Luftverschmutzung in Städten ist bei Weitem nicht mehr nur ein Problem der asiatischen Metropolen. Laut einem aktuellen Bericht der Tagesschau liegt die Luftqualität der meisten deutschen Städte zwar im Mittelfeld des europäischen Vergleichs, jedoch werden dabei häufig die Richtwerte der Weltgesundheitsorganisation überschritten. Die Gefahr der Luftverschmutzung liegt darin, dass sie aufgrund der winzigen Feinstaubpartikel dem menschlichen Auge meist verborgen bleibt und so unterschätzt wird. Zum Glück hat ein in Dresden gegründetes Startup eine smarte und kreative Lösung für dieses Problem entwickelt. Wir sprachen mit Peter Sänger (rechts im Bild neben CIO Liang Wu), Gründer und CEO von Green City Solutions, über die Ursachen und das Ausmaß von Luftverschmutzung, das unglaubliche Potenzial von Moosen zur Feinstaubfilterung und neue Projekte und Zukunftsvisionen.
Econeers: Hallo Peter, woher kommt diese Luftverschmutzung und wie schlimm sieht es in den deutschen Städten wirklich aus?
Peter Sänger: Man muss sich das klar machen: Luftverschmutzung gehört weltweit zu den größten Umweltproblemen und ist für jeden siebten (vorzeitigen) Todesfall verantwortlich. Verschmutzte Luft und vor allem der darin enthaltene Feinstaub greifen alle Organe des Menschen an und können von Herz- und Lungenproblemen bis hin zu Demenz, Krebs und Hautkrankheiten führen. In München beträgt die Belastung mit Feinstaub durchschnittlich 13 Mikrogramm pro Kubikmeter – das entspricht 215 Zigaretten, die jeder Münchner im Jahr “raucht”. Auch wenn es in Deutschland weniger schlimm ist als an anderen Orten in der Welt, bedeutet das also keine Entwarnung. Das Umweltbundesamt schätzt, dass beinahe die Hälfte der innerörtlichen Feinstaubbelastung auf den Verkehr zurückzuführen ist. Weitere Quellen sind die Industrie und die Kraftwerke, private Haushalte und deren Heizungen sowie die Landwirtschaft.
Econeers: Dass Algen, Moore und Wälder natürliche CO2-Speicher sind, ist bekannt. Wie kamt ihr darauf, Moos zur Feinstaubfilterung zu verwenden und wart ihr die ersten, die in diese Richtung gedacht haben?
Peter Sänger: Wir sind mit Green City Solutions soweit ich weiß schon die ersten gewesen, die 2013 die Idee hatten, Moose gezielt zur Luftreinigung in Städten einzusetzen. Allerdings wurden schon früher Moose unter Tage im Bergbau eingesetzt, um Schwermetalle zu detektieren. Das wusste ich von meinem Großvater, der Bergmann war. Moose haben nämlich keine Wurzeln und müssen daher alles, was sie benötigen, über die Luft aufnehmen – man könnte sagen sie “fressen” Feinstäube.
Econeers: Die Notwendigkeit der Begrünung von Städten lässt sich nicht bestreiten. Was macht euer Produkt besser und effizienter als herkömmliche Bepflanzungen?
Peter Sänger: Beim CityTree geht es nicht nur um eine Bepflanzung, der CityTree ist vielmehr ein aktiver Biofilter, der die Luft mit Hilfe der Moose reinigt. Die verschmutzte, aufgeheizte Luft wird aktiv angesaugt und durch die Moosmatten hindurchgeführt. In umfangreichen Messungen konnten wir feststellen, dass ein CityTree bis zu 82 % des Feinstaubs aus der Luft entfernen kann. Bis zu welcher Entfernung dieser Effekt messbar ist, hängt natürlich von zahlreichen Faktoren wie z. B. der Windrichtung und -stärke ab. Unter konstanten Bedingungen ist der Effekt in 5-10 Metern aber immer noch nachweisbar. Außerdem kühlt der CityTree die Luft um bis zu 4° – auch das ist ein wichtiger Faktor in den sich immer mehr aufheizenden Städten. Insgesamt kann jeder CityTree etwa 3.500 Kubikmeter Luft pro Stunde reinigen, kühlen und befeuchten, das entspricht dem Atemvolumen von 7.000 Menschen.
