Am 7. November beginnt in Marrakesch der 22. UN-Klimagipfel, von dem entscheidende Weichenstellungen für die Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens erwartet werden. Hierfür reisen Vertreter aus 195 Nationen an, allein aus Deutschland werden mehr als 100 Teilnehmer erwartet. Aber was zeichnet Marokko als Gastgeberland für den Klimagipfel aus, wie steht es um den Klimaschutz in dem nordafrikanischen Land, und welche Rolle spielt Deutschland für die marokkanische Energiewende? Wir sind diesen Fragen auf den Grund gegangen.
Sonnige Sahara
„Noor“ ist arabisch und heißt „Licht“. Davon gibt es in der marokkanischen Sahara, am Rande des Atlas-Gebirges mehr als genug. Im Februar diesen Jahres weihte der marokkanische König Mohammed VI., ein Verfechter der Energiewende, Noor Ouarzazate I ein – den bislang größten Solarpark Marokkos. Die rund 500.000 Spiegel der Solarthermieanlage wandern im Laufe des Tages mit der Sonne und erzeugen täglich bis zu 160 MW Strom – genug, um eine ganze Kleinstadt zu versorgen. Noor I kann die Energie drei bis sechs Stunden speichern und Strom auch dann liefern, wenn in Marokko am meisten davon gebraucht wird: am Abend.
Noor I bis IV: größter Solarkomplex der Welt
Seit fast zwei Jahrzehnten setzt Marokko seine Energiewende konsequent um und die Inbetriebnahme von Noor I war ein weiterer Meilenstein auf dem Weg in eine grüne Energieversorgung. Bis zum Jahr 2018 sollen mit Noor II, III und IV weitere Mega-Solarparks ans Netz gehen, die zusammen bis zu 450 MW erzeugen und 1,3 Mio. Menschen mit Sonnenstrom versorgen können. Der Noor-Solarkomplex wäre dann der größte seiner Art weltweit und würde jährlich bis zu 800.000 Tonnen CO2 einsparen. Zudem ist mit Noor Midelt ein Hybridkraftwerk mit einer Leistung von 400 Megawatt geplant, das Photovoltaik und Solarthermie vereinen soll.
„Der einzige Weg in die Zukunft“
„Wir sind sehr ehrgeizig“, bestätigte der marokkanische Botschafter in Deutschland Omar Zniber gegenüber klimaretter.info. „Der Weg in eine CO2-arme Energieversorgung und Wirtschaftsweise ist irreversibel. Meine Regierung ist überzeugt, dass dies der einzige Weg in die Zukunft ist. Es geht nicht mehr nur um moralische Argumente, sondern die Energiewende ist ein Wachstumspfad, der auch zu mehr Beschäftigung führt und sozialen Wohlstand bringt. […] Bald wollen wir in die EU Solar- und Windstrom exportieren.“
Wüste und Küste: Ideale Voraussetzungen zur Erzeugung erneuerbarer Energie
Mit rund 300 Sonnentagen pro Jahr ist Marokko prädestiniert für die Erzeugung von Sonnenstrom. Aber auch die Windkraft boomt seit fast zwei Jahrzehnten. Das Land verfügt über eine rund 1.800 Kilometer lange Küstenlinie an Mittelmeer und Atlantik, wo beständig hohe Windgeschwindigkeiten herrschen. Hier sind seit dem Beginn der 2000er Jahre 13 Windparks mit einer Spitzenleistung von rund 700 Megawatt in Betrieb gegangen. Finanziert wurden sie teilweise mit Entwicklungshilfekrediten, unter anderem von der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).
Gemäß dem Renewable Energy Country Attractiveness Index, einem jährlichen Ranking der 40 attraktivsten Länder für erneuerbare Energien, schafft es Marokko in diesem Jahr auf den 14. Platz – und damit als einziges afrikanisches Land neben Südafrika auf einen Rang unter den ersten 20.
