Vom Leben im Überfluss zum Leben auf kleinerem Fuß: Der ökologische Fußabdruck

Inhaltsverzeichnis

  1. Eine Welt ist nicht genug – Fußabdruck verschiedener Länder im Vergleich
  2. Warum Deutschland auf so großem Fuß lebt
  3. Erdüberlastungstag – warum die Welt kurz vor dem Burnout steht
  4. Tipps – wie gestalte ich meinen Alltag nachhaltiger?
  5. Wie aussagekräftig ist der ökologische Fußabdruck wirklich? – Stärken und Schwächen
  6. „Du musst die Veränderung sein, die du in der Welt sehen willst” – Mahatma Gandhi

Der Klima- und Umweltschutz zählt zu den größten Herausforderungen unserer Zeit. Bei vielen Menschen wächst das Bedürfnis, ihren Teil beizutragen und Verantwortung zu übernehmen. Das beweist, dass es sich beim Thema Nachhaltigkeit um keine schnelllebige Modeerscheinung, sondern um einen langfristigen Trend handelt. Doch wie nachhaltig sind wir Deutsche wirklich? Schließlich kaufen wir ja regelmäßig Bioprodukte, nehmen häufig auch mal die Bahn und recyceln vorbildlich. Reichen diese Maßnahmen, um die Ressourcen der Erde zu schonen und den Klimawandel rechtzeitig abzuwenden? Die Antwort ist leider ernüchternd. Der Durchschnitt der Deutschen schwelgt weiterhin im Überfluss und führt einen ökologisch kostspieligen Lebensstil. Eine Möglichkeit, sich in diesem Gesamtbild einzuordnen und zu ermitteln, wie nachhaltig der eigene Lebensstandard wirklich ist, bietet die Berechnung des ökologischen Fußabdrucks.

Die Idee zur Berechnung des Einflusses von Menschen auf ihre Umwelt hatten die  Wissenschaftler Mathis Wackernagel und William Rees in den 90er Jahren. Der ökologische Fußabdruck beschreibt einen komplexen Nachhaltigkeitsindikator, welcher sowohl auf gesellschaftlicher als auch auf individueller Ebene Nachhaltigkeitsdefizite identifiziert und potenzielle Handlungsbedarfe aufdeckt. Er stellt eine Art Buchhaltungssystem für die Ressourcen der Erde dar. Auf der Angebotsseite stehen die vielfältigen Flächen der Erde wie Wälder, Felder, Seen, Meere, Wüsten, Weiden, Steppen, Straßen und Städte. Diese unterscheiden sich hinsichtlich ihrer biologischen Produktivität, welche in der Maßeinheit globale Hektar (gha) gemessen wird. Das ist logisch, da z. B. ein Wald oder ein Feld fruchtbarer sind als die meist ohnehin versiegelten Flächen in einer Stadt. Auf der Nachfrageseite wiederum steht der Verbrauch von Biokapazität der Erde z. B. aufgrund von Energiegewinnung, Viehzucht, Abfall, Abgas, Lebensmittelproduktion, der Herstellung von Konsumgütern, Transport und Reisen. All diese Faktoren beeinflussen folglich die Erneuerungsfähigkeit unseres Planeten. Dementsprechend wird bei der Berechnung des ökologischen Fußabdrucks die durchschnittlich verfügbare Fläche von Land und Wasser zur Regenerierung von Ressourcen und zur Absorbierung von Abfällen mit der genutzten Fläche ins Verhältnis gesetzt. Diese Form der Berechnung kann für Individuen, Unternehmen, Länder, Städte, bestimmte Regionen und sogar für die gesamte Welt aufgestellt werden.

 1. Eine Welt ist nicht genug – Fußabdruck verschiedener Länder im Vergleich

Die längste Zeit auf diesem Planeten haben die Menschen weniger Ressourcen benötigt, als ihnen zur Verfügung standen, wodurch die Erde keinen langfristigen Schaden davongetragen hat. Seit dem Jahr 1970 jedoch benötigt die Weltbevölkerung mehr Biokapazität, als die Ökosysteme der Erde auf Dauer bereitstellen können. Die verständlichste Versinnbildlichung der Problematik stellt die Maßeinheit der benötigten Erden dar. Die Anzahl der benötigten Erden gibt an, wie viele Erden erforderlich wären, um dem Bedarf und Verbrauch eines Individuums, einer Region oder auch der gesamten Weltbevölkerung gerecht zu werden. Wie viele sich sicher vorstellen können, ist diese symbolische Zahl nicht für alle Länder und Regionen unseres Planeten einheitlich und unterscheidet sich sogar von Person zu Person. In der folgenden Tabelle sind die Daten zum ökologischen Fußabdruck ausgewählter Länder und Regionen aus dem Jahr 2017 in der Einheit “Anzahl der benötigten Erden” festgehalten und der Größe nach sortiert.

