Die moderne medizinische Forschung ist ohne die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) undenkbar: Sie ist ein Standardverfahren, um z. B. Infektionskrankheiten festzustellen, verdorbene Lebensmittel zu analysieren oder genetische Fingerabdrücke zu erstellen. OakLabs bringt diese täglich tausendfach durchgeführte Laboranalysen nun ins digitale Zeitalter: Mittels Grafikkarten und einer Software aus der Quantenphysik kann die benötigte Zusammensetzung der PCR simuliert werden. Das spart nicht nur Geld, sondern vor allem Zeit – mitunter vergehen Montate, bis die korrekte PCR durch zeitaufwendige Labortests gefunden ist. Dr. Martina Schad, CEO von OakLabs, erklärt im Interview das Verfahren und was ihr Team mitbringt, um den milliardenschweren PCR-Markt zu erobern.
Seedmatch: Hallo Martina, Du bist Biochemikerin. Daher kurz die Frage vorab: Wann hast Du zuletzt eine klassische Analyse im Labor gemacht und was hat Dich möglicherweise daran frustriert?
Martina Schad: Während unsere Mitarbeiter täglich verschiedene Analysen mit den Proben unserer Kunden durchführen, habe ich zuletzt Anfang 2012 zum letzten Mal im Labor gearbeitet. Wir wollten damals noch ein Verfahren für unsere Patentanmeldung optimieren. Dabei ging es damals um die Optimierung einer PCR, die über lange Zeit zu keinem Ergebnis führte.
Seedmatch: Kernthema der Geschäftsidee von OakLabs ist die Analysemethode PCR. Erkläre uns doch kurz, was es damit auf sich hat.
Martina Schad: Mit Hilfe einer PCR oder Polymerase-Kettenreaktion wird ein Abschnitt des Erbguts (DNA) milliardenfach vervielfältigt und damit für Analysen sichtbar gemacht. Beispiele für den Einsatz von PCR sehen wir unbewusst ständig in den Medien. Wenn beispielsweise Menschen mit Verdacht auf Ebola in Krankenhäuser eingeliefert werden, kommt ein Schnelltest zum Einsatz, der den Erreger zuverlässig nachweisen kann. Dieser Test basiert auf PCR. Gleiches gilt für die Nachweise von gesundheitsschädlichen Erregern in Lebensmitteln oder Spuren von Pferdefleisch in Lasagne.
Es gibt unwahrscheinlich viele Anwendungen für die PCR, neben den schon genannten, kommt das Verfahren auch bei der Erstellung genetischer Fingerabdrücke oder Abstammungsgutachten zum Einsatz. Aber auch in der medizinischen und biologischen Forschung, ist PCR elementar um beispielsweise die Funktion von Genen zu charakterisieren, davon gibt es ja allein beim Menschen über 20.000.
Seedmatch: Wie kommt man auf die Idee, die richtige Zusammensetzung der PCR per Simulation zu definieren? Wann ist euch klar geworden, dass es dafür einen Bedarf gibt?
Martina Schad: Im Rahmen einiger Projekte haben wir länger als uns lieb war mit der Optimierung von PCRs im Labor zugebracht. Für Jim, den Theoretiker, waren diese langwierigen „trial and error“-Phasen im Labor kaum auszuhalten, obwohl ich normalerweise die Ungeduldige bin. Jim verstand nicht, warum man dieses Problem nicht vorab simuliert, schließlich hatte er während seiner Doktorarbeit in der Quantenphysik mit geeigneten Algorithmen zu tun. Ich verstand zunächst nicht, wie man ohne Laborarbeit zur perfekten PCR gelangen konnte, schließlich macht fast jeder Biologe spätestens bei seiner Diplomarbeit, mitunter frustrierende PCR Entwicklungen durch.
Für mich war, nachdem mich Jim schließlich von der Machbarkeit überzeugt hatte, sofort klar, dass der Bedarf nach einer laborfreien Lösung gewaltig ist. Wir haben das aber dennoch in einer Umfrage unter PCR-Anwendern bestätigt und auch unsere Kunden befragt. Danach hatte sich mein Bauchgefühl für Jim als Fakt gefestigt.
Seedmatch: Wie viel schneller ist die Simulation, im Vergleich?
Martina Schad: Die Entwicklung neuer PCRs kann Wochen, mitunter einige Monate dauern. Die optimale Zusammenstellung unseres Produkts, des SimPCR Kit, berechnen wir innerhalb von 24 Stunden.
