Mittlerweile ist Crowdfunding für Startups in Deutschland angekommen, hat viele Unterstützer gefunden und wurde oft in den Medien thematisiert. Jedoch zeigt die Berichterstattung häufig auch, dass es noch viele Unklarheiten zu den Mechanismen der Plattformen und Crowdfunding im Allgemeinen gibt und dass die verschiedenen Formen von Crowdfunding differenzierter betrachtet werden müssen. Erst vor wenigen Tagen ist ein Artikel in der FAZ (Link>>) erschienen, in der die britische Finanzaufsicht Financial Services Authority (FSA) vor Crowdfunding warnt. Da die genannten Argumente dafür eher undifferenziert sind und wir als Plattform in diesem Zusammenhang genannt werden, wollen wir diesen Artikel ungern unkommmentiert stehen lassen. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, im folgenden Beitrag aufkommende Fragen zu beantworten und zu den Behauptungen aus dem FAZ-Artikel Stellung zu nehmen.
FSA: “Viele Möglichkeiten zum Crowdfunding sind hochkomplex, sehr riskant, bieten keine garantierte Rendite, nur selten Dividenden, und wenn überhaupt, dauert es sehr lange, bis Investoren einen Erfolg sehen.”
Zu aller erst: Crowdfunding ist nicht komplexer als andere Anlageformen auch. Im Gegenteil, bei Seedmatch können die registrierten Nutzer die kompletten Businesspläne und die Verträge von einem Investment anschauen und dann in Ruhe entscheiden, ob sie sich an dem Startup beteiligen wollen. Diese Transparenz und Selbstbestimmtheit bieten die wenigsten Anlageformen. Zudem können potentielle Investoren mit den Gründern direkt in Kontakt treten und jederzeit ihre Fragen stellen. Darüber hinaus besteht für jedes Investment generell ein zweiwöchiges Widerrufsrecht.
Natürlich handelt es sich bei Crowdfunding für Startups um Risikokapital. So steht naturgemäß einer sehr attraktiven Renditechance auch immer die Gefahr des Verlusts eines Investments gegenüber. Auf dieses Risiko weisen wir bei Seedmatch auf den Informationsseiten für Investoren, in den FAQs sowie zusätzlich vor jedem Investment im Investmentprozess noch einmal hin, um auch ganz sicher zu sein, dass sich jeder Investor des möglichen Ausfalls bewusst ist. Dies geschieht nicht nur, um uns rechtlich abzusichern, sondern auch, um sicherzustellen, dass jeder Investor das Risiko kennt und nur nicht-existentielle Beträge investiert. Um das Risiko entsprechend zu streuen, haben die Nutzer bei Seedmatch die Möglichkeit, gezielt in mehrere Startups zu investieren und bauen individuell ein Portfolio auf, so dass Verluste ausgeglichen werden können und unterm Strich trotzdem ein Gewinn steht.
Wir von Seedmatch versprechen keine Renditen, da wir nicht die Entwicklungen der Startups vorhersehen können. Die Businesspläne und die angestrebte Ergebnisentwicklung unterliegen vielen Einflussfaktoren, so dass eine garantierte Aussage dazu einem Blick in die Glaskugel gleichen würde. Plattformen, die solche Versprechungen machen, sind uns sehr suspekt und wir empfehlen, lieber einen großen Bogen um diese zu machen. Sicher ist aber, dass Seedmatch nur Startups für ein Crowdfunding zulässt, bei denen wir ein hohes Erfolgspotential sehen und eine durchdachte und nachhaltige Planung erkennen.
Gewinnausschüttungen sind bei sehr jungen Unternehmen in den ersten Jahren eher selten, da Gewinne in aller Regel reinvestiert werden. Deswegen sind Investments in Startups immer längerfristige Geldanlagen. Bei Seedmatch profitieren die Investoren daher vor allem vom Wachstum des Unternehmenswertes.
Erfolge sind aber schon eher sichtbar und die Investoren werden über die gesamte Beteiligungslaufzeit über die Entwicklung “ihrer” Startups informiert. Die Startups sind vertraglich verpflichtet, ihren Investoren regelmäßig Quartalsreportings zur Verfügung zu stellen. Die Reportings beinhalten jeweils Angaben zur Entwicklung des Unternehmens, der Strategie, der Produkte, des Wettbewerbs, des Personals, der Finanzen einschließlich Soll-Ist-Abgleich und zu den wichtigen Meilensteinen. Zudem muss der Jahresabschluss den Investoren zur Verfügung gestellt werden. Hinzu kommt noch ein geschlossener Investor Relations Bereich bei Seedmatch, den jedes erfolgreich finanzierte Startup erhält und der einen direkten Draht zu den Gründern während der gesamten Beteiligungslaufzeit herstellt.
Jeff Lynn von Seedrs nach FAZ: “Lynn zielt nach eigener Aussage auf Anleger ab, die Erfahrung in der Finanzwelt haben, also auf ausgebildete, wirtschaftlich kenntnisreiche Privatleute und Unternehmer, aber nicht auf die Masse der Hausfrauen, auf die zum Beispiel Crowdfinancing in den Vereinigten Staaten abzielt.”