Länder Anzahl der benötigten Erden
Katar 9,2
Luxemburg 8
Vereinigte Arabische Emirate 5,6
USA 5
Österreich 3,8
Schweiz 3,8
Deutschland 2,9
Portugal 2,8
Griechenland 2,6
Vereinigtes Königreich 2,6
Spanien 2,5
China 2,3
Indien 0,75
Burundi 0,39
Jemen 0,38
Eritrea 0,32

 

Kontinente Anzahl der benötigten Erden
Nordamerika 5
Australien 4,6
Europa 3
Südamerika 1,6
Asien 1,5
Afrika 0,8 

2. Warum Deutschland auf so großem Fuß lebt

Auch Deutschland kommt bei der Berechnung seines ökologischen Fußabdrucks nicht gut weg. Würde jeder Mensch auf unserem Planeten so leben wie die Deutschen, würden wir insgesamt 2,9 Erden benötigen. Dies lässt sich prozentual auf verschiedene Bereiche zurückführen. 35 % unseres ökologischen Fußabdrucks macht unsere Ernährung aus, da diese zu 80 % aus tierischen Lebensmitteln besteht. 25 % davon sind Wohnkosten, wobei den größten Teil die Heizenergie beansprucht. 22 % lassen sich auf unsere Mobilität und die restlichen 18 % auf unseren Konsum zurückführen. Vielen Menschen ist zudem nicht bekannt dass Deutschland zu den zehn größten “landimportierten” Staaten weltweit gehört. Was bedeutet das? Deutschland schafft es derzeit nicht, sich vollständig selbst zu versorgen, also werden 45 % des eigentlich für den deutschen Bedarf erforderlichen Ackerlands im Ausland bereitgestellt. Oft wissen wir also gar nicht, wie viele Kilometer die Lebensmittel im Supermarkt bereits zurückgelegt haben. Die Mobilität der Deutschen betreffend kommen wir bei 1.000 Einwohnern auf 605 Fahrzeuge. Klingt nicht besonders viel? Im Vergleich besitzen nur 20 von 1.000 Personen in China und sogar nur 10 von 1.000 Menschen in Indien einen mobilen Untersatz. Wenn China und Indien sich an unsere Verhältnisse anpassen würden, gäbe es einen gewaltigen Anstieg der CO2-Emissionen.

Generell ist der Ressourcenverbrauch der reicheren Länder meist überdurchschnittlich hoch. Ärmere Länder sorgen durch ihren geringeren durchschnittlichen Ressourcenverbrauch für einen Ausgleich der hohen Lebensstandards der wohlhabenden Länder. Die drei Länder mit dem niedrigsten ökologischen Fußabdruck weltweit sind: Eritrea, Jemen und Burundi. Zu den negativen Spitzenreitern gehören Katar, Luxemburg und die Vereinigten Arabischen Emirate. Die ganze Welt – alle Verschwender und Sparer eingeschlossen – hat einen ökologischen Fußabdruck von 1,7 Erden. Der Wert klingt, in Anbetracht der regional teilweise sehr hohen Zahlen, gar nicht so schlecht. Er bedeutet aber trotzdem, dass wir mit unserem aktuellen Verbrauch 0,7 Erden mehr benötigen als wir haben und damit weit über unserer Kapazität leben. Der WWF formulierte bereits 2014: „Die Menschheit treibt ihren eigenen Planeten in einen gefährlichen Burnout. […] Wir entziehen uns und unseren Kindern die Lebensgrundlagen in schwindelerregender Geschwindigkeit.”

