Wer kennt es nicht: Man hat verschlafen, die Zeit ist knapp, das Frühstück muss erst einmal ausfallen – der Coffee-to-go auf dem Weg ins Büro ist nun Rettung und Lichtblick insbesondere für gestresste Großstädter. Arabica-Kaffee, aufgeschäumte Soja-Milch, Macadamia-Sirup, im ganz großen Becher bitte… aaahhh, tut das gut. Doch was für uns ein kleiner Glücksmoment im oftmals hektischen Alltag ist, hat gravierende Auswirkungen für unseren Planeten – denn Tag für Tag kommen so Unmengen an Kaffeebechern zusammen, die bereits nach wenigen Minuten weggeworfen werden. Dass das nicht sein muss, zeigt das Startup RECUP, das ein Pfandsystem für Kaffeebecher in Deutschland aufgebaut hat. Wir sprachen mit Geschäftsführer Florian Pachaly darüber, wie das RECUP-System funktioniert, welche Wünsche das Unternehmen an die Politik hat – und wie jeder von uns ganz einfach ein bisschen mehr Nachhaltigkeit in seinen Alltag integrieren kann.
Econeers: Hallo und herzlich willkommen zum Interview – mach‘ es dir erst mal gemütlich und schnapp‘ dir eine Tasse Kaffee. Du bist doch Kaffee-Junkie, oder?
Flo: Aber klar, Grundnahrungsmittel! 😉
Econeers: Wie dir geht es sehr vielen Deutschen, und unserer hektischen Zeit geschuldet boomt insbesondere der Coffee-to-go. Unvorstellbare 2,8 Milliarden Einwegbecher werden dafür jährlich in Deutschland verwendet und direkt nach dem Gebrauch weggeworfen – das sind 320.000 Becher pro Stunde. Diese Zahlen haben mich ganz schön sprachlos gemacht…
Flo: Zu Recht. Die Sache dabei ist, dass man den eigenen Konsum oft ja gar nicht so bewusst wahrnimmt. Schnell den Coffee-to-go gekauft und danach verschwindet der Becher im Müll. Dass der Becher aber nach seiner kurzen Lebensdauer Spuren hinterlässt, da er nicht wieder recycelt, sondern einfach verbrannt wird, tritt oft nicht so wirklich in das Bewusstsein der Konsumenten. Der Café-Besitzer hingegen hat deutlicher vor Augen, wie viele Becher da über die Theke gehen.
Econeers: Erklär‘ doch einmal genauer, wie euer Modell aus Kundensicht funktioniert: Ich kaufe einmalig einen wiederverwendbaren Becher und kann diesen dann bei den teilnehmenden Partnern gegen einen neuen, mit leckerem Kaffee gefüllten Becher eintauschen? Das heißt, ich muss immer daran denken, meinen Becher auch dabei zu haben, wenn ich den nächsten Coffee-to-go trinken möchte?
Flo: Im Idealfall läuft es so ab, dass du dir für den Pfand von 1 Euro deinen Kaffee im To-go-Becher besorgst und ihn auf deinem Weg durch die Stadt genießt. Anschließend kannst du kurz über unsere App herausfinden, wo sich das nächste Partner-Café befindet. Da kannst du bei der nächsten Gelegenheit stoppen und erhältst deinen Euro zurück. Oder auch einen neuen, leckeren Kaffee. Klar kannst du den Becher auch mit nach Hause nehmen und ihn ein anderes Mal abgeben. Das Spülen des Bechers übernimmt immer das Café für dich.
Econeers: Erhalte ich denn eine finanzielle oder anderweitige „Belohnung“ dafür, meinen Becher zurückzubringen? Sonst ist die Gefahr doch wahrscheinlich groß, dass auch eure hochwertigen Becher zumindest hin und wieder einfach im Abfall landen, oder?
Flo: Zum einen zahlst du ja als Kunde den 1 Euro Pfand, den du dann wieder zurück erhältst. Auf der anderen Seite ist es so, dass viele der Cafés, die bei unserem Pfandsystem mitmachen, einen Rabatt auf den Kaffee im RECUP anbieten. Du sparst also zusätzlich, wenn du auf den Pappbecher verzichtest. Und als Belohnung fürs gute Gewissen: Du kannst selber aktiv etwas dagegen tun, dass der Müllberg reduziert und der Pappbecher schrittweise verbannt wird.