Crowdfunding für Startups wurde von uns in Deutschland auf den Weg gebracht, um jungen Unternehmen eine neue Finanzierungsmöglichkeit zu bieten und um Privatleuten den Zugang zu spannenden Startup-Investments schon ab kleinen Beträgen zu ermöglichen. Wir haben also diese Anlageform bewusst einer neuen Zielgruppe – jenseits der Old Boys Networks – ermöglicht. Deswegen sehen wir in Crowdfunding für Startups auch die Demokratisierung von Venture Capital.
Gleichzeitig wollen wir mit Crowdfunding für Startups die Gründerkultur in Deutschland fördern. So schätzen viele unserer Investoren neben der Chance auf eine attraktive finanzielle Rendite auch die “emotionale Rendite” durch ihre ganz persönliche Unterstützung von Gründerteams und der Beteiligung an Startups.
Wir sind der Meinung, dass die Investoren bei uns mündig entscheiden können und sehr wohl in der Lage sind, Businesspläne zu lesen und sich eine reflektierte Meinung zu einem Startup zu bilden. Dass dem so ist, lässt sich auch an den Fragen während des Fundings und an den Beiträgen nach dem Funding im Investor Relations Bereich erkennen. Diese zielen auf konkrete Teile der Geschäftmodelle ab, sind differenziert und alles andere als unkritisch.
Und generell sind bei uns auch (Haus-)Frauen als Investorinnen erwünscht. Denn nur, weil eine Frau sich um Kinder und Haushalt kümmert, heißt es noch lange nicht, dass sie sich nicht für Wirtschaft oder Geldanlagen interessieren darf oder einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften hat.
FSA: “Es ist eine sehr illiquide Anlageform, wofür es keinen Sekundärmarkt gibt.”
Da die Startups mit dem investierten Kapital arbeiten, sind die Investments für den Zeitraum der Mindestbeteiligungsdauer gebunden. Dieser Sachverhalt wird jeweils gut sichtbar dargestellt und ist den Investoren bewusst. Bisher gibt es in der Tat noch keinen Sekundärmarkt. Crowdfunding für Startups ist in Deutschland aber auch erst ein Jahr alt. So ist es nur eine Frage der Zeit, bis dieser entsteht.
FSA nach FAZ: “Nahezu keine Internetseite im Crowdfunding unterläge irgendeiner Kontrolle, wie das Geld verwaltet wird.”
Über die Verwaltung des Kapitals gibt es keine konkreten Vorgaben. Wir möchten trotzdem, dass die Nutzer bei Seedmatch ganz sicher sein können: Seedmatch sammelt das Geld von den Investoren nicht selbst ein, sondern der Finanzdienstleister Secupay. Dieser verwaltet das Kapital treuhänderisch und gibt es in den im Beteiligungsvertrag festgelegten Tranchen an das Startup weiter. Ist ein Funding erfolglos, d. h. wird die Fundingschwelle in der maximalen Laufzeit nicht überschritten, sorgt der Treuhänder dafür, dass alle Investoren ihr Geld vollständig zurückerhalten.
FAZ: “In Deutschland unterliegen öffentliche Geldangebote der Prospektpflicht: Ein Wertpapierprospekt muss über alle Risiken informieren und von der deutschen Finanzaufsicht Bafin genehmigt werden. Diese Regel greift nicht bei öffentlichen Angeboten unter 100.000 Euro. Dies machen sich Schwarmfinanzierer zunutze und bleiben meist unter der Grenze.”
Startups mit einem Kapitalbedarf von 50.000 bis 200.000 Euro stehen hierzulande vor einem Finanzierungsproblem: Venture Capital Gesellschaften interessieren sich in der Regel erst für Unternehmen mit einem deutlich höheren Kapitalbedarf und eine Business Angels Kultur wie beispielsweise in den USA existiert in Deutschland nicht. Diese Lücke in der Frühphasenfinanzierung haben wir mit Crowdfunding für Startups geschlossen und ermöglichen Startups in dieser Größenordnung Kapital einzusammeln. Jedoch ist ein öffentliches Crowdfunding ohne die Erstellung eines Verkaufsprospekts auf 100.000 Euro limitiert. Somit stehen derzeit die Startups bei einer Finanzierung per Crowdfunding über 100.000 Euro vor enormen bürokratischen und finanziellen Hürden. Die Kosten für die Erstellung und Prüfung eines Verkaufsprospekts übersteigen schnell 15.000 Euro und der zeitliche Aufwand bremst ein kleines Team für ein bis zwei Monate aus – wertvolle Zeit im harten Wettbewerb. Für Finanzierungen in Höhe von 150.000 Euro oder 200.000 Euro ist dieser Aufwand unverhältnismäßig hoch und erzeugt weiterhin eine Finanzierungslücke bei Startups mit einem Kapitalbedarf in dieser Größenordnung. Crowdfunding für Startups hat somit vielmehr die Grundintension, eine Lücke in Wirtschaftssystem zu schließen, als sich eine Lücke im Gesetz “zunutze” zu machen.