3. Erdüberlastungstag – warum die Welt kurz vor dem Burnout steht

Eine gute Versinnbildlichung für diese Problematik stellt der Erdüberlastungstag (Earth Overshoot Day) dar. Dieses Datum wird jedes Jahr neu berechnet und beschreibt den Zeitpunkt im Jahr, an dem die Menschen über die ihnen von der Erde zur Verfügung stehenden Ressourcen hinaus leben. Am besten erklären lässt sich diese Metapher an einem Beispiel in Bezug auf das Berufsleben: Es würde bedeuten, dass man bis zu diesem Tag sein gesamtes Jahresgehalt ausgegeben hat inklusive des Anteils, den man noch nicht erwirtschaftet hat. 1970 lag das Datum noch im Dezember – mittlerweile liegt es Ende Juli. Durch die Corona-Krise kam es im Jahr 2020 dazu, dass sich der Erdüberlastungstag das erste Mal in der Geschichte nach hinten verschoben hat. Dies lag daran, dass die Menschen weniger gereist sind, die Industrie und Produktion in vielen Gebieten heruntergefahren wurde und stromfressende Unterhaltungsprogramme reduziert wurden. An dieser Stelle ist jedoch auch anzumerken, dass durch die Corona-Pandemie auch negative Konsequenzen für die Umwelt entstanden sind: angefangen mit dem Verzicht auf Fahrten mit dem ÖPNV aus Angst vor Ansteckung, über den Online-Boom und damit einhergehend den zunehmenden Verpackungsmüll, bis hin zu der simplen Tatsache, dass Covid-19 in den Schlagzeilen kaum Raum für die Problematik des Klimawandels ließ. Trotz dieser kurzen Phase der Besserung ist bereits jetzt  erkennbar, dass sich das Leben allmählich normalisiert und der positive Effekt für das Klima leider nicht anhält. 

4. Tipps – wie gestalte ich meinen Alltag nachhaltiger?

Wie bereits erwähnt, wird über ein Drittel unseres durchschnittlichen ökologischen Fußabdrucks durch die weitgehend auf tierischen Produkten basierende Ernährung verursacht. Sinnvoll ist es also, damit zu beginnen, seinen Konsum in dieser Hinsicht anzupassen. Empfehlenswert für alle, denen die Umstellung schwer fällt, ist es, zu Beginn z. B. zwei bis drei fleischfreie Tage in der Woche einführen und dadurch auch neue, leckere Rezeptideen ausprobieren. Dabei geht es häufig nicht direkt um Verzicht, sondern eher um einen maßvolleren Konsum. Wer den eigenen Fleischkonsum beispielsweise reduzieren möchte, sollte systematisch vorgehen. In unserem Podcast haben wir ausführlich darüber diskutiert:

Doch nicht nur Fleisch oder tierische Produkte generell gilt es beim Lebensmittelkonsum zu überdenken. Bereits beim Einkauf sollte man auf die Herkunft und die Verpackung der Lebensmittel achten und den Wochenmarkt dem Discounter vorziehen. Ein ebenfalls mit unserer Ernährung einhergehendes  Problem ist die Lebensmittelverschwendung. Als Beispiel: Wenn die Erdbevölkerung nur halb so viele Lebensmittel wegwerfen würde, könnte der Erdüberlastungstag um ca. einen halben Monat nach hinten verschoben werden. Neben den ökologischen Konsequenzen sollten jedoch auch die moralischen Implikationen bedacht werden. Während allein in Deutschland jährlich ganze 12 Mio. Tonnen an Lebensmitteln im Müll landen, hungern weltweit 690 Mio. Menschen. 

Neben der Ernährung sollte auch der allgemeine Lebensstil hinterfragt werden. Ist es wirklich notwendig, jeden Trend mitzunehmen? Dies bezieht sich nicht nur auf Fast Fashion, sondern auch auf z. B. neue Modelle von Smartphones, Spielekonsolen und die Eiswürfelmaschine, ohne die man laut den sozialen Medien den Sommer nicht überstehen wird. Im Endeffekt setzt sich der persönliche ökologische Fußabdruck aus vielen kleinen Entscheidungen zusammen, beginnend mit der Frage, wohin es in den Urlaub geht, welchen Strom man bezieht, ob man neu oder gebraucht kauft und ob eine Anschaffung von Geräten generell notwendig ist oder ob man sich diese nicht auch einfach vom Nachbarn leihen kann. Kleine Veränderungen können also einen großen Unterschied machen.

5. Wie aussagekräftig ist der ökologische Fußabdruck wirklich?

Innerhalb der letzten zehn Jahre hat sich der ökologische Fußabdruck zu einer der weltweit wichtigsten Messgrößen für den Verbrauch von Ressourcen durch Produktions- und Konsumaktivitäten entwickelt. Kein Wunder also, dass sich eine Vielzahl von Unternehmen und Institutionen des ökologischen Fußabdrucks bedient, um die Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf die Umwelt umfassend zu ermitteln. Doch wie aussagekräftig ist der populäre Nachhaltigkeitsindikator wirklich? Was für Vorteile bietet er und welche Nachteile müssen in Kauf genommen werden?