Econeers: Ich oute mich als Nicht-Kaffeetrinkerin, deshalb noch mal für mich zum Verständnis: Wo ist denn der Vorteil eurer Becher gegenüber einem eigenen Thermos-Kaffeebecher, den ich mir im Handel kaufe und auch bereits in vielen Coffeeshops befüllen lassen kann – häufig sogar inklusive Preisnachlass?
Flo: An sich ist das Mitbringen des eigenen Bechers natürlich auch eine super Sache. Er setzt aber immer ein wenig mehr Planung voraus. Bei der Nutzung des RECUP-Bechers ist dir mehr Spontanität gegeben, wenn du unterwegs bist und dringend einen Kaffee-Boost brauchst. Du musst ihn nicht morgens einplanen, wenn du aus dem Haus gehst. Und auch um die Reinigung musst du dich nicht kümmern; das macht der Partner, bei dem du den Becher einfach wieder abgibst. Außerdem ist das System für die KaffeetrinkerInnen, die eher selten To-Go trinken, eine günstige Variante zum Thermos-Kaffeebecher. Einfach ausleihen und wieder abgeben.
Econeers: Wie viele Partner konntet ihr deutschlandweit bereits für eure Becher gewinnen? Habe ich auch außerhalb der Großstädte eine Chance, meinen Kaffee im Recup zu erhalten?
Flo: Absolut! Aktuell gibt es ca. 1.400 RECUP-Partner deutschlandweit. Das sind natürlich sehr viele in den Großstädten wie Berlin, München, Köln, Hamburg. Daneben gibt es uns aber auch in vielen kleineren Städten, wie Oldenburg, Rostock, Heidelberg, etc. Oft sind es aber auch ganze Regionen, wie das Allgäu, der Bodensee oder einzelne Partner mitten im „Nichts“, die sich der Coffee-to-go-Revolution anschließen. Ob ein Partner in meiner Nähe ist, kann man dann wie gesagt ganz leicht über unsere RECUP-App oder auch unter app.recup.de nachsehen.
Econeers: Wie funktioniert das Geschäftsmodell im B2B-Bereich? Welche Vorteile bietet ihr Coffeeshop-Betreibern und welche Kosten entstehen ihnen?
Flo: Der erste Schritt, als Partner mitzumachen, ist ganz easy. Einfach auf unserer Webseite registrieren, Becher bestellen und los geht’s. Pro Standort zahlt man als Inhaber eine geringe Systemgebühr, ist in unserer App aufgelistet und somit für alle Kunden sichtbar, also auch für Neukunden. Wir kümmern uns auch um die Umverteilung, also wenn die Becher bei dem Café abgegeben werden und Pfand ausgezahlt wird. Dann holen wir die Becher beim Café und erstatten das Pfand dafür. Das Café zeigt außerdem deutlich: „Wir wollen uns aktiv für einen Wandel einsetzen und etwas für die Umwelt tun.“
Econeers: Wenn man den medialen Diskurs der letzten Monate verfolgt, in dem Plastik zum Glück immer öfter Thema ist, könnte man den Eindruck gewinnen: Alles aus Plastik ist schlecht. Eure Becher werden jedoch auch aus Kunststoff gefertigt. Warum habt ihr euch dafür entschieden?
Flo: Da stecken verschiedene Gründe dahinter: An erster Stelle steht, dass die Becher zu 100 % recycelt werden können. Bis ein Becher ins Recycling kommt, kann er aber sehr häufig, ca. 500 Mal, genutzt werden. Außerdem haben wir darauf geachtet, dass unsere Becher BPA- und schadstofffrei hergestellt werden, sie sind lebensmittelecht, d. h. es entsteht keine Wechselwirkung des Materials mit Lebensmitteln. Und, ganz wichtig: Sie werden in Deutschland produziert. Natürlich haben wir uns auch im Vorhinein mit anderen Alternativen auseinandergesetzt, z. B. mit Biokunststoffen. Leider sind diese aber momentan noch nicht ausgereift, da sie oft nicht recyclebar sind oder oft mit Melamin gemischt sind, wie es beispielsweise bei Bambus- Bechern häufig der Fall ist. Die DUH, also die Deutsche Umwelthilfe, bestätigt uns regelmäßig, dass wir derzeit auf dem besten Weg sind. Und für alternative Wege halten wir Ohren und Augen offen.
