Sauberkasten: „Das alles bringt uns unserem großen Ziel, immer mehr Menschen für einen nachhaltigen Lebensstil zu begeistern, näher.”

In den letzten Wochen häuften sich in den Medien Bilder von Menschen, deren Einkaufskörbe prall gefüllt sind mit Toilettenpapier, Nudeln oder Mehl. Diese sogenannten “Hamsterkäufe” führten stellenweise zu leeren Regalen – wenngleich auch nur temporär. Sie waren eine Reaktion auf die Ausbreitung des neuartigen Virus SARS-CoV-2, das nach wie vor die Welt in Atem hält. Diese Szenen verdeutlichten auch unsere Abhängigkeit von Industrie und Handel, denn wir konnten nichts anderes tun, als abzuwarten, bis neue Produkte nachgeliefert wurden. Das muss allerdings nicht immer so sein – sagen die Gründerinnen des Leipziger Startups sauberkasten.com. Sie haben ein Produkt entwickelt, das man ganz einfach selbst zuhause herstellen kann. Wie das geht und um welches Produkt es sich handelt, hat uns Gründerin Henriette Grewling im Interview verraten. Gemeinsam mit Jeanette Schmidt bildet sie die Führungsspitze des Unternehmens und beschäftigt sich seit 2016 mit den Themen Nachhaltigkeit und Sauberkeit.

Econeers: Hallo und herzlich willkommen zum Interview, liebe Henriette. In der heutigen Zeit wird es immer selbstverständlicher, sich im Alltag mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Nur stellt sich häufig die Frage, wo man denn am besten anfängt. Bei dir ist die Wahl auf Wasch- und Reinigungsmittel gefallen – wie kam es dazu?

Henriette Grewling: Im Alltag haben ich und auch Jeanette uns in Sachen Nachhaltigkeit eigentlich zuerst mit Themen wie Ernährung und Körperpflege auseinandergesetzt. Das sind Themen, mit denen man sich sowieso gerne beschäftigt, weil sie auch mit Genuss verbunden sind. Dazu gab es eben auch schon viele nachhaltige Alternativangebote. Irgendwann ist Jeanette aber aufgefallen, dass es beim unliebsamen Thema “Putzen” noch Nachholbedarf gab und sie hat begonnen, altbewährte Hausmittel wie Natron und Essig auszuprobieren. Es hat sich herausgestellt, dass sie einwandfrei sauber machen und es sogar Spaß macht, sich die eigenen Reiniger zu mischen. So sind wir zu diesem Thema gekommen und haben uns zum Ziel gesetzt, es weniger unliebsam zu machen.

Econeers: Wenn ich mir gewöhnliche Reinigungsmittel anschaue, steigt mir sofort ein chemischer Geruch in die Nase. Da liegt bereits die Vermutung nahe, dass das nicht gut für uns oder unsere Umwelt sein kann. Was denkst du, warum trotzdem die wenigsten ihre Putzmittel und deren Inhaltsstoffe hinterfragen?

Henriette Grewling: Viele Leute denken sicher nicht so intensiv über ihre Putzmittel nach, weil sie froh sind, wenn das Putzen an sich schnell erledigt ist. Einem wenig ausgeprägten Umweltbewusstsein können dann noch Werbeversprechen und ansprechende Verpackungen gegenüberstehen, die zum Kauf bewegen. Im Allgemeinen gewinne ich aber schon den Eindruck, dass das Bewusstsein der Menschen für die Inhaltsstoffe ihrer Putzmittel sehr zunimmt, auch wenn es sich noch nicht bei allen auf ihr tatsächliches Putzverhalten auswirkt. 😀

Econeers:
Ihr wollt das ändern, denn eure Vision ist es, dass unnütze Stoffe aus dem Haushalte verbannt werden – und zwar dank des Sauberkastens. Was können wir uns denn darunter vorstellen und was beinhaltet er?

Henriette Grewling: Der Sauberkasten ist ein Do-it-yourself-Set, mit dem man seine Reiniger für den ganzen Haushalt selbst mischen kann. Auch ein Waschmittel kann man herstellen. Alles basiert auf den biologisch abbaubaren Zutaten Natron, Soda, Zitronensäure, Essig, Kernseife und ätherischen Ölen. Aus den insgesamt sechs Hausmitteln entstehen zehn verschiedenen Reiniger. Alle Rezepte, Zutaten und auch nützliche Hilfsmittel sind im Sauberkasten enthalten, sodass man sofort loslegen kann. Vorwissen braucht man nicht. Aber man lernt sehr viel dazu und weiß ab sofort immer, welche Inhaltsstoffe in den Reinigern stecken – man hat sie schließlich selbst gemischt.