Weiterhin werden in diesem Absatz einige Fachbegriffe durcheinandergebracht: Im Grundsatz gibt es für öffentliche Geldangebote über 100.000 Euro in Deutschland eine Prospektpflicht. Allerdings gäbe es bei einem Crowdfunding über 100.000 Euro in ein Startup in Deutschland keine Wertpapierprospektpflicht gemäß dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG). Stattdessen ist die Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung (VermVerkProspV) anzuwenden. Die Rechtsform der beim Crowdfunding angebotenen Investmentmöglichkeiten an Startups sind nämlich stille Beteiligungen, welche Vermögensanlagen im Sinne des Vermögensanlagengesetzes (VermAnlG) darstellen, und nicht etwa verbriefte Wertpapiere im Sinne des WpPG.
FAZ: “Insgesamt 37 Plattformen in Kontinentaleuropa greifen die Banken aus dem Internet in den verschiedensten Bereichen an.”
An dieser Stelle sollte man auch differenzieren, zumal es im Kontext eher um Startupfinanzierung per Crowd geht. Denn Crowdfundingplattformen, die Startups finanzieren, “greifen” in der Regel keine Banken an. Und das aus einem einfachen Grund: Banken wollen Sicherheiten. Junge innovative Unternehmen müssten dafür Bilanzen und Beispiele für Marktentwicklungen vorweisen können, die so für gänzlich neue Geschäftsmodelle noch nicht existieren. Mit Ausnahme von begrenzten öffentlichen Förderprogrammen z.B. der KfW bewegen sich Banken nicht im Bereich der Frühphasenfinanzierungen.
Generell ist es hier auch wichtig, die verschiedenen Formen von Crowdfunding klar zu unterscheiden und auch von anderen crowdbasierten Finanzierungsformen zu trennen. Die Crowdsourcing LLC hat im internationalen Crowdfunding Report 2012 (Link>>) vier Formen unterschieden:
Equity-Based Crowdfunding: Crowdfunding model in which funders receive compensation in the form of fundraiser’s equity-based or revenue or profit-share arrangements.
Lending-Based Crowdfunding: Crowdfunding model in which funders receive fixed periodic income and expect repayment of the original principal investment.
Reward-Based Crowdfunding: Crowdfunding model in which funders’ primary objective for funding is to gain a non-financial reward such as a token or in the case of a manufactured product, a first edition release.
Donation-Based Crowdfunding: Crowdfunding model where funders donate to causes that they want to support, with no expected compensation (i.e., philanthropic or sponsorship based incentive).
Unser Fazit
Wir nehmen dies zum Anlass, hier im Blog in Zukunft gezielt auf kritische und komplexe Fragen einzugehen. Wir stehen zudem immer gern Journalisten, Bloggern und anderen Interessierten für Fragen zur Verfügung und hoffen, dass die Berichterstattung auch davon profitiert und Missverständnisse vermieden werden.
25. August 2012
Ich unterstreiche hiermit jeden einzelnen oben richtiggestellten Punkt und stelle mit bedauern fest, dass die Deutsche Presse für den für sie sicher notwendigen Umsatz und die Sichtbarkeit am Markt qualitativ hochwertige Recherchen ausspart und Halbwissen verbreitet. Das ist bedauerlich und sorgt in Zukunft dafür, dass eine Branche ihr Reputation langsam zu Grabe trägt. Leider.
Ich warne übrigens auch vor Crowdfunding, denn es wird die Welt verändern und es ist ein Kind des Social Media, dessen Nutzen bis heute viele nicht erkannt haben. Wir stehen direkt davor!
27. August 2012
Hallo Peter,
danke für die Richtigstellung!
beste Grüße
Torsten
27. August 2012
Sehr guter Text, der hoffentlich die richtigen Empfänger findet.
27. August 2012
Es ist bedauerlich das gegen scheinbare Konkurrenzprodukte so vorgegangen wird. Natürlich gibt es immer schwarze Schafe auf Seiten des Produkt und auf Seiten der Presse. Solange dies ein Einzelfall ist sollte man dies nicht künstlich aufblähen.
Diejenigen die vom Produkt Crowdfunding begeistert sind werden dies auch nach einem fachlich unsauber recherchierten Bericht sein.
In diesem Sinne weiterhin viel Erfolg.
Gruss Klaus
28. August 2012
Sehr fundierter Text. Wäre ja zu schön, würde die FAZ ihren Bereicht korrigieren…
29. August 2012
[…] deutsche Crowdfunding-Pionier Seedmatch hat auf seinem Blog eine Stellungnahme zu dem Bericht abgegeben, um Missverständnisse auszuräumen. Dabei stellt Peter Schmiegen klar: […]
16. Januar 2014
[…] https://blog.seedmatch.de/crowdfunding-missverstandnisse-neulich-in-der-faz/ […]