Econeers: Auch die Politik hat das Thema Einwegplastik für sich entdeckt – kürzlich machte etwa das Vorhaben der EU, Produkte wie Plastikteller, -besteck oder -strohhalme verbieten zu wollen, Schlagzeilen. Ist das aus deiner Sicht der richtige Weg – und was würdest du dir von der Politik wünschen?
Flo: Jeder weiß es, keiner tut es. Dafür braucht es Regeln. Und ganz ehrlich: Braucht man wirklich 3 Strohhalme im Cocktail? Ein Verbot kann diese Müllproduktion deutlich einschränken.
Econeers: Wenn es um Umweltschutz und Nachhaltigkeit geht, hört man häufig: „Man müsste eigentlich…“ – weniger Müll produzieren, weniger oder kein Fleisch mehr essen, auf das Auto verzichten, etc. Umgesetzt werden diese vagen Vorhaben jedoch eher selten. Woran liegt das deiner Meinung nach?
Flo: Vermutlich weil wir alle immer noch Gewohnheitstiere sind. Man kennt das ja: Man nimmt sich etwas vor, aber solange es nicht total dringlich wird, schiebt man es oft noch ein bisschen vor sich her. Und gerade bei Themen im Nachhaltigkeitsbereich kann man noch ganz gut die Augen verschließen. Schließlich fahren „ja auch alle anderen mit dem Auto“, bestellen online etc., nach dem Motto: „Ich alleine kann ja eh nicht die Welt retten.“ Wenn man dann aber ganz konkrete Vorschläge an die Hand kriegt, die leicht umsetzbar sind, fällt es einem auch persönlich leichter. Zum Beispiel die Wahl zwischen dem Ein- und dem Mehrwegbecher. Es geht ja nicht darum, sich total strikt Regeln aufzuerlegen, sondern eher darum, schrittweise Verhaltensgewohnheiten umzustellen. Auch im Social Media-Bereich sehen wir immer mehr Influencer, die täglich zeigen, dass ein nachhaltiger Lebensstil nicht zwingend Verzicht bedeutet und mit DIY-Projekten richtig Spaß machen kann.
Econeers: Hast du Empfehlungen, was ich ohne großen Aufwand in meinem Alltag verändern kann, um ihn ein bisschen nachhaltiger zu gestalten – von der RECUP-Nutzung natürlich einmal abgesehen?
Flo: Ich persönlich habe meinen Glasstrohhalm von HALM immer dabei. Klar, man muss dran denken, ihn mitzunehmen und dann auch noch dazusagen, dass man bitte keinen Strohhalm haben möchte, aber es schmeckt einfach viel besser draus. Oder beim Thema Nahrung: Einen Stoffbeutel mit zum Einkaufen nehmen, darauf verzichten, das Obst in die Plastik-Tüte zu packen, oder auch vermehrt regionale und saisonale Produkte kaufen. In einigen Städten gibt es ja mittlerweile auch Läden, die verpackungsfreies Einkaufen ermöglichen – Original Unverpackt in Berlin oder der Ohne Laden in München beispielsweise. Mittlerweile gibt es ja darüber hinaus auch viele Möglichkeiten und Plattformen, wie überschüssige Lebensmittel verteilt werden können, über foodsharing.de zum Beispiel. Auch kann man sich öfter mal fragen: “Brauche ich das jetzt wirklich neu oder kann ich das ein oder andere auch gebraucht kaufen?”
Econeers: Das sind tolle Tipps, vielen Dank! Einige davon werde ich auf jeden Fall in meinen Alltag integrieren. Euch wünsche ich weiterhin viel Erfolg bei eurem Einsatz gegen Einwegplastik und für mehr Nachhaltigkeit – danke für das spannende Gespräch!
Flo: Danke dir!