Seedmatch: Was würde die Simulation an Kosten einsparen?
Martina Schad: Die Kosten von Laborentwicklungen variieren je nach Zeit- und Materialeinsatz. Manche gelingen schon nach kurzer Zeit, andere ziehen sich über Wochen. Auch hier haben wir Menschen befragt, die täglich mit PCR zu tun haben. Der geringste Preis, der uns genannt wurde waren 300 Euro. Die meisten schätzen die Kosten auf etwa 1.000 Euro pro Entwicklung. Einige verbringen mehr als ein Jahr mit zwei bis drei Angestellten um eine PCR für den Routinetest zu entwickeln. Unsere Umfrage hat vor allem eines gezeigt: Häufig sind für unsere Kunden gar nicht die Kosten das Problem, sondern wertvolle Zeit, die ihnen verloren geht. Denn die PCR ist ein so grundlegendes Verfahren, dass sie meist am Beginn einer Fragestellung steht, so dass alle weiteren Entscheidungen vom Gelingen der PCR abhängen.
Seedmatch: Was bedeutet Software aus der Quantenphysik? Was macht sie so besonders?
Martina Schad: In der Quantenphysik werden schon seit einigen Jahrzehnten Quantenteilchen simuliert. Obwohl in Forschungseinrichtungen dazu ganze Rechenzentren zur Verfügung stehen, dauern diese häufig bis zu zwei Jahren. Physiker haben daher schon sehr früh Algorithmen entwickelt, die viele mathematische Optimierungen enthalten und die Raffinesse moderner Computersysteme nutzen. Diese mathematischen Konzepte und bestehenden Optimierungen für bestimmte Hardwaresysteme nutzen wir für unsere PCR-Simulation.
Seedmatch: Wie seid ihr auf die Idee gekommen, Grafikkarten für die Simulation zu verwenden?
Martina Schad: Wir haben in unseren beiden anderen Geschäftsbereichen (Biocomputing und Genexpressionsanalyse) bereits gute Erfahrungen mit dem Einsatz von Grafikkarten gemacht, wenn es darum geht, die Rechenzeit zu verkürzen. Für die Simulation sind Grafikkarten der einzig mögliche Weg, denn Cloud-Computing wäre zu teuer und normale PCs würden einige Monate für die Berechnung benötigen. Grafikkarten aus der Computerspieleindustrie bieten für uns und unsere Kunden zwei entscheidende Vorteile. Sie verfügen über eine extrem hohe Rechenleistung, da sie dafür ausgelegt sind, 3D-Grafiken wie echt aussehen zu lassen und diese vielen Rechenkerne können Simulationen sehr schnell laufen lassen. So erhalten wir nach 24 Stunden das optimale Ergebnis. Der zweite Vorteil ist, dass die Grafikkarten dank der hohen Nachfrage aus der Computerspielgemeinde zuverlässig weiterentwickelt werden, ohne dabei in den Anschaffungskosten zu steigen.
Seedmatch: Parallel dazu wollt ihr außerdem eine Plattform zum Austausch anbieten. Was hat es damit auf sich?
Martina Schad: PCRdrive ist das erste Onlineportal seiner Art, auf dem sich Anwender weltweit kostenlos anmelden können. Uns geht es dabei in erster Linie darum, der Community eine Anlaufstelle zu bieten, an der sie sich austauschen kann. Zusätzlich werden wir PCRdrive ab 2015 mit weiteren Features ausstatten und strategisch weiter ausbauen. Wir werden eine Bestellmöglichkeit für das SimPCR Kit, ebenso wie ein Tool mit dem Anbieter von Reagenzien verglichen werden können, einbauen. Außerdem wird es die Möglichkeit geben, Reagenzien direkt online zu bestellen. Damit wird PCRdrive auch für Hersteller, die den PCR-Markt bedienen als Werbeplattform und Verkaufskanal interessant, was uns zusätzliche Einnahmen ermöglicht.
Das Angebot für den PCR-Markt ist riesig, es beinhaltet zahlreiche PCR-spezifische Reagenzien und Kits, aber auch Verbrauchsmaterialien, Reaktionsgefäße, Handschuhe und Pipettenspitzen. Der Vorteil für unsere Partner ist dabei, dass diese sich mit dem SimPCR Kit ergänzen und keine Konkurrenz darstellen. Schließlich muss die PCR ja vom Anwender im eigenen Labor durchgeführt werden.