Wichtig ist mir aber zu betonen, dass wir unser Produkt als Ergänzung zu normaler Bepflanzung, wie zum Beispiel Bäumen, sehen und nicht als deren Ersatz. Ein CityTree kann auch dort zum Einsatz kommen, wo Bäume es schwer haben. Bäume wandeln CO2 in Sauerstoff um, spenden Schatten und sind wichtig für das Klima sowie die Biodiversität. Gegen Luftverschmutzung durch Feinstaub können sie jedoch wenig ausrichten, sie leiden vielmehr sogar massiv darunter. Eine normale Bepflanzung und Begrünung der Stadt und unsere Biofilter ergänzen sich also ideal.
Econeers: Moose mögen es normalerweise eher feucht und schattig. Wie kommen eure Mooswände mit den urbanen Bedingungen zurecht?
Peter Sänger: Tatsächlich haben uns die Ansprüche des Lebewesens Moos, aber auch die Komplexität der Verknüpfung von Hard- und Software oder wechselnde Wasserqualitäten vor große Herausforderungen gestellt. Die neueste Produktgeneration konzentriert sich darum auch auf die Gesunderhaltung der Moose mittels eines speziellen Bio-Algorithmus und ist ein wartungsfreundliches, langlebiges System, das sich in puncto Leistungsfähigkeit mit herkömmlichen, technischen Filtern messen kann – allerdings ohne den anfallenden Filtermüll. Innerhalb der CityTrees sorgen wir so für gleichbleibend ideale Bedingungen, damit die Moose kontinuierlich Höchstleistungen erbringen können. Tatsächlich sind Moose aber wahre Überlebenskünstler – auch wenn sie austrocknen und braun werden, sind sie nicht tot.
Econeers: Die City Trees bestehen ja nicht nur aus natürlichen Materialien, sondern sind auch technisch auf einem hohen Niveau, da sie mit smarter IoT-Technologie ausgestattet sind. Wie könnt ihr damit die Funktionalität eurer City Trees überprüfen und wozu könnten die gesammelten Daten noch genutzt werden?
Peter Sänger: Standardmäßig sammeln wir nur die Daten, die für die Instandhaltung der Moose relevant sind – das sind die Temperatur, die Luftfeuchtigkeit und Informationen zur Wasserqualität. In Kombination mit weiterer Sensorik zur Versorgung können wir dadurch einen Rückschluss auf den Zustand der Moose gewinnen und diese, wie bereits beschrieben, ideal versorgen.
Wir können aber zusätzlich viele weitere Daten erheben, zum Beispiel zur Luftqualität, also der Verschmutzung durch Feinstaub oder Stickoxide. Diese Daten kombinieren wir dann mit meteorologischen Daten wie der Windrichtung und der Windgeschwindigkeit und können so besser verstehen, wann die höchste Belastung besteht und wie wir diese besser reduzieren können. Wir nutzen diese Daten also auch, um die Leistung unserer Anlagen stetig zu verbessern, und durch den Scan eines QR-Codes können interessierte Bürger dann eine Website abrufen, die ihnen die aktuelle Verschmutzung und Filterleistung ihres Biofilters anzeigt.
Außerdem können CityTree und CityBreeze z. B. als Ladesäule für E-Bikes oder -Autos dienen oder einen offenen WLAN-Hotspot bieten. Hierfür arbeiten wir eng mit der Telekom als Partner zusammen. Generell bin ich der Überzeugung, dass es smart ist, Geräte aufzustellen, die unterschiedliche Nutzen miteinander kombinieren.
Econeers: Euer Gründerteam ist facettenreich aufgestellt – von Maschinenbau und Informatik über Architektur bis hin zu Gartenbau und Biologie. Wie kommt es, dass aus so einer bunten Mischung von Menschen ein gemeinsames Projekt entsteht?
