Wie ein Phoenix aus der Asche – alte Marken wieder entdeckt

In den letzten Jahren feierten immer mehr untergegangene oder totgeglaubte Marken ihr Comeback. Warum sie (beinahe) verschwanden und wie sie es schafften, sich wieder mit großem Erfolg auf dem Markt zu etablieren: Wir werfen ein Blick auf die neuen Alten und gehen der Frage nach „Ist es wirklich neu oder einfach nur Retro?“ Über die Kunst, sich neu zu erfinden und alte Werte neu zu vermarkten.

Der Markt wandelt sich schneller denn je. Während die „jungen Wilden“ die eingeschliffene Trägheit der Branchen mit disruptiven und innovativen Ideen durchrütteln, hecheln Branchenriesen – wenn sie nicht gerade Apple, Google oder SAP heißen, der Digitalisierung gehetzt hinterher, um den Anschluss nicht zu verpassen. Keine einfache Spielwiese, in der versunkene Marken zu neuem Glanz kommen wollen. Oder doch? Marken wie Grundig, Kodak, AEG, Askania, Creme 21, Schiesser, Ahoj, Afri-Cola und viele mehr schafften es, sich in den letzten Jahren wie ein Phoenix aus der Asche zu erheben. Ihr großer Vorteil: In dem dynamischen und wechselvollen Marktumfeld müssen sie sich nicht erst dem Kunden erklären und vorstellen. Ihre Zielgruppe kennt sie noch beim Namen und weiß um die Werteversprechen, die mit der Marke einhergehen.

Zwei Erfolgsbeispiele

Wer erinnert sich nicht an den Werbefilm, in dem der Geburtstag wegen Unwetter buchstäblich ins Wasser zu fallen droht – wäre da nicht der tolle Freund mit dem kleinen Yes-Törtchen und der Geburtstagskerze? Die alkoholgeschwängerte „kleine Torte statt vieler Worte“ wurde 1981 in Deutschland eingeführt und erfreute sich schnell großer Beliebtheit. Als 1999 die Discountsupermärkte alle Marken zugunsten von No-Name-Produkten aus ihrem Sortiment verbannten, schaffte es Nestlé nicht, durch alternative Vertriebswege den Absatz von Yes Torty zu sichern. 2003 verschwand es vom Markt. Seit 2011 ist das kleine Gebäckstück wieder dauerhaft und in alten und neuen Geschmacksrichtungen auf dem Markt. Eine Erfolgsstory – auch Dank nun ausgewogeneren Vertriebsstrukturen.
Die Marke Grundig war das Symbol des deutschen Wirtschaftswunders. Gegründet in den 30er Jahren, stand Grundig für erstklassige und hochwertige „Weiße Ware“ und Unterhaltungselektronik. In den 80er Jahren folgte der erste Einbruch und damit die Trendwende: Asiatische Konkurrenz- und Billigangebote raubten dem Traditionshersteller zunehmend Marktanteile. Trotz vieler Umstrukturierungen und Neubeteiligungen konnte sich die Marke Grundig nicht mehr auf dem Markt behaupten und sah sich gezwungen, 2003 das Insolvenzverfahren zu eröffnen. Mittlerweile wurde Grundig durch die Koç Holding gänzlich neu aufgestellt und schreibt wieder schwarze Zahlen. 2013 hat das Traditionsunternehmen den erfolgreichen Wandel von Consumer Electronics zu Home Electronics vollzogen und ist derzeit der einzige europäische Vollsortimenter. Dem damaligen Werteversprechen vertrauen die Kunden bis heute – vielleicht auch, weil sie von der Qualität anderer Produkte enttäuscht wurden.

Der Wert der Marke

Ein Retro-Trend lässt sich also bejahen. Aber das ist nicht der alleinige Grund, warum neue Investoren oder Unternehmen den Wert alter Marken für sich entdecken. Mit Nostalgie lässt sich der Erfolg des Ahoj-Brausepulvers kaum erklären – zwischen 2002 und 2013 konnte der Umsatz verdreifacht werden. Die Wiederbelebung einer alten Marke mit guter Reputation bietet viele Vorteile: Es spart Kosten, Zeit und erhöht die Chance einer Marktdurchdringung.
Marketing- und Werbebudget können deutlich kleiner gehalten werden als bei einer Neuetablierung. Schließlich muss der Kunde sich nur an das „gute Erlebnis von früher“ erinnern, nicht eine Erfahrungswelt und Vertrauen gänzlich neu aufbauen. Die Marke existiert bereits – ein unschlagbarer Vorteil gegenüber neuen Produkten, die den Weg der Markenbildung noch vor sich haben. Denn die Marke ist immer noch der größte Faktor für eine positive Kaufentscheidung. Zudem sind tradierte Markennamen auch generationsübergreifend bekannt. Das erweitert die Zielgruppe. Aufgrund alter Werte und Werteversprechen lassen sich diese Produkte besser differenzieren und von der Konkurrenz abheben.

Im immer zunehmenderen Grundrauschen um die Aufmerksamkeit der potenziellen Käufer – hier ein Schnäppchen, dort ein neues Feature, da hinten das neue Lebensgefühl – suchen große Konzerne aber auch Jungunternehmer gezielt (beinah) untergegangene Marken, schaffen gekonnt den Gegenpol und setzen sich so vom Wettbewerb ab. Und vielleicht fühlt sich der eine und andere Käufer dankbar daran erinnert – an eine Zeit, in der Beständigkeit und Tradition noch wichtige Werte waren oder man selbst noch jung und glücklich über einen klebrigen Finger voll mit Waldmeister-Brausepulver.

 

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