Econeers: Erinnert an einen Chemiebaukasten, nur eben ohne Chemie – toll! Hattest du Hilfe beim Zusammenstellen oder wie kam es zu genau den Produkten und Rezepten?

Henriette Grewling: Wir haben zunächst diverse Rezepte aus der Literatur und dem Internet recherchiert und getestet. Manches hat gut funktioniert, manches nicht so. Nach und nach sind daraus unsere eigenen Rezepte entstanden, die auf unseren zwei Maßeinheiten Messlöffel und Messtasse basieren. Diese sind im Sauberkasten enthalten und ersetzen umständliches Abwiegen und -messen. Beim Entwickeln der Rezepte hat uns eine Biochemikerin geholfen.

Econeers: Welches hat sich denn als das Hausmittel schlechthin herausgestellt?

Henriette Grewling: Das ist eindeutig Natron. Es ist enorm vielseitig. Es entfernt nicht nur hartnäckig verkrusteten Dreck, sondern auch Gerüche, kann zum Wäschewaschen, Kochen und Backen und für die Körperpflege, z. B. für Deo, Peeling oder Haarwäsche, genutzt werden. Allerdings ist Essig auch nicht von schlechten Eltern und fast genauso vielseitig.

Econeers: Den Kasten bietet ihr über euren Online-Shop zum Verkauf an. Dabei unterscheidet ihr in Sauberkasten Basis, Klassik und Premium. Worin liegt der Unterschied und was gibt es noch alles bei euch zu kaufen?

Henriette Grewling: Den Sauberkasten gibt es in drei Varianten. Der Sauberkasten Basis enthält die Rezeptkarte, alle Zutaten sowie Etiketten für die fertigen Reiniger, Messlöffel und -kännchen. Mit dem Klassik bekommt man das alles im praktischen Holzkasten zum Aufbewahren. Beim Sauberkasten Premium gibt es noch weiteres Zubehör dazu: Flaschenaufsätze zum Sprühen und Pumpen für das sparsame Dosieren der Reiniger, einen nachhaltigen Putzschwamm, einen Trichter und Gummihandschuhe aus Naturkautschuk.

Das ganze Zubehör bekommt man natürlich auch einzeln – ganz nach Bedarf. Auch alle Zutaten kann man in großen Tüten bei uns nachordern. Außer den Sauberkästen gibt es noch ein reines Rezept-Set, falls man die Zutaten schon zu Hause hat, DIY-Sets nur für Waschmittel und ein Do-it-yourself-Deo. Mehr ist in Planung!

Econeers: Was ist euer Verkaufsschlager?

Henriette Grewling: Bei den Sets ist der Sauberkasten Basis sehr beliebt. Die einzelnen Hausmittel werden aber auch viel bestellt.

Econeers: Als Kunde von sauberkasten.com muss man sich also um nichts kümmern. Man bekommt alle Produkte genau in der richtigen Menge bis vor die Haustür geliefert und obendrein spart man sich die Recherche für das Herstellen der Reiniger, denn die Anleitung liefert ihr gleich mit. Doch du gibst auch Workshops, in denen du zeigst, wie man ökologische Reiniger selber machen kann – wird dieses Angebot gut angenommen?

Henriette Grewling: Ja, in der Tat. Wir erhalten so viele Workshop-Anfragen, dass wir gar nicht hinterher kommen. Und sie kommen wirklich gut an. In den Workshops tauschen wir gemeinsam mit den TeilnehmerInnen Wissen über nachhaltige Hausmittel aus und mischen dann Reiniger, was das Zeug hält. Beim Abschied freuen sich immer alle wie die Honigkuchenpferde über ihre selbstgemachten Mittel und sind überrascht, wie schnell und einfach alles ging.

Econeers: Der Startup-Monitor 2019 berichtete, dass die Zahl der Gründerinnen im Vergleich zum Vorjahr um 0,6 Prozentpunkte auf 15,7 Prozent gestiegen ist. Du bist eine von ihnen. Was denkst du, warum der Anteil an Gründerinnen immer noch relativ niedrig ist im Vergleich zu den männlichen Kollegen, die 2019 84,3 Prozent aller Gründer ausmachten?

