– BEZAHLTER GASTBEITRAG –
Den Kampf gegen die Klimakrise können wir nur gewinnen, wenn wir sauberen Strom erzeugen – und zwar sehr schnell und sehr viel. Dafür brauchen wir eine Solaranlage auf jedem Dach. Doch die solare Revolution droht zu scheitern – versehentlich. Drei Stoppschilder für die Energiewende, die man gern übersieht.
Wir brauchen SEHR schnell SEHR viel sauberen Strom für die wegfallenden Atom- und Kohlekraftwerke, für Millionen Elektroautos und für Millionen Wärmepumpen (die alte Öl- und Gasheizungen ersetzen werden).
Der Ausbau der Solarenergie muss daher mindestens doppelt, eher viermal (!) so schnell gehen wie bisher. Egal in welches Sofortprogramm oder in welchen Klimaplan man schaut: Alle wollen mehr Solardächer.
Zwar nimmt die Solarenergie nun endlich Fahrt auf. Aber es gibt drei Flaschenhälse, die den Ausbau hemmen.
Engpass 1: Bürokratischer Hürdenlauf
Wer heute eine Solaranlage betreiben will, lebt mit der ständigen Angst vor den Behörden.
- Sie wollen Ihren Solarstrom an den Nachbarn verkaufen? Illegal! (Außer, Sie haben Lust, wie ein Energiekonzern behandelt zu werden. Aber das haben Sie vermutlich nicht.)
- Sie wollen Ihren Dienstwagen mit Ihrem Solarstrom laden? Illegal! (Außer, naja, Sie wissen schon: Abrechnungs-Bürokratie organisieren.)
- Und wehe, Sie wagen es, in einem Mietshaus zu leben … Da ist eine Anlage auf dem Dach zwar theoretisch-juristisch erlaubt, aber der bürokratische und technische Aufwand ist so enorm (und teuer), dass Sie es lieber ganz sein lassen.
Bevor Sie Ihre Solaranlage ans Netz anschließen dürfen, müssen Sie übrigens Ihren Netzbetreiber um Erlaubnis fragen. Davon gibt es 900 in Deutschland, und jeder macht seine eigenen Regeln in seinem kleinen Reich. Die Anträge gibt’s oft nur auf Papier (und sie sind von einem Laien schwer zu verstehen). Viele Netzbetreiber arbeiten sehr stark manuell und kommen daher mit den Anträgen nicht hinterher. Das kann schon mal Monate dauern – selbst wenn der gute Wille da ist.
Ich arbeite beim Solar-Startup Enpal. Allein wir beschäftigen über 50 Menschen, die nichts anderes machen, als den ganzen Tag Netzanträge auszufüllen. Das kostet Zeit und Geld – und frustriert die Menschen, die ihre eigene Solaranlage auf dem Dach haben und nun noch wochenlang auf die Bürokratie warten müssen.
Da hilft nur: die Bürger-Solarenergie endlich aus den Fesseln der Bürokratie befreien!
Engpass 2: Fehlende Fachkräfte
Irgendjemand muss die Solaranlagen aufs Dach bauen (= Monteur:innen) und ans Netz anschließen (= Elektrotechniker:in mit Konzession). Das Problem: Es gibt schon jetzt viel zu wenige davon. Und kaum ein Betrieb bildet noch aus: Die Jugend von heute sei zu faul, oder man ist ja eh bald in Rente, oder es ist einfach sonst zu mühsam. Dumm nur, dass dann die Leute im Handwerk fehlen: nicht nur bei der Solarenergie, sondern auch bei E-Autos, Ladesäulen, Messbetrieb, Windrädern und so weiter.
Die Monteure, die aufs Dach klettern, bilden wir selbst aus. Wir haben dafür drei Gewerbehallen vor Berlin: die Enpal-Akademie. Der Job ist zwar körperlich hart, aber man kann ihn schnell lernen. Daher dauert es nur wenige Wochen, bis ein neuer Monteur fit genug ist, um als Teil eines erfahrenen Teams eine Solaranlage zu bauen. Mittlerweile hat Enpal über 1.000 Handwerker fest eingestellt und setzt sie in 150 Montageteams ein. Darunter sind viele Geflüchtete aus Syrien und anderswo, auch viele Menschen, die keine Berufsausbildung haben oder in ihrem Job keine neue Anstellung mehr finden oder wollen, und daher eine zweite Chance suchen.
Die Mangelware sind aber die Elektriker. Da dauert die Ausbildung über drei Jahre. Wer 30 oder 40 Jahre alt ist und den Job wechseln will, hat keine Chance. Denn niemand kann dann noch für das Azubi-Gehalt arbeiten: Man muss Miete bezahlen, vielleicht ein Kind ernähren, und garantiert will man nicht mehr bei seinen Eltern einziehen.
Woher sollen die Leute also kommen?
Wir brauchen eine Qualifizierungs-Offensive: Jeder, der will, sollte einen Quereinstieg als Energie-Werker machen können. Mit Energiewende-Bafög für alle. Und die berufliche Ausbildung müssen wir insgesamt deutlich stärken und Lust machen auf das Handwerk.
Engpass 3: Stockende Lieferkette
Seit Covid ist klar: Wir haben unsere Lieferketten zwar effizient und kostengünstig gestaltet. Aber: Wir haben dabei auch jede Resilienz getilgt.
Wenn in China ein Hafen stillsteht – geschlossen wegen Covid – liegen ein paar Prozent aller globalen Containerschiffe brach. Wenn ein Frachter im Suez-Kanal stecken bleibt, ist eine der Lebensadern der weltweiten Lieferlogistik verstopft.
Dann kommen nicht einmal mehr Vorprodukte nach Deutschland. Heimische Hersteller von Wechselrichtern müssen Verluste melden, weil sie nichts mehr haben, mit dem sie die Wechselrichter herstellen können.
Wir haben alle Eier in einen Korb gelegt, und dieser Korb heißt China. Betriebswirtschaftlich ist das dumm. Aber weil man das Risiko nicht