Vor Kurzem feierte das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) einen runden Geburtstag: Am 01. April 2020 ist es 20 Jahre alt geworden. Die Feierlichkeiten und die damit verbundene Aufmerksamkeit für das einst revolutionäre Gesetz, das inzwischen über 100 Nachahmer weltweit hat, fielen in diesem Jahr allerdings deutlich kleiner aus, denn das Jubiläum fand in einer zweifellos besonderen Zeit statt: Das Corona-Virus hatte weite Teile des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens lahmgelegt und bescherte uns neben viel Unsicherheit und Sorgen auch einen deutlichen Rückgang der Emissionen durch Verkehr und Industrie sowie den Wunsch, grüner und nachhaltiger aus der Krise hervorzugehen – u. a. mit noch mehr Energieerzeugung aus regenerativen Quellen. Im ersten Quartal 2020 konnte Deutschland bereits 52 Prozent seines Bruttoinlandsstromverbrauchs durch erneuerbare Energien decken, das Gros davon (52 Milliarden kWh) durch Windenergie.
Trotz dieser deutlichen Dominanz der Windkraft stand hier bei Econeers bisher vor allem die Photovoltaik im Fokus – bei den über die Plattform finanzierten Projekten und auch in unserem Blog, in dem wir über Solar-Innovationen oder über die Agrophotovoltaik berichtet haben. Doch nicht nur im Bereich der Sonnenenergie, sondern bei den erneuerbaren Energien generell stieg in jüngster Zeit die Anzahl der eingereichten Patente und damit der Innovationsgrad. Zeit also, dass wir uns anschauen, welche Neuerungen es bei anderen regenerativen Energieträgern wie Wind- und Wasserkraft gibt.
Leistungsfähiger, leiser, dezentraler: Strategien für die Zukunft der Windkraft
Obwohl die Windkraft bislang für einen großen Teil der grünen Energieerzeugung verantwortlich ist, hat die in Deutschland entwickelte und inzwischen weltweit erfolgreiche Technologie hierzulande mittlerweile einen schweren Stand. Der Ausbau stockt, weil Stromtrassen fehlen, Flächen knapp sind, sich Förderbedingungen geändert haben und es an Rückhalt in der Bevölkerung mangelt – denn auch wenn die Technologie generell befürwortet wird, so möchten doch die Wenigsten vom Vorgarten aus auf einen Windpark blicken. Und auch Natur- und Artenschützer sperren sich, da die Anlagen etwa Vögeln und Fledermäusen häufig gefährlich werden. Geplante neue Abstandsregelungen zu Wohngebäuden könnten für weitere Schwierigkeiten sorgen. Es wird deutlich: Wenn die Windenergie in der Bundesrepublik weiterhin eine Zukunft haben soll, dann braucht es neue, kreative Lösungen.
Eine Möglichkeit, um Windturbinen näher an Wohngebäude heranbringen zu können, wird gerade in der Schweiz erprobt: Vertikalachsen-Turbinen, bei denen sich die Rotorblätter um eine vertikale Achse drehen, versprechen eine einfachere Logistik bei Transport, Installation und Betrieb als die gängigen „Riesenspargel” und eignen sich dadurch besser für die dezentrale Energieerzeugung – aufgrund einer deutlich geringeren Lärmbelastung auch in größerer Nähe zu besiedelten Gebieten. In anderen Ländern setzen Unternehmen und Forschungseinrichtungen auf einen gegenteiligen Ansatz und wollen aufgrund des Mangels an geeigneten Flächen für die Errichtung neuer Windräder bestehende Standorte leistungsfähiger machen. Eine Option dafür sind höhere Windräder, sogenannte XXL-Windtürme, die bald schon Höhen von bis zu 200 Metern erreichen werden. Damit könnten sie die gleichen Leistungen erzielen wie Offshore-Windturbinen, die aktuell im Durchschnitt viermal leistungsfähiger sind als Anlagen an Land. Doch größere Anlagen sind auch deutlich schwerer – schon bei den aktuell gängigen 6-Megawatt-Anlagen bringt allein die Technik im Maschinenhaus auf der Turmspitze mehr als 100 Tonnen auf die Waage. Größere Anlagen können aufgrund der enormen Masse der Generatoren sowie der gesamten Windtürme nicht problemlos nach der gleichen Bauweise errichtet werden. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik schaffen jedoch bereits Abhilfe: Sie haben gemeinsam mit Siemens einen um 30 Prozent leichteren Generator konstruiert, der dennoch über eine Leistung von 10 Megawatt verfügt, sehr stabil läuft und derzeit in der Nähe von Kassel erprobt wird.
