Zum Fundingstart von Front Row Society haben wir Florian Ellsäßer, den Gründer und Geschäftsführer, bereits zu seiner Biografie und der Verantwortung gegenüber Mensch und Umwelt des Modelabels befragt. Jetzt haben wir Florian erneut interviewt und wollten u. a. wissen, welche Rolle eigentlich die Crowd für Front Row Society spielt und warum die dritte Finanzierungsrunde wieder über Seedmatch läuft.
Seedmatch: Hallo Florian! Mit eurer dritten Finanzierungsrunde bei Seedmatch seid Ihr das erste Startup, das gleich drei Finanzierungsrunden über Crowdfunding wagt. Warum habt Ihr euch für eine zweite Anschlussfinanzierung mit der Crowd entschieden?
Florian Ellsäßer: Front Row Society wächst stark. Nach 105.000 Euro Umsatz in 2012 haben wir im letzten Jahr 674.000 Euro erreicht und werden 2014 bei ca. 1,4 Millionen Euro landen, wovon wir bereits über 70% durch Vorbestellungen abgesichert haben.
Unsere größte Herausforderung ist momentan die Vorfinanzierung der Produktion bis zur Bezahlung durch unsere Kunden. Unsere Produktionsaufträge sind zu über 90% durch feste Bestellungen namhafter Einzelhändler gedeckt, daher sollte das eigentlich eine risikoarme und komfortable Sache sein. Aber für ein Startup ohne Kredithistorie ist das eben doch eine enorme Herausforderung.
Die Crowd ist ein zentraler Bestandteil unseres Konzeptes, das betonen wir immer wieder – übrigens nicht nur rational-logisch, wir sind da im Team alle sehr passioniert. Und nachdem die ersten beiden Runden mit Seedmatch so gut funktioniert haben, war es fast schon zwingend logisch, einen Teil der Finanzierungsrunde wieder über die Crowd zu machen.
Natürlich fahren wir dabei mehrgleisig. Neben unseren Investoren MASCHAGENCY und Harald Meilicke, die dankenswerterweise auch jetzt wieder mitgezogen haben, sprechen wir auch mit weiteren Interessenten.
Seedmatch: Welches Verhältnis habt ihr zu eurer „Investorencrowd“?
Florian Ellsäßer: Wir stehen mit unseren existierenden Investoren im Kontakt und haben mit einigen Investoren bereits im Vorfeld Telefonate geführt. Wir freuen uns besonders, wenn uns ein Investor von Anfang an begleitet hat. Dabei können beide Seiten durch den Austausch etwas hinzulernen. So haben wir nach der zweiten Finanzierungsrunde z. B. gute Vorschläge für Händler bekommen, zu denen Front Row Society passen könnte. Mittlerweile sind einige dieser Händler unsere Kunden geworden.
Auch beim Internetauftritt, z. B. der Optimierung der Ladezeiten der Website, haben uns Investoren hilfreiche Tipps gegeben. Natürlich müssen wir priorisieren und können nicht alle Vorschläge gleichzeitig umsetzen. Hier ist es wichtig, dass wir direkt mit Investoren besprechen können, weshalb wir bestimmte Themen vor anderen Themen angehen. Weshalb wir und erst einmal auf den Händler-Vertrieb anstatt auf den Online-Handel fokussieren, ist hierfür ein gutes Beispiel.
Seedmatch: Ihr seid vom Online-Vertrieb stark auf den direkten Handel umgeschwenkt. Wie kam es dazu?
Florian Ellsäßer: Im Gegensatz zum direkten Store-Vertrieb (Wholesale), der sich deutlich besser als erwartet entwickelt hat, hat sich unser eigener Online-Verkauf nicht wie geplant entwickelt, weshalb wir momentan kaum in Online-Marketing investieren.
Auch online wollen Kunden wie offline ein möglichst einfaches und bequemes Einkaufserlebnis haben. Hierbei kann man den traditionellen Handel als Beispiel nehmen. Der Großteil der Kundschaft begibt sich in ein Kaufhaus, eine Einkaufsstraße oder ein Shopping-Center, um Bekleidung zu kaufen, weil es dort viele Marken an einem Ort gibt.
Ähnlich ist es es auch im Onlinegeschäft: hier müssen Sie Zeit investieren, wenn Sie einen neuen Online-Shop besuchen. Sie müssen auf die Seite gehen, die Navigation kennenlernen, Adresse und Zahlungsdetails eingeben und dabei haben Sie noch keinen Kontakt mit dem Kundenservice gehabt, falls es einmal Probleme geben sollte. Wenn Sie so Produkte von mehreren Marken auf deren eigenen Online-Shops kaufen wollen, ist dies sehr aufwendig. Entsprechend ziehen es viele Kunden vor, auch online bei einem schon bekannten Shop mit einem breiten Markenangebot einzukaufen, wie z. B. Zalando, Stylebop oder Net-A-Porter. Dieses Kundenverhalten zeigt sich auch bei bekannten Marken wie Hugo Boss, Adidas, Tom Tailor oder Gerry Weber, die alle unter 5% ihres Endkundenumsatzes im Online-Eigenvertrieb machen. Und wenn bei großen Marken der eigene Online-Umsatz nur einen kleinen Teil des Geschäfts ausmacht, ist dies bei einer noch nicht ganz so bekannten Marke wie Front Row Society, die im Premium-Segment positioniert ist, natürlich erst recht so.