Stärken Schwächen
Internationale Vergleichbarkeit und Aufdecken der ungleichen Verteilung in der Welt Ausblenden wichtiger Indikatoren wie z. B. Regeneration von nicht erneuerbaren Ressourcen, den planetarische Grenzen und den Folgen der Atomenergie
Aufklärung → Stärkung des Bewusstseins und Anregung öffentlicher Diskussionen Aussagekraft ist abhängig vom genutzten Tool und der Aktualität der zugrundeliegenden Daten
Einfachheit der Berechnung  
Liefert (politische) Entscheidungsgrundlage  

Beginnend mit den positiven Aspekten, lässt sich nicht leugnen, dass der ökologische Fußabdruck eine beständige Größe ist und dadurch eine gewisse Vergleichbarkeit von Ergebnissen garantiert. Hiermit wird sichtbar, wer sowohl örtlich als auch auf globaler Ebene den größten negativen Einfluss auf das Klima ausübt. Darüber hinaus ist die Berechnung verhältnismäßig einfach. Auch für Einzelpersonen, die wissen möchten, wie nachhaltig sie leben und wo sie sich innerhalb ihrer Umgebung einordnen können, gibt es diverse, benutzerfreundliche Online-Plattformen zur Kalkulation. 

Zu den Faktoren, welche die Aussagekraft schmälern können, zählen die individuell genutzten Tools und die (Aktualität der) Datenbasis, auf deren Grundlage die Berechnung erfolgt. Mögliche Einflüsse, die ebenfalls bisher unberücksichtigt bleiben, sind: die Folgen und Risiken der Atomenergie, die Regenerierung nicht erneuerbarer Ressourcen und die Versauerung der Ozeane. Länder, die verstärkt auf Atomenergie setzen, haben einen vergleichsweise geringeren ökologischen Fußabdruck. Dies liegt jedoch daran, dass die Konsequenzen wie z. B. der Umgang mit den radioaktiven Abfällen und die Risiken, die mit der Betreibung von Atomkraftwerken einhergehen, nicht berücksichtigt werden. Ebenfalls müssten das Ausmaß der Fläche und die Zeit der Regeneration für den Verbrauch nicht erneuerbarer Ressourcen Beachtung finden. Darüber hinaus werden bei der Berechnung der Absorptionsflächen für entstandenes CO2 unsere Ozeane als natürliches Depot gesehen. Jedoch zählt die Versauerung der Ozeane zu den planetarischen Grenzen, ebenso wie der dadurch zunehmende Verlust von Biodiversität. Wasser gilt zudem als neutrale Umlaufgröße und wird nicht nach Qualität unterteilt. Dies sind die wesentlichen Kritikpunkte, welche in Bezug auf die Berechnung des ökologischen Fußabdrucks vermehrt Gehör finden. Die Schwächen des Modells sind dem zuständigen Global Footprint Network jedoch bewusst und werden dementsprechend auch kommuniziert. Final lässt sich also sagen, dass der ökologische Fußabdruck, trotz einiger Schwächen, das bisher wertvollste Maß für Nachhaltigkeit ist und aufgrund seiner Verbreitung ein Bewusstsein für die aktuelle Situation unseres Planeten schafft.  Zudem ist er eine globale Vergleichsgröße, mit deren Hilfe man jedes Land, jedes Unternehmen und sogar jeden einzelnen Menschen zur Verantwortung ziehen könnte.

6. „Du musst die Veränderung sein, die du in der Welt sehen willst – Mahatma Gandhi

Die Metapher des Fußabdrucks des Menschen, der sich auf dem Boden abzeichnet, ist der Wahrheit also nicht allzu fern. Unsere Entscheidungen und Handlungen hinterlassen eine Spur. Diese ist nicht sofort sichtbar, ihre Folgen für uns und diesen Planeten jedoch werden immer deutlicher spürbar. Die Rede ist nicht mehr nur von schmelzenden Polkappen, irgendwo fern in der Arktis. Die Ausmaße sind auch in unserer direkten Umgebung spürbar. Folgen der Erderwärmung sehen wir in den Hitzerekorden, Wetterextremen, Ernteausfällen und dem steigenden Meeresspiegel. 

Der ökologische Fußabdruck hat zwar seine Stärken und Schwächen, ist also kein allumfassender Indikator für Nachhaltigkeit. Er ist dennoch ein aussagekräftiges Maß, an dem sich Individuen, Unternehmen, Regionen und Länder orientieren sollten, um ein Bewusstsein für ihre eigenen Auswirkungen auf die Umwelt zu entwickeln und Verbesserungspotenziale aufzudecken. Denn unser ökologischer Fußabdruck ist nicht in Stein gemeißelt – wir können ihn ändern und so positiv zu einer nachhaltigeren Zukunft beitragen. Schon kleine Anpassungen haben eine große Wirkung! Wie hoch ist Ihr ökologischer Fußabdruck?

 

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