Click & Meet, Click & Collect, Abstandsregeln und Maske – das sind die Worte, die wir derzeit mit dem Einzelhandel verbinden. Doch je länger der Lockdown anhält, desto mehr vermissen wir es, ungestört von Laden zu Laden zu ziehen, zu stöbern, zu entdecken. Und auch wenn einige Geschäfte die Corona-Pandemie wohl nicht überleben werden, bleibt ein Fakt dennoch bestehen: Deutschland und der Einzelhandel, das gehört einfach zusammen.
Zahlreiche Belege dafür liefert der neueste Zahlenspiegel des Handelverbands Deutschland (HDE), der im vergangenen September veröffentlicht wurde. Im europaweiten Vergleich liegt die Bundesrepublik demnach mit einer Verkaufsfläche von 1,45 Quadratmetern pro Kopf auf dem fünften Rang. Nur in Belgien, Österreich, den Niederlanden und der Schweiz gibt es noch mehr Läden. Die Zahlen zeigen auch, wie gut sich der Einzelhandel hierzulande in den vergangenen Jahren entwickelt hat. So wuchs zum Beispiel die Zahl der Beschäftigten von 2,9 Millionen in 2012 auf 3,1 Millionen im Jahr 2019. Noch deutlicher wird es, schaut man sich den Umsatz an. Dieser lag für den Einzelhandel im Jahr 2012 bei 445 Milliarden Euro und stieg bis 2019 auf immerhin 543 Milliarden Euro an.
Revival des Stadtbummels: Kosumenten sehnen sich nach Events
Die Zahlen sind aber nur ein Teil der Wahrheit. Denn Handel ist nicht gleich Handel. Während zum Beispiel die Lebensmittelgeschäfte im ersten Lockdown Mühe hatten, die große Nachfrage bedienen zu können (Stichwort Hamsterkäufe), brach das Geschäft mit Textilien ein. Dass Geschäftsinhaber schon lange vor großen Herausforderungen stehen, ist ein offenes Geheimnis und die Innenstädte in Deutschland konkurrieren nicht erst seit der Corona-Krise mit dem Onlinehandel. Wie es aber mit dem stationären Einzelhandel weitergeht, hängt wohl vor allem von einer Frage ab: Kommen die Kunden nach der Pandemie zurück in die Innenstädte oder bleiben die Menschen beim Online-Shopping?
Kai Hudetz, Geschäftsführer am Institut für Handelsforschung, glaubt, dass der Stadtbummel ein Revival feiern wird, schließlich gebe es bereits eine gewisse Sehnsucht nach dem stationären Handel. „Wir als Konsumentinnen und Konsumenten werden wieder etwas gieriger nach Events und sozialem Austausch. Wenn es also zum Beispiel wieder die Möglichkeit gibt, zu einer Lesung in einem Buchladen zu gehen statt das Buch direkt im Internet zu bestellen, wenn man eine Modenschau besuchen oder wieder bummeln kann, dann wird ein Teil wieder zurückkommen”, sagt Hudetz dem Capital.
Aber was können die Händler tun, um sich fit für die Zukunft zu mache? Vor allem zwei große Trends kristallisieren sich heraus:
Zukunftstrend 1: Das Shoppen als Erlebnis
Der Store der Zukunft spricht alle Sinne an. Den Kunden wird eine kleine Erlebniswelt angeboten, in der sie sich gerne aufhalten. Eine Welt, in der sie die Produkte anfassen und testen können, wo sie durch Duft und Klang inspiriert werden, Menschen mit ähnlichen Interessen treffen und an Events teilnehmen können. Weltweit lassen sich für dieses Konzept zahlreiche Beispiele finden. Ein besonders berühmtes ist der Lego Flagship Store in Shanghai. Auf über 600 Quadratmetern können die Kunden dort mit Tausenden an Lego-Steinen ihre eigenen Ideen und Kreationen entwickeln und sich gleichzeitig mit Herausforderungen der Stadt der Zukunft auseinandersetzen. Ein weiteres Beispiel kommt aus New York. Dort betreibt das Unternehmen Caspar einen besonderen Concept-Store. Denn statt einfach nur Matratzen im Geschäft zu verkaufen, bietet das Unternehmen seinen Kunden die Möglichkeit, in einer privaten Schlafkapsel ein Nickerchen zu halten.
Aber auch in Deutschland gibt es immer mehr Läden, in denen Shoppen zum Erlebnis wird. Riechen, schmecken und genießen – all das erleben die Kunden in den beiden KERNenergie Stores in Hamburg. Täglich werden in den beiden Läden frische Produkte vor den Augen der Besucher hergestellt. Schon der Geruch von süßer Schokolade und frisch gerösteten Nüssen ist eine besondere Erfahrung – und Probieren ist natürlich auch erlaubt.
Zukunftstrend 2: Digital und trotzdem vor Ort
Natürlich geht Zukunft auch beim stationären Einzelhandel nicht ohne digitale Elemente. Ein weiterer Trend ist es deshalb, digitale Strategien in Store-Konzepte zu integrieren. Bezahlen per Mobiltelefon ist dabei nur eine Möglichkeit. Welche kreativen Ideen es gibt, die Digitalwelt mit der Welt des stationären Einzelhandels zu verbinden, zeigt das Beispiel Tommy Hilfiger. Das Unternehmen arbeitet seit Jahren an einer Digitalstrategie, dazu gehören unter anderem „Mix & Match Screens“, auf denen Kunden am virtuellen Model selbst Outfits kreieren können, sowie die „Tommy X You“-Theke, an der sien die Möglichkeit haben, Produkte je nach Geschmack zu individualisieren.
Doch es geht bei der Digitalisierung nicht nur um einen besseren Service für die Kunden. Mit dem digitalen Tracking von Präferenzen und Produkten im Store können die Geschäftsinhaber neue Daten sammeln und zum Beispiel herausfinden, wie ein potenzieller Kunde den Weg ins Geschäft gefunden hat und was gekauft wurde. Die Kundschaft wird dadurch transparenter und kann im Gegenzug künftig viel genauer mit Werbung angesprochen werden. Ein Unternehmen, das dieses Prinzip bereits nutzt, ist der Sportartikelhersteller Nike. Im vergangenen Jahr stellte er in Guangzhou in China „Nike Rise” vor. Das Konzept ist datengesteuert. Es nutzt die Informationen, die es beispielsweise durch geteilte Inhalte der App-Nutzer erhält und reagiert in Echtzeit auf lokale Sport-Events, um das Kundenerlebnis zu optimieren.
Prognose für die Zukunft: Wer spannend ist, hat Erfolg
Egal ob mit digitalen Tools, mit Interaktion, Verkostungen oder Veranstaltungen – ein Geschäft muss spannend sein, um auf sich aufmerksam zu machen. Nicht nur die genannten Beispiele zeigen, dass dieser Weg vielversprechend ist, auch eine Studie macht Mut für die Zukunft. Die Untersuchung mit dem Titel „The Experiential Future“ kommt zu dem Schluss: Ein stärker erlebnisorientierter Einzelhandel könnte Verbraucher dazu motivieren, vermehrt Läden in Einkaufsstraßen aufzusuchen und dem Internetshopping den Rücken zu kehren. Das gilt besonders für die jüngere Klientel, denn fast sieben von zehn Millennials (Geburtsjahr 1981 bis 1996) würden eher in einem Laden einkaufen, wenn ihnen dort etwas geboten würde, gefolgt von 65 Prozent bei der Generation Z (Geburtsjahr 1997 bis 2012). Die kleinen Läden in den Innenstädten, sie haben noch lange nicht verloren, sondern müssen nur der Maxime folgen, die Geschäftsinhaber schon lange kennen: Handel ist Wandel.