Henriette Grewling: Ich denke, da kommen viele Gründe zusammen, deren Wurzeln oftmals in unserer Sozialisation liegen. Zum Beispiel sind Risikobereitschaft, der Glaube an die eigenen Fähigkeiten und Durchsetzungsvermögen Eigenschaften, die man als GründerIn mitbringen sollte. Traditionell können eher Jungen als Mädchen diese Eigenschaften entwickeln, während sie aufwachsen – allein schon durch die unbewusste Erwartungshaltung der Erwachsenen (Lausbub vs. Püppi). Außerdem sind Männer in Führungspositionen immer noch viel stärker vertreten als Frauen, was auch die Jugendlichen wahrnehmen und sie veranlasst, wenn auch unbewusst, ihre sozialen Rollen in der Gesellschaft gemäß den Vorbildern einzunehmen.

Doch all das ist im Wandel! Unsere Gesellschaft hat schon lange begonnen, sich vom alten Rollenmodell der Geschlechterstereotype zu lösen. Wir sind mitten in der Veränderung, und es wird in Zukunft immer mehr Gründerinnen geben. Ich hoffe, dass es irgendwann keine Rolle mehr spielt, welchem Gender man sich zugehörig fühlt.

Econeers: Auch das Thema Crowdfunding ist euch gar nicht so fremd. 2017 habt ihr im Rahmen einer Startnext-Kampagne über 40.000 Euro eingesammelt. Was habt ihr seitdem erreicht?

Henriette Grewling: Seitdem ist unser kleines Unternehmen Schritt für Schritt gewachsen. Wichtige Stationen waren der Beginn unserer hauptberuflichen Arbeit für den Sauberkasten, die Entwicklung weiterer Sets neben dem Sauberkasten, die Verbesserung unserer internen Systeme, die Vergrößerung unserer Reichweite und die Einstellung unserer ersten Mitarbeiter. Das alles bringt uns unserem großen Ziel, immer mehr Menschen für einen nachhaltigen Lebensstil zu begeistern, näher.

Econeers: Wie sehen eure Zukunftspläne aus?

Henriette Grewling: Wir haben einige Pläne zu neuen Do-it-yourself-Sets, die wir gerne umsetzen möchten. Damit verbunden wäre es schön, unser Team schrittweise immer breiter aufzustellen. Wir beschäftigen uns im Allgemeinen viel mit Nachhaltigkeit und sozialem Unternehmertum und möchten diese Aspekte in allen Bereichen unserer Tätigkeit stetig stärken.

Econeers: Neben der Verwendung von ökologischen Wasch- und Reinigungsmitteln: Wie achtest du persönlich noch auf mehr Nachhaltigkeit im Alltag und welche Tipps hast du diesbezüglich für unsere Leserinnen und Leser?

Henriette Grewling: Ein wichtiger Zugewinn war für mich im letzten Jahr das Thema Zero Waste und die Frage “Was brauche ich wirklich?”. Ich hinterfrage seitdem verstärkt mein Konsumverhalten und verzichte oftmals auf Dinge, die ich mir früher gekauft, aber die ich nicht wirklich gebraucht hätte. Und Überraschung – es tut gar nicht weh! Im Gegenteil, ich habe dafür mehr Geld übrig und weniger Krimskrams, den ich aufräumen und pflegen muss. Wenn ich etwas anschaffe, dann sind es Dinge, die lange halten oder einen großen Mehrwert haben. Außerdem achte ich auf eine überwiegend pflanzliche, möglichst regionale Ernährung und bin quasi mit meinem Fahrrad verschmolzen.

Wenn man seinen Alltag nachhaltiger gestalten möchte, ist es meiner Erfahrung nach kontraproduktiv, gleich alles auf einmal umstellen zu wollen. Besser ist, sich zunächst Dinge vorzunehmen, die einem leicht fallen, z. B. einen eigenen Beutel mit zum Einkaufen nehmen, vegane Tage einführen oder öfter das Fahrrad/den Bus nehmen. Ist eine Sache erfolgreich in die eigenen Gewohnheiten übergegangen, kann man sich das nächste vornehmen. Auf diese Weise sind die Veränderungen nachhaltig.

Econeers: Zum Schluss habe ich noch eine persönliche Frage an dich. Hat sich Euer Putzverhalten mit den ökologischen Reinigern zum Selbermachen geändert?

Henriette Grewling: Jeanette und ich waren noch nie die großen Putzteufel. Und sicher gibt es sehr viele Menschen, die einen stringenteren Haushalt führen, als wir beide es tun, aber tatsächlich hält der Wow-Effekt beim Putzen mit den selbstgemachten Reinigern bei uns auch noch nach vier Jahren an. Es ist immer noch total cool, wenn man sieht, wie gut die eigenen Mittel funktionieren und das Zuhause fühlt sich, im Gegensatz zu früher, auf eine gesunde Weise sauber an.

Econeers: Liebe Henriette, vielen Dank für das interessante Interview. Wir wünschen euch weiterhin viel Erfolg!

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