relevanten Zertifikate für die Lebensmittelsicherheit. Darunter befindet sich LFGB/FDA, Zertifikate für die industrielle Kompostierbarkeit, aber auch für die Gartenkompostierung und natürlich ein SA8000, mit dem wir die sozialen Standards in der Produktion sicherstellen. Einmalig ist auch die Zertifizierung nach FSSC22000, mit der wir in der Produktion den Goldstandard für Lebensmittelsicherheit innehaben – und zwar als einziger Palmblattproduzent der Welt.
Econeers: Einweggeschirr und Verpackungen kommen in vielen Bereichen zum Einsatz, beispielsweise auf Großveranstaltungen und Festivals, aber auch im privaten Bereich. Welche Zielgruppe sprecht ihr mit euren Produkten an und wie können eure Produkte erworben werden?
Claudio: Unsere Geschäftspartner kommen aus den Strukturen, die auch heute die weniger nachhaltigen Alternativen vertreiben. Das sind zum Beispiel Großhändler, die die lokale Gastronomie beliefern oder auch große Einzelkunden, die mit unserer Mindestbestellmenge von einem Schiffscontainer umgehen können. Darüber hinaus sind unsere Produkte im Einzelhandel zu beziehen. In Deutschland zum Bespiel in der Metro, in der Bio-Company oder auch bei einem Discounter wie TEDI. Für Großabnehmer produzieren wir auch für deren Handelsmarken, sind also von außen für den Laien gar nicht als LEEF erkennbar. In diesem so genannten White-Label-Segment sind wir nach unserer Kenntnis weltweit führender Volumen-Produzent.
Econeers: Ihr kommuniziert auf eurer Website, dass ihr weiterhin ein Non-Profit Projekt namens „LEEF Unlimited“ betreibt, mit welchem ihr Veranstaltungen sowie Festivals profitlos mit euren Produkten und zusätzlichem Regenwaldschutz ausstattet. Was kann man sich unter „Regenwaldschutz“ vorstellen? Und welche Veranstaltungen habt ihr in der Vergangenheit bereits unterstützt bzw. plant ihr zukünftig zu unterstützen?
Claudio: Das Prinzip ist so einfach wie revolutionär: Wir schließen mit dem Veranstalter eine Vereinbarung, mit welcher die Verkaufsstände verpflichtet sind, Palmblattgeschirr zu benutzen. Somit entsteht bei keinem Gastronomen ein wirtschaftlicher Vorteil, indem er billigeres, umweltbelastendes Geschirr benutzt. Wir – oder unser Großhandelspartner– verhandeln einen sehr fairen Preis. Zusätzlich nehmen wir den Rohertrag und schützen damit Regenwaldflächen. Erschreckenderweise ist Regenwald so billig, dass wir mit dem Ertrag jedes einzelnen Tellers einen ganzen Quadratmeter Fläche dauerhaft schützen können. Unser Partner dafür ist der in Großbritannien registrierte World Land Trust, ein höchst seriöses Unternehmen. Insgesamt haben wir bereits die Fläche von über 40 Fußballfeldern sichern können.
Econeers: Über Econeers wollt ihr nun 500.000 Euro Kapital aufnehmen. Für welche Zwecke plant ihr das Kapital einzusetzen?
Claudio: Bei dem Kapital handelt es sich um Wachstumskapital, um die immer stärker wachsende Nachfrage bedienen zu können. LEEF braucht einen Mindestumsatz, um den Break-Even zu erreichen und dieses Kapital wird uns dazu in die Lage versetzen, diese nächste Hürde zu nehmen. Im Wesentlichen handelt es sich damit um Warenvorfinanzierung und die sukzessive Erweiterung unseres Teams.
Econeers: Weshalb habt ihr euch für ein Crowdinvesting entschieden und warum sollte sich unsere Crowd ein Investment in LEEF auf keinen Fall entgehen lassen?
Claudio: Weil wir wirklich etwas bewegen. Wir bringen Klimaschutz, Umweltschutz, Plastikvermeidung, Ressourcenschonung, Armutsbekämpfung und weiteren Impact zusammen und haben daraus ein ökonomisch nachhaltiges Geschäftsmodell geformt. Damit repräsentieren wir im Grunde das Wirtschaftsmodell der Zukunft. LEEF ist geeignet, die Materialwelt vieler Produkte vom Kopf zurück auf die Füße zu stellen. Und für wen könnte dieses Investment attraktiver sein als für Menschen, für die Nachhaltigkeit eine Grundbedingung für sinnhaftes und zukunftsorientiertes Wirtschaften ist? Daher passt die Crowd hervorragend zu uns.
Econeers: Eine persönliche Frage zum Schluss: Was war für dich persönlich der bisher größte Erfolg mit LEEF?
Claudio: Mein größter Erfolg war es bislang, den Schritt von einem kleinen sexy Startup in ein erstzunehmendes Unternehmen auf Wachstumskurs geschafft zu haben. Viele Unternehmen scheitern dabei und daher bin ich stolz auf unser Team und darauf, was wir in den letzten Jahren geschaffen haben.
Econeers: Vielen Dank, dass du dir die Zeit für das Interview genommen hast. Ich wünsche euch einen erfolgreichen Fundingstart!
Claudio: Vielen Dank an Euch und Euer gesamtes Team!
Warnhinweis: Der Erwerb dieser Vermögensanlage ist mit erheblichen Risiken verbunden und kann zum vollständigen Verlust des eingesetzten Vermögens führen. Der in Aussicht gestellte Ertrag ist nicht gewährleistet und kann auch niedriger ausfallen.
21. Juli 2023
Moin, moin Jungens und Mädels,
die Idee ist großartig. In Hamburg habe ich auch schon in irgendeinem Imbiss in der Innenstadt von euren Tellerchen gefuttert und war überrascht, was es so alles tolles gibt. Indien ist großartig aber aus wirtschaftlicher Sicht nicht ganz einfach. Freundliche Menschen die ihre Köpfe in alle Richtungen schütteln, wenn man eine Frage stellt. Ich wünsche euch viel Erfolg und wenn ihr finanzielle Unterstützung braucht immer laut klopfen …..
Grüße aus Hamburg
25. Juli 2023
Guten Tag Herr Christensen,
vielen Dank für Ihren Kommentar und Ihr Interesse. Wenn Sie sich direkt mit dem Unternehmen austauschen möchten, dann nutzen Sie gern unseren Dialog-Bereich auf der Fundingseite. Sie können das Unternehmen auch gern direkt anschreiben unter invest@leef.bio
Viele Grüße,
Marleen Hoffmann