Deutschland sieht sich selbst gern als Pionier und Spitzenreiter in Sachen Klimaschutz. Doch leider entspricht dieses Bild längst nicht mehr der Wirklichkeit. Beim Klimaschutz-Index der NGO Germanwatch landet Deutschland erneut nur im Mittelfeld. Das liegt vor allem daran, dass Kohlekraftwerke hierzulande wieder auf Hochtouren laufen und dabei riesige Mengen CO2 ausstoßen. Die sauberen erneuerbaren Energien werden hingegen zu zögerlich vorangetrieben.
Zwischen 2005 und 2013 war Deutschland stets unter den Top 10 der Staaten mit dem stärksten Klimaengagement. Doch im letzten Jahr ging es im Ranking rapide abwärts auf Platz 22, den Deutschland auch in diesem Jahr belegt. Germanwatch untersucht jährlich die Entwicklung der 58 weltweit größten CO2-Emittenten. Bewertet werden das Emissionsniveau, der Ausbau erneuerbarer Energien, der Stand der Energieeffizienz sowie die Klimapolitik der einzelnen Länder.
Hauptursache für Deutschlands schlechte Platzierung sind rauchende Kohleschlote. „Das sogenannte Energiewende-Dilemma – also der starke Anstieg der Kohleverstromung bei gleichzeitigem Ausbau der Erneuerbaren Energien – zerstört bislang Deutschlands Klimabilanz“, erklärte Germanwatch-Energieexperte Jan Burck bei der Vorstellung des Berichts am Rande der jüngsten Klimakonferenz in Lima. Dieses Problem ließe sich mit einem politischen Bekenntnis zur Verringerung der Kohleverstromung lösen. Das letzte Woche von der Bundesregierung vorgestellte Klimaschutzpaket stellt hierfür sicher eine wichtige Grundlage dar, muss jetzt aber auch konsequent durch- und umgesetzt werden. Den Plänen zufolge sollen fossile Kraftwerke bis 2020 zusätzlich 22 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Wie ihnen das gelingt, bleibt den Betreibern selbst überlassen. Umweltschützer kritisieren bereits, dass die Vorgaben bei Weitem nicht ausreichen werden, um das deutsche Klimaziel noch zu erreichen.
Doch solange Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel eine vermeintliche Deindustrialisierung Deutschlands durch die Energiewende propagiert, kann ein kompromissloser Klimaschutz nicht stattfinden. Ein schneller Ausstieg aus der Kohle wäre für Gabriel unbequem. Dafür müsste er sich mit den Großkonzernen anlegen und ihnen klarmachen, dass sie ihre Geschäftsmodelle überdenken müssen. Dafür müsste er sich klarer zur Branche der erneuerbaren Energien bekennen, in der innerhalb von zwei Jahrzehnten über 370.000 Arbeitsplätze entstanden sind. Niemand fordert einen Kohleausstieg von heute auf morgen, doch die Weichen dafür müssen jetzt gestellt und Ziele verbindlich festgelegt werden.
An der Spitze diesjährigen Klimaschutz-Index von Germanwatch liegen Dänemark und Schweden (Platz 4 und 5), zwei Länder in denen der Ausbau der Erneuerbaren seit langem vorangetrieben wird. Die ersten drei Plätze lässt Germanwatch in seinem Ranking übrigens unbesetzt, da nach Einschätzung der Organisation derzeit kein Land genug für die Erreichung des 2-Grad-Ziels tut – hoffentlich ein Weckruf für die Teilnehmer des wichtigen Klimagipfels in Paris im kommenden Jahr. Denn viel Zeit für die Rettung des Klimas bleibt nicht mehr.