Seedmatch: Bewegen sich auch Wettbewerber im Markt? Was habt ihr diesen Wettbewerbern voraus?
Martina Schad: Nach unserer Recherche gibt es vier Anbieter von PCR Kits, die von den Herstellern im Labor validiert wurden und für den PCR-Anwender sofort funktionieren sollten. Es gibt allerdings wesentliche Einschränkungen, z.B. sind diese nur für wenige Spezies verfügbar und nur für eine bestimmte Region mit definierter Länge innerhalb eines Gens. Für unser SimPCR Kit simulieren wir die Reaktion nach Beauftragung individuell, d.h. es gibt keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der Größe und der Region des zu vervielfältigenden Bereichs und der Spezies.
Seedmatch: Wo siehst Du a) die größte Herausforderung und wie werdet ihr diese angehen und b) euer größtes Potential?
Martina Schad: Aus unseren etablierten Geschäftsbereichen haben wir gelernt, dass Vertrieb erfolgsentscheidend ist und dass man früh damit beginnen muss. Der Vertrieb ist auch beim SimPCR Kit eine gewaltige Herausforderung. Genau deshalb gehen wir mit PCRdrive schon nächsten Monat an den Start und akquirieren PCRdrive-Nutzer als potentielle Kunden für das SimPCR Kit, welches wir erst ein Jahr später auf den Markt bringen werden.
Zum einen eröffnen wir uns und unseren Investoren mit unserem neuen Projekt einen attraktiven Wachstumsmarkt – aktuell hat der globale PCR-Markt ein Volumen von über 22 Milliarden Euro. Mit PCRdrive wollen wir bis 2018 Zugang zu zwei Prozent der PCR Anwender haben.
Zum anderen schätzen wir die Möglichkeit eigene Wege zu gehen, sowohl bei unseren eigenen Entwicklungen als auch bei der Entwicklung von spezifischen Lösungen für unsere Kunden. Dadurch konnten wir in der Vergangenheit wichtige Alleinstellungsmerkmale ausbauen und können heute auf wiederkehrende Stammkunden zählen. Crowdfunding bietet uns die perfekte Basis, um weiterhin gemeinsam mit unseren Kunden und Partnern erfolgreich zu sein. Da unsere etablierten Geschäftsbereiche sich bereits selbst tragen, sind wir in der Lage, alle Investitionen komplett in Ausbau und Entwicklung von SimPCR Kit und PCRdrive zu stecken.
Seedmatch: Worin liegt die Stärke eures Teams?
Martina Schad: Seit der Gründung von OakLabs 2011, ist es uns gelungen, ein leistungsstarkes Team aufzubauen, das erfolgreich unsere etablierten Geschäftsbereiche betreut und bereits heute wesentliche Meilensteine bei der Entwicklung von PCRdrive und SimPCR Kit erreicht hat. Bei OakLabs arbeiten unter anderem ein Quantenfeldtheoretiker, BiologInnen und eine Kauffrau.
Jim und ich decken durch unsere Ausbildung und Vorerfahrungen beinahe den kompletten Bereich der Life Sciences ab. Diese interdisziplinäre Ausrichtung hat sich schon in unseren anderen Geschäftsbereichen als Vorteil erwiesen und zeigt sich beim aktuellen Projekt noch deutlicher: Die Innovation SimPCR Kit wäre ohne die Schnittstelle von Biochemie und Quantenphysik gar nicht denkbar gewesen.
Seedmatch: Was soll mit dem eingesammelten Geld passieren?
Martina Schad: Abhängig von der Fundingsumme stehen für uns die folgenden Punkte im Vordergrund:
- Wir setzen auf die Gewinnung von PCRdrive-Nutzern und -Partnern und erweitern das Portal sukzessive um attraktive Features.
- Wir setzen die Entwicklung der Simulation fort, sodass wir die Entwicklung des SimPCR Kits plangerecht abschließen können.
- Wir wollen PCRdrive an verschiedene Bestellsysteme sowohl auf Hersteller- als auch auf Kundenseite anbinden, sodass PCRdrive noch attraktiver sowohl für Anwender als auch für unsere Partner wird.
Seedmatch: Danke für das Interview Martina. Wir wünschen Euch viel Erfolg und einen tollen Start am Donnerstag.
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