Fast drei Monate nach der Wahl steht das neue Bundeskabinett fest. Vor allem für die Energiewende bringt die Neubesetzung der Ministerien einige Veränderungen mit sich. So wird SPD-Chef Sigmar Gabriel den Ausbau der erneuerbaren Energien in den kommenden vier Jahren aus dem neu geschaffenen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie anleiten. Umweltministerin in der großen Koalition ist die bisher im Hintergrund agierende SPD-Schatzmeisterin Barbara Hendricks. Doch was bedeuten diese Personalien für den energiepolitischen Kurs der Bundesregierung?
Kann Gabriels Superministerium die Energiewende schaffen?
Die wohl größte Herausforderung für Gabriel und sein Ministerium besteht darin, dass Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wirksam zu reformieren. Laut Koalitionsvertrag gilt es dabei, die Kernziele Klima- und Umweltvertäglichkeit, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit in Einklang zu bringen. Eine Kopplung der Ressorts Wirtschaft und Energie deutet jedoch darauf hin, dass Gabriel die Energiewende verstärkt unter ökonomischen Gesichtspunkten betrachten wird. In diesem Zusammenhang kritisierte der Grünen-Vorsitzende Anton Hofreiter jüngst die drohende Nähe von Energiepolitik zu den Lobbyinteressen der Energiekonzerne bei dem künftigen Ministerium. Einen schnellen Ausstieg aus der Kohlekraft hält Gabriel für nicht realistisch. Seiner Ansicht nach, ist sie noch für die nächsten Jahre unverzichtbar. Dies hat die große Koalition in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben.
Man muss aber auch betonen: Gabriel, bereits von 2005 bis 2009 Bundesumweltminister, ist mit den politischen Problematiken der Energiewende eingehend vertraut. Dass er diese zum Erfolg führen will, hat er immer wieder glaubhaft gemacht. Auch die überraschende Besetzung des grünen Politikers Rainer Baake als Staatssekretär unterstreicht, dass es Gabriel beim Großprojekt Energiewende vorrangig auf fähige Mitarbeiter, und nicht auf Parteifreundschaften ankommt. Baake gilt als erfahrener und unabhängiger Verfechter der Energiewende, der mit seinem 2012 gegründeten Thinktank Agora Lösungen zur Energiefrage erarbeitet. Weiterhin wurde heute bekannt, dass auch FDP-Staatssekretär Stefan Kapferer sein Amt im Wirtschafts- und Energieministerium behalten soll.
In einem Interview mit der Wirtschaftswoche vor der Bundestagswahl warnte Gabriel: „Wenn die Energiewende nicht komplett neu gestartet und endlich professionell gesteuert wird, stehen wir vor dem größten Deindustrialisierungsprogramm unserer Geschichte.“ Nun hat er es als Superminister selbst in der Hand, den ersehnten Neustart herbeizuführen.
Eine Schonfrist im neuen Amt wird Gabriel übrigens nicht gewährt: am heutigen Mittwoch hat die EU-Kommission das angekündigte Beihilfeverfahren wegen der EEG-Industrieausnahmen eingeleitet.
Was bedeutet die Berufung von Barbara Hendricks zur Umweltministerin?
Die neue Umweltministerin Barbara Hendricks hat sich in ihrer politischen Laufbahn bisher vor allem als Expertin für Finanzen hervorgetan. 1972 trat die studierte Historikerin und Lehrerin in die SPD ein – Seit 1994 ist sie im Bundestag und war von 1998 bis 2007 Parlamentarische Staatssekretärin im Finanzministerium. Zwar war Hendricks zu Beginn der 90er Jahre Ministerialrätin im nordrhein-westfälischen Umweltministerium, darüber hinaus bringt sie im Bereich Umweltpolitik aber kaum Erfahrung mit. Die Niederrheinerin gilt jedoch als kompetent, pragmatisch und offenherzig, so dass ihr Bundestagskollegen wie Bärbel Höhn ihr neues Amt durchaus zutrauen. Zudem ist Hendricks, wie auch Gabriel, darauf bedacht, sich kompetente Unterstützung ins Haus zu holen. In diesem Fall handelt es sich um Jochen Flasbarth, den bisherigen Präsidenten des Umweltbundesamtes – einen energischen Befürworter der Energiewende.
In welchem Maße sich Hendricks allerdings als Umweltministerin für erneuerbare Energien und Klimaschutz einsetzen wird, bleibt abzuwarten. Nach Bekanntgabe des Kabinetts erklärte NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, dass sie von Hendricks eine „Stärkung nordrhein-westfälischer Interessen“ erwarte. Damit spielt Kraft wohl auch auf eine Stärkung der mit NRW verwurzelten Kohleindustrie an. Hendricks Mitgliedschaft in der IG BCE, der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie, spricht ebenfalls dafür, dass sie einen eher industriefreundlichen Politikkurs einschlagen wird.
Infolge von Neustrukturierungen übernimmt Hendricks Ministerium künftig auch den Bereich Stadtentwicklung und Wohnen, der bislang zum Verkehrsministerium gehörte. Daraus eröffnet sich eine große Chance für den Klimaschutz, denn bei Energieeffizienz und Wärmedämmung von Häusern liegt das größte Einsparpotenzial für klimaschädliches CO2. In Zusammenarbeit mit dem Wirtschafts- und Energieministerium von Sigmar Gabriel erhält Hendricks hier die Möglichkeit, ein Zeichen in Sachen ambitionierter Klimapolitik zu setzen.
Grundsätzlich gilt: Die SPD bekommt mit den beiden federführenden Ministerien Gelegenheit, die Energiewende, wahrscheinlich das wichtigste Projekt dieser Bundesregierung, in den nächsten vier Jahren maßgeblich mitzugestalten. Damit stehen die Minister Gabriel und Hendricks unter hohem Erwartungsdruck von allen Seiten. Wenn ihnen der schwierige Spagat zwischen Wirtschafts-, Klima- und Verbraucherinteressen gelingt, können sie die Weichen für den langfristigen Erfolg der Energiewende stellen. Dass diese nicht in der nächsten Legislaturperiode abgeschlossen sein wird, ist allen Beteiligten klar. Jetzt gilt es jedoch, ein sozial, wirtschaftlich und ökologisch verträgliches Tempo für die Energiewende zu finden. Eines scheint aber sicher: Eine schnelle Beendigung des Kohlezeitalters ist mit der neuen Bundesregierung wohl nicht in Sicht.
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