Wir glauben weiterhin, dass es möglich sein könnte, den Online-Handel erfolgreich zu führen. Damit könnten wir die Umsätze noch einmal deutlich schneller skalieren. Auf der anderen Seite müssten wir auch sehr hohe Beträge für den Aufbau des Online-Handels investieren. Gerade als Startup mit limitierten Ressourcen haben wir uns deshalb entschieden, uns zunächst auf die bereits etablierten Vertriebswege im Händlervertieb zu fokussieren, bei denen wir wissen, dass jeder investierte Euro wieder durch unsere Marge gedeckt wird.
Zum verstärkten Ausbau des eigenen Online-Handels wollen wir zu einem späteren Zeitpunkt zurückkommen, wenn unsere Marke bekannter ist und wir über ausreichend finanzielle Mittel verfügen.
Seedmatch: Wie habt ihr eure letzten beiden Finanzierungen bei Seedmatch erlebt?
Florian Ellsäßer: Beide Finanzierungsrunden haben wir als sehr positiv empfunden. Hauptherausforderung ist es, unser Konzept zu kommunizieren.
Dies hängt vor allem damit zusammen, dass wir als Modemarke in einer traditionellen Industrie mit einem Online basierenden Geschäftsmodell tätig sind. Das bedeutet, dass für uns die Online-Präsenz für den Markenkern und für den Aufbau der Produkte extrem wichtig ist. Ohne die Online-Vernetzung mit unserer internationalen Community von über 40.000 Mitgliedern, die Entwürfe einreichen und darüber abstimmen, wäre Front Row Society nicht möglich.
Auf der anderen Seite ist aber auch der Offline-Vertrieb für den Markenaufbau wichtig. Hier geht es darum, im ersten Schritt in Deutschland und dann weltweit bei den besten Premium-Händler, neben hochwertigen und zu uns passenden Marken platziert zu werden. Wenn wir bei Front Row Society begeistert darüber sprechen, dass wir in den top Premium-Händlern wie Galeries Lafayette, KaDeWe Berlin, Lodenfrey in München, Einwaller in Innsbruck und Gassman in Zürich neben Marken wir Kenzo, Moschino, Etro und Missoni platziert sind, dann ist das eine Auszeichnung für eine junge Marke wie uns, mit der aber eine Person, die nicht aus der Modebranche kommt, nicht unbedingt etwas anfangen kann.
Wichtig ist es hierbei für uns, dass weder ein Offline-Vertrieb noch ein purer Online-Markenaufbau und Vertrieb dominieren. Front Row Society ist genau deshalb stark, weil wir beide Bereiche verbinden und integrieren.
Seedmatch: Ihr habt ja auch mehrere Business Angels, die als Gesellschafter bei euch dabei sind. Was meinen die zur aktuellen Crowdfundingrunde?
Florian Ellsäßer: Unsere Business Angels sind wie wir voll vom Crowdfunding überzeugt. Dabei finden wir, dass es ideal ist, den richtigen Mix an Investoren zu haben.
Wir wollen bei unseren Angels auf drei bis vier Kern-Investoren setzen. Diese haben alle viele Jahre Erfahrung im Modebereich und bringen so Expertise mit an Bord. Unsere Angels verbringen durchschnittlich zwei Tage im Monat mit uns. Bei den Business Angels ist es aber auch wichtig, flexibel und entscheidungsfähig zu bleiben, weshalb es sich um einen kleinen und engen Kreis handelt.
Beim Crowdfunding hingegen haben wir eine Struktur mit vielen Investoren, die kleinere Summen investiert haben. Das hilft unserem Bekanntheitsgrad und wir bekommen viele hilfreiche Kommentare aus ganz unterschiedlichen Bereichen, wie z. B. für unsere IT oder Website. Auf der anderen Seite kann man natürlich nicht erwarten, dass Crowdinvestoren jeden Monat zwei Tage mit uns verbringen, was ja zeitlich auch nicht möglich wäre.
Unsere Angels sehen es bei der Kombination der Investoren genau so. Sowohl Angels als auch die Crowdinvestoren helfen Front Row Society auf unterschiedliche Art und Weise, weshalb die Kombination aus beiden für Front Row Society besonders effektiv ist.
Seedmatch: Wie läuft es sonst so bei Front Row Society? Gibt es Neuigkeiten? Habt ihr gute Zahlen zu vermelden?
Florian Ellsäßer: Die Vorbestellungen für den Herbst / Winter 2014 laufen sehr gut. Mittlerweile haben wir über 70% des Gesamtjahresumsatz für 2014 durch Vorbestellungen abgedeckt. Hierbei haben wir auch einige hervorragende neue Kunden hinzugewinnen können. Ganz besonders freuen wir uns, dass wir mit Einwaller in Innsbruck und Steffel in Wien zwei der wichtigsten Kunden in Österreich mit hinzugewinnen konnten. Wir sind auch stolz darauf, dass Vogue Spanien gleich neun unserer Tücher als aktuellen Trend ausgewählt hat. Wir sind zwar relativ häufig in den Medien präsent, eine Nennung von so vielen Tücher in der Vogue sehen wir aber dann doch als Auszeichnung an.
6. Juli 2016
Finde Ihren Artikel und vor allem die Grafik sehr interessant. Befinde mich momentan selbst in einer Recherche zur Vertriebssegmentierung deutscher Textilhersteller.
Ich würtde mich außerordentlich freuen, wenn Sie mir die genauen Quellen/Suchwörter geben würden, mit denen Sie die Grafik „Anteile der Online-Umsätze am…“ erstellt haben.
Freundliche Grüße