Marokkos Energiewende begann vor 30 Jahren
Die Nutzung erneuerbarer Energien hat in Marokko schon fast Tradition: Bereits vor 30 Jahren wurde eine Agentur zur Erforschung erneuerbarer Energien entwickelt, die zunächst kleinere Anwendungen, zum Beispiel solarthermische Heizungen für Dampfbäder entwickelte. „Den Hauptschub bekam die Energiewende dann aber 2009: Das Staatsoberhaupt, König Mohammed VI., gründete eine staatliche Agentur für Solarenergie, Masen, und ließ einen „Solarplan“ ausarbeiten. Dessen Ziele sind ambitioniert. So sollen bis 2020 jeweils 2.000 Megawatt an Solar-, Wind- und Wasserkraft-Anlagen gebaut werden, sie würden dann 42 Prozent der gesamten Kraftwerksleistung stellen. Das entspricht bei voller Auslastung der Leistung von sechs Atommeilern“, schreiben die Klimaretter. Gleichzeitig will Marokko seine Energieeffizienz um zwölf Prozent steigern.
Teure Energieimporte bremsen die Wirtschaftskraft
Das ambitionierte Vorgehen des nordafrikanischen Staates hat triftige Gründe: das Land besitzt kaum eigene Bodenschätze und deckt seinen Energiebedarf vor allem mit Erdöl, Erdgas und Kohle, die zu über 95 Prozent aus Ländern wie Algerien importiert werden müssen. Außerdem bezieht das Land Strom aus Spanien, über ein Seekabel. Eine teure Abhängigkeit, die die Wirtschaftskraft des Landes schwächt.
Zudem ist Marokkos Energiebedarf in den letzten Jahren stark gestiegen. Die Regierung wird laut Dayae Oudhiri, Mitglied im Management von Masen, in den nächsten Dekaden alle zehn Jahre die doppelte Menge an Energie bereit halten müssen. „And it had two options to do that: either remain heavily dependent on imports, and continue to build what I call black plants, or go green. […] We decided to go green: to go for renewables“, so Oudhiri. Man habe sich vor den Optionen gesehen, entweder weiterhin von teuren Importen abhängig zu sein und fossile Kraftwerke zu errichten, oder den grünen Weg zu gehen. Das Land habe sich für erneuerbare Energien entschieden.
Nun sei es das Ziel, im Jahr 2020 42 Prozent am nationalen Energiemix aus Erneuerbaren zu erzeugen. Aktuell sind es immerhin rund 35 Prozent.
Vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Deutschland
Deutschland ist für Marokko seit Jahrzehnten ein wichtiger Partner bei der Umsetzung seiner Energiewende. Die Siemens AG betreibt in dem Land nach eigener Aussage schon seit 1956 eine eigene Niederlassung und hat „bereits mehrere Schlüsselprojekte zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen in Marokko umgesetzt – unter anderem das 300 Megawatt Windprojekt Tarfaya.“ Aktuell baut das Unternehmen in Tanger eine Fabrik, die Rotorblätter für Onshore-Windkraftanlagen herstellt.
Auch finanziell profitiert Marokko von einer engen Kooperation mit Deutschland. Die KfW, immerhin die drittgrößte Bank Deutschlands, ist bereits seit 1961 in Marokko engagiert und hat z. B. zur Finanzierung von Noor I, gemeinsam mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), über 860 Mio. Euro bereit gestellt: „Während in den ersten Jahren fast ausschließlich Zuschüsse oder Kredite zu sehr günstigen Konditionen vergeben wurden, sind es heute Entwicklungskredite zu marktnahen Bedingungen“, schreibt die KfW in einem Bericht über ihre „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ mit Marokko. Und weiter: „Marokko verfügt über hervorragende Bedingungen für den Ausbau von erneuerbaren Energien: Wind- und Solarstandorte, die zu den besten weltweit zählen, sowie eine ehrgeizige, von Königshaus und Politik gestützte Energiestrategie.“
Stromexport nach Deutschland denkbar
Der in Marokko erzeugte saubere Strom ist auch für den deutschen Energiemarkt interessant. So hält z. B. Wolfgang Reuß, Abteilungsleiter Nordafrika und Nahost in der KfW, den Export von marokkanischem Solarstrom nach Europa, etwa über das Seekabel, das derzeit spanischen Strom nach Marokko importiert, bereits heute für technisch machbar. Das Einzige, woran es noch fehle, seien die politischen Rahmenbedingungen.
Man kann gespannt sein, ob diese beim kommenden UN-Klimagipfel in Marrekesch ebenfalls Teil der Verhandlungen sein werden.