Haben Sie das Wort “Piwi” schon einmal gehört? Man könnte an eine seltene Frucht oder Vogelart denken – tatsächlich hat es aber etwas mit Wein zu tun. Piwis sind regelrechte Helden des Weinanbaus, denn sie beschützen die Rebsorten und ermöglichen einen nachhaltigeren Anbau. Gut für uns, denn wir Deutschen trinken pro Kopf im Jahr durchschnittlich 20 Liter Wein. Damit zählt Wein zu den beliebtesten alkoholischen Getränken in Deutschland. Kein Wunder – so überzeugt Wein nicht nur im Geschmack, sondern lässt auch den ein oder anderen dieser Tage an sonnige Urlaubsmomente oder an schöne Erinnerungen mit Freunden und Familie zurückdenken. Dabei sind vor allem deutsche Weine, mit einem Marktanteil von 45 Prozent, besonders beliebt. Ansgar und Katja Galler betreiben ein deutsches Weingut mit einer Rebfläche von 11 Hektar. Das Weingut Galler befindet sich in Kirchheim an der Weinstraße und damit im zweitgrößten Weinanbaugebiet Deutschlands: der Pfalz. Wir haben mit dem Winzerpaar darüber gesprochen, was ihr Weingut besonders macht, warum sie ihren Wein als “Slow Wine” bezeichnen und was es mit Piwis genau auf sich hat.
Econeers: Hallo Ansgar, hallo Katja und herzlich willkommen zum Interview. Ansgar, du bist der Überzeugung, dass wir Menschen im Leben nur eine Nebenrolle spielen und wir der Natur ihren freien Lauf lassen sollten. Wie beeinflusst diese Einstellung dein Leben und deinen Beruf?
Ansgar Galler: Früher habe ich meine Entscheidungen kopfgesteuert getroffen. Heute lasse ich mich von der Natur leiten – schneide und pflanze beispielsweise die Reben nach Mondphasen und entscheide mehr aus dem Bauch.
Econeers: Du bist Inhaber und Kellermeister vom Weingut Galler im Leininger Land. Euer Weingut zeichnet aus, dass die Mehrheit euer Rebsorten Piwis sind. Kannst du unseren Leserinnen und Lesern erklären, was es damit auf sich hat?
Ansgar Galler: Durch die Monokultur in den Weinanbaugebieten haben sich zwei sehr schädliche Pilze für die Reben manifestiert: der sogenannte “echte” und “falsche Mehltau”. Vor diesen Pilzen müssen wir die Reben präventiv schützen, sonst haben wir keinen Ertrag. Piwis – pilzwiderstandsfähige Rebsorten – haben einen Abwehrmechanismus entwickelt, sodass wir die Pflanzenschutzmaßnahmen um 80 Prozent senken können.
Econeers: Seit 2012 pflanzt ihr ausschließlich pilzwiderstandsfähige Rebsorten an. Wieso habt ihr euch für diesen Schritt entschieden?
Ansgar Galler: Der echte und falsche Mehltau machen (gerade den Bio-) Winzern bzw. deren Reben zunehmend das Leben schwer. Klassische Rebsorten müssen je nach Vegetation bis zu 15 Mal präventiv behandelt werden. So war es für uns nur logisch, Reben anzupflanzen, die von sich aus robuster sind und wir die Arbeitszeiten sowie den Wasser- und Dieselverbrauch drastisch reduzieren können.
Katja Galler: Mit dem Anpflanzen der Reben müssen wir immer 30 Jahre in die Zukunft denken. So finden wir, ist es mit dem Wissen von heute unverantwortlich Reben zu pflanzen, die heute schon auf enormen Pflanzenschutz angewiesen sind.
Econeers: Der nachhaltige Anbau macht es also möglich, dass ihr den Pflanzenschutz auf ein Minimum reduzieren könnt. Wie wirkt sich das auf die Ökobilanz eurer Weine aus?
Ansgar Galler: Der Pflanzenschutz ist die Maßnahme, die am meisten CO2 freisetzt. Die drastische Reduzierung des Pflanzenschutzes hilft uns in unserer Ökobilanz enorm.
Econeers: Und welchen Einfluss hat das auf den Geschmack?
Ansgar Galler: Die neue Reben bringen neue Geschmackserlebnisse hervor. So können wir sagen, dass unsere FEODORA einem Sauvignon blanc ähnelt, aber Sauvignac (FEODORA) ist eine eigenständige Rebsorte. Ihr nachhaltiger Ausbau im Keller bringt tiefgründige, vollmundige Weine hervor.
Econeers: Heinrich, Feodora und Kunigunde – das sind nicht etwa die Namen eurer Kinder, sondern die eurer Weine. Wofür stehen diese Namen?
Katja Galler: Als wir anfingen die neuen ressourcenschonenden Reben zu pflanzen, hatten noch nicht alle Reben Namen, sondern bloß Zuchtnummern oder unbekannte Namen. Da in unserer Region die Leininger Landgrafen herrschten, haben wir Namen aus der Genealogie als Namensgeber für unsere Weine ausgewählt.
Econeers: Seit 2016 seid ihr Bioland-Mitglied und habt mit eurer Naturwein-Serie bereits drei Mal Gold beim internationalen Bioweinpreis abgeräumt – Chapeau! Zudem seid ihr Unterstützer der Slow-Food-Bewegung. Was gefällt euch so gut an dem Slow-Food-Prinzip?
Ansgar Galler: Mit der Umstellung auf Bio in 2015 haben wir auch den Ausbau der Weine im Keller umgestellt – traditionell, ohne Zusätze, mit langem Hefelager. Die Entschleunigung in unserem Tun macht sich deutlich im Geschmack und der Lagerfähigkeit unserer Weine bemerkbar. So passt “Slow Food” oder besser “Slow Wine” perfekt zu uns.
Econeers: Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit für euch abseits der Weinhänge?
Katja Galler: Geboren auf einem ökologischen, landwirtschaftlichen Betrieb spielte Nachhaltigkeit bei uns von klein auf eine große Rolle. Wir gestalten unser gesamtes Leben nachhaltig.
Econeers: Nicht nur durch die Corona-Pandemie ist Nachhaltigkeit wieder mehr in den Fokus gerückt. Wie ist es euch ergangen und wie sehen eure Zukunftspläne aus?
Ansgar Galler: Ja, das können wir auch so unterschreiben. Unsere Kunden schätzen sehr den An- und Ausbau unserer Reben und Weine. In Zukunft pflanzen wir als erstes weiterhin diese neuen Rebsorten, bis wir in 15 Jahren 100 Prozent Piwis im Anbau haben. Außerdem würden wir gern ein CO2-neutrales Weingut neu bauen, um mit unserem Tun noch mehr Nachhaltigkeit zu ermöglichen.
Econeers: Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Wie habt ihr die Weihnachtsfeiertage und den Start ins neue Jahr verbracht – Welcher eurer Bio-Weine war der perfekte Begleiter für die Festtage?
Katja Galler: Wir genossen zu den Festtagen die Kunigunde zum Reh und zum Anstoßen unseren FEODORA Sekt mit 36 Monaten Hefelager an Silvester.
Econeers: Lieber Ansgar, liebe Katja, vielen Dank für das spannende Interview! Wir wünschen euch weiterhin alles Gute und ein erfolgreiches Jahr 2021!