Es ist wieder Sommer in Deutschland – und wie bereits im Vorjahr klettert das Thermometer vielerorts auf Rekordwerte, während vor allem im Norden und Osten der Bundesrepublik zu wenig Regen fällt und die große Trockenheit der Landwirtschaft schwer zu schaffen macht. Doch nicht nur den Bauern treibt das Wetter Sorgenfalten auf die Stirn. Auch viele Bürger fragen sich: Ist das noch sommerliche Hitze – oder sind es schon die deutlich spürbaren Auswirkungen des Klimawandels? Die Wissenschaft plädiert klar für Letzteres: Forschern zufolge waren von April 2018 bis April 2019 dreizehn aufeinanderfolgende, zu warme Monate zu verzeichnen – und auch ein vergleichsweise kühler Monat wie der Mai dieses Jahres ist kein Zeichen für eine Verlangsamung oder gar Umkehr des Klimawandels. Aus einzelnen Gemeinden in Deutschland gibt es bereits alarmierende Nachrichten zur Wasserversorgung: In Teilen Nordrhein-Westfalens und Niedersachsens wird das Trinkwasser knapp, so dass die Bürger aufgerufen sind, Wasser zu sparen, oder gar für mehrere Stunden am Tag kein kühles Nass mehr aus den Hähnen kommt. Und auch die Politik gerät unter Zugzwang: So wurde in Frankreich kürzlich angesichts von Rekordtemperaturen von über 45 Grad der Klimanotstand ausgerufen. Das bedeutet, dass die Regierung ihr Handeln daraufhin prüft, welche Auswirkungen auf das Klima zu erwarten sind und Gesetze fortan an diesem Kriterium ausrichtet.
Sorge um den Klimawandel: Verbraucher hinterfragen ihre Kaufentscheidungen
Immer mehr Menschen zeigen ihre Besorgnis in Hinblick auf den Klimawandel nicht nur durch die Teilnahme an den wöchentlichen Fridays-for-Future-Demonstrationen, sondern auch durch das Hinterfragen ihres eigenen Konsumverhaltens – zurecht, denn Ernährung und Mobilität sind die größten Treiber des Klimawandels, die Verbraucher direkt beeinflussen können. In der Konsequenz achten einer Untersuchung der Lebensmittelzeitung aus dem Jahr 2018 zufolge 83 Prozent der Deutschen bereits auf eine gesunde und nachhaltige Ernährung und 79 Prozent geben an, dass ihnen das Thema Nachhaltigkeit in ihrem Leben generell wichtig ist. Und nicht nur die Produkte an sich, sondern auch ihre Verpackung gerät immer stärker in den Fokus: Umfragen zufolge versuchen drei Viertel der Supermarktkunden, Produkte mit so wenig Verpackung wie möglich zu kaufen. Fast jeder Dritte würde sogar auf ein Produkt verzichten, weil es in unnötigem Umfang oder nicht nachhaltig verpackt ist. Gleichzeitig spielt auch das Image der Marken, von denen Verbraucher Produkte kaufen, eine immer größere Rolle. 70 Prozent aller Konsumenten in Deutschland finden es wichtig, dass ein Unternehmen nachhaltig agiert, und machen ihre Kaufentscheidungen – zumindest in einigen Lebensbereichen – davon abhängig.
Von diesem sich wandelnden Verbraucherverhalten profitieren Unternehmen, die sowohl in Hinblick auf die Herstellung und Verpackung ihrer Produkte als auch in der generellen Unternehmenspolitik einen nachhaltigen Ansatz verfolgen. Zum Teil erfahren sie sogar regelrechte Hypes wie etwa kürzlich um die veganen Burger-Patties von Beyond Meat, die in Geschmack und Konsistenz kaum vom Äquivalent aus Fleisch unterscheidbar sein sollen und beim Discounter Lidl innerhalb kürzester Zeit vergriffen waren. Und auch Produkte wie die gesunde Pasta aus Bio-Bohnen von Edamama oder die nachhaltig produzierten und verpackten Bio-Suppen der Tress Küchenbrüder stießen nicht nur im Crowdfunding auf große Resonanz, sondern erfreuen sich eines wachsenden Kundenstamms. Gute Nachrichten gibt es jedoch nicht nur für all jene, die sich gesund und nachhaltig ernähren wollen, sondern auch für jene, die nicht auf ihren geliebten Coffee-to-go verzichten möchten: Das Pfandsystem für Kaffeebecher Recup etabliert sich in immer mehr Regionen, darunter auch flächendeckend in großen Städten wie z. B. Stuttgart, und wird bereits bei McDonald’s getestet.
Der schmale Grat zwischen mehr Nachhaltigkeit und Greenwashing
Nicht nur der Fast-Food-Gigant, sondern auch andere konventionelle Unternehmen gehen in letzter Zeit kleinere und größere Schritte auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit. So haben etwa die großen Supermarktketten auf Papier- anstelle von Plastiktüten umgestellt und wer dünne Plastiktüten für Obst und Gemüse haben möchte, muss dafür bei Aldi künftig einen Cent pro Tüte bezahlen. Und auch in der Kosmetik- und Modeindustrie tut sich etwas: Balea, die Kosmetik-Eigenmarke der Drogeriekette dm, ändert derzeit die Rezepturen von 80 Produkten, um darin soweit wie möglich auf flüssiges Mikroplastik und andere synthetische Polymere zu verzichten; und der Modekonzern H&M brachte kürzlich bereits zum achten Mal eine „Conscious Collection“ mit Kleidung aus nachhaltig produzierten Materialien in seine Filialen.
Doch die großen Player haben vermehrt ein Image-Problem: Ihr Bemühen um Nachhaltigkeit wirkt auf Verbraucher weniger glaubwürdig, sondern lässt den Verdacht des Greenwashings – d. h. des Vorgebens eines möglichst umweltfreundlichen Images ohne hinreichende Grundlage dafür – aus rein wirtschaftlichen Gründen entstehen. So sind etwa die Materialien, aus denen die „Conscious Collection“ von H&M hergestellt ist, nachhaltig produziert – die Arbeitsbedingungen der Menschen, die die Mode machen, sind jedoch alles andere als fair. Zudem verbrennt der Konzern auch weiterhin neue Kleidungsstücke und fördert durch schnelle Kollektionswechsel die Wegwerf-Mentalität. Es steht zu vermuten, dass sich immer mehr Verbraucher künftig nicht mehr von guten Taten in einem einzelnen Bereich beeindrucken lassen, sondern ganzheitlich nachhaltiges Handeln von Unternehmen einfordern. Gut für all jene, die diesen Ansatz von Anfang an verfolgen und dadurch in Hinblick auf Glaubwürdigkeit und Image den etablierten Konzernen weit voraus sein dürften …