Fliegende Turbinen: Offshore-Windkraft greift nach den Sternen
Angesichts der Schwierigkeiten beim Ausbau der Windenergie an Land wird der Blick zudem immer häufiger aufs offene Meer gerichtet. Knapp ein Sechstel der in Deutschland erzeugten Windkraft stammt aktuell aus Offshore-Anlagen. Dort, so möchte man meinen, dürfte Flächenknappheit doch kein Problem sein – oder? Doch bei Weitem nicht jeder Standort auf See eignet sich für die Errichtung von Windkraftanlagen. Probleme gibt es etwa bei zu großen Wassertiefen, da hier aufgrund des hohen Materialeinsatzes und der aufwändigen Logistik Windräder kaum rentabel betrieben werden können. An einer Alternative arbeitet der spanische Energiekonzern Iberdrola, der die Entwicklung schwimmender Offshore-Windparks vorantreibt. Die Anlagen stehen auf halbtauchenden Schwimmfundamenten aus Beton, die mit Ankern am Meeresboden befestigt werden – eine deutlich unkompliziertere und günstigere Methode als die feste Verankerung in Meerestiefen weit über 20 bis 30 Meter hinaus.
„The sky is the limit” lautet hingegen das Motto bei den Offshore-Höhenwindanlagen. Dabei handelt es sich um fliegende Turbinen, die an einer im Meeresboden verankerten Boje befestigt werden und anschließend Windenergie in ca. 300 Meter Höhe einfangen sollen. Erste Modelle, die sich derzeit in Norwegen im Test befinden, weisen bis zu 600 Kilowatt Leistung auf – ein Vielfaches der Leistung von gewöhnlichen Offshore-Windkraftanlagen, und das bei deutlich geringerem Materialeinsatz. Ein weiteres Plus: In diesen luftigen Höhen werden Vögel und andere Lebewesen durch die Turbinen nicht beeinträchtigt.
Die perfekte Welle: Gezeiten- und Wellenkraftwerke bringen die Wasserkraft voran
Ebenfalls auf das Meer als Ort der Energiegewinnung setzen Gezeitenkraftwerke – ein aktuell sehr innovationsfreudiges Segment innerhalb der Wasserkraft. Besonders im Fokus von Forschern und Projektentwicklern steht die Bay of Fundy, eine Bucht zwischen den ostkanadischen Provinzen New Brunswick und Nova Scotia, die sich durch den weltweit höchsten Tidenhub von bis zu 21 Metern auszeichnet – beste Voraussetzungen, um Energie aus der Kraft von Ebbe und Flut zu gewinnen. Nachdem in der Vergangenheit dort bereits Projekte mit großen, auf dem Meeresboden stehenden Turbinen gescheitert waren, setzt man nun auf bereits andernorts bewährte, schwimmende Turbinen. Drei Schwimmkörper mit je sechs Turbinen und einer Nennleistung von insgesamt 1,26 MW werden in Deutschland hergestellt und nach Kanada gebracht. Im August 2021 soll die Anlage, deren Projektträger die Hamburger Firma reconcept ist, fertig errichtet sein. Sie profitiert dann von einem sehr hohen Einspeisetarif von bis zu 53 kanadischen Cent je Kilowattstunde.
Doch auch ohne starke Gezeiten lässt sich Energie aus dem Meer erzeugen – mit der Kraft hoher und möglichst gleichmäßiger Wellenbewegungen, wie es sie etwa vor der Küste Portugals oder rund um die Kanarischen Inseln gibt. Um diese nutzbar zu machen, arbeitet das deutsche Startup Nemos gerade am Prototyp seines „Wave Energy Converters”. Er „erntet” Wellenenergie über die Bewegungen eines Schwimmkörpers, der mit einer am Meeresgrund verankerten Stahlkonstruktion verbunden ist. Durch hohe Effizienz und vergleichsweise geringe Kosten wird ein Wirkungsgrad von 70 Prozent erreicht. Mittelfristiges Ziel ist die Errichtung von Parks mit 40 Einzelanlagen, von denen jede eine Leistung ab einem Megawatt haben soll.
Eine Zeit lang sah es so aus, als ob der Erfolgsgeschichte der erneuerbaren Energien und damit auch den ambitionierten Klimazielen der Bundesregierung die Puste ausgeht. Jetzt lassen Forschungsvorhaben und technologische Innovationen jedoch hoffen: auf eine Renaissance von rentablen und zukunftsfähigen Windkraftanlagen, auf die Erschließung bisher ungenutzter Potenziale im Bereich der Wasserkraft – und darauf, dass der nächste Geburtstag des EEG wieder feierlicher ausfällt: ohne globale Pandemie, dafür aber mit mehr weltweiten Anstrengungen für Klimaschutz und den Ausbau erneuerbarer Energien.