Peter Sänger: Nun, unsere Produkte verschmelzen ja auch ganz unterschiedliche Elemente: die Moose, die wir auf der weltweit einzigartigen vertikalen Moosfarm dafür anbauen, aber auch die Hardware der Filtertechnologie und Moosversorgung und schließlich die spezielle Software. Da sind eben ganz unterschiedliche Kenntnisse und Fähigkeiten nötig. Tatsächlich haben wir uns alle ja bereits an der Universität kennengelernt, waren zum Teil bereits befreundet und wir alle hatten, auf die eine oder andere Art und Weise, negative Begegnungen mit verschmutzter Luft und anderen typisch urbanen Problemen gehabt. Was uns alle antreibt ist die Vision, Menschen in Städten weltweit zu besserer Atemluft und damit zu mehr Gesundheit zu verhelfen.
Econeers: Ihr wart also schon vorher befreundet. Gebt uns einen kleinen Einblick – sieht die Teamdynamik entsprechend harmonisch und ungezwungen aus?
Peter Sänger: Was ich sagen kann ist, dass es wirklich sehr förderlich ist, wenn sich unterschiedliche Menschen mit ganz verschiedenen Fähigkeiten und Interessen zusammentun – solange sie alle dasselbe Ziel anpeilen und die gleichen Werte verfolgen. So kann man viel besser Problemen bereits im Vorfeld begegnen und ganz unterschiedliche Lösungsansätze entwickeln.
Econeers: Green City Solutions wurde von euch bereits im Frühjahr 2014 gegründet. Ihr habt den Aufstieg eures Unternehmens vorwiegend allein gemeistert. Was waren bisher eure wichtigsten Meilensteine?
Peter Sänger: Über die typischen Startup-Phasen kann man ja mittlerweile viele Bücher lesen, doch hat jeder Unternehmensaufbau so seine Besonderheiten. Wir sind zum Beispiel schon häufiger umgezogen, um einen geeigneten Standort zu bekommen. Trotz der wirklich komplexen Angelegenheit waren wir uns sicher, dass wir schnellstmöglich mit einem ersten Produkt in den Markt müssen, um zu verstehen, ob es die Kunden annehmen und lieben werden. Kurze Entwicklungszeiten, knappes Budget und viele ungelöste Fragen – wir haben viel Lehrgeld bezahlt und unseren Kunden oft viel Geduld abverlangen müssen. Das hat jedoch dazu geführt, dass unsere Produkte mittlerweile sehr ausgereift und auf den Einsatzort Stadt angepasst sind. Gerade in der Nachweisbarkeit der Leistung hat es beinahe sechs Jahre gedauert, bis wir wirklich aussagekräftige und unangreifbare Ergebnisse vorweisen konnten. Nebenbei mussten und müssen wir uns um die Finanzierung und den weiteren Aufbau des Unternehmens kümmern. Da passieren ständig Dinge, die uns heraus- und neue Lösungen erfordern. Sicher bleibt uns die Vorstellung des CityTree 2.0 am BIKINI Berlin in besonderer Erinnerung.
Econeers: Ihr wirkt sehr engagiert und hochmotiviert. Wie soll es weitergehen? Welche neuen Produktideen stehen in den Startlöchern und welche Vision verfolgt ihr für die Zukunft?
Peter Sänger: Neben der Optimierung des CityTrees haben wir unser Produktportfolio um den CityBreeze erweitert. Gemeinsam mit etablierten Partnern wie der Deutschen Telekom, Goldbach und VisualArt wollen wir nun auch den Informations- und Werbemarkt nachhaltiger machen. Neben Stand-Alone-Produkten wie dem CityTree und CityBreeze, arbeiten wir auch an integrierfähigen Modulen, um bestehende Infrastrukturen zu “bemoosen”. Gerade im Bausektor rückt Nachhaltigkeit immer stärker in den Fokus und wir wollen auch hier dabei sein. Unser großes Ziel ist, dass wir mit unseren Produkten bis 2030 saubere und frische Luft für über 500 Millionen Menschen bereitstellen können und einen Beitrag zur Dekarbonisierung unserer städtischen Infrastruktur leisten wollen.
Econeers: Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit für das Interview genommen habt! Wir freuen uns schon, wenn auch in unseren Städten bald weniger “dicke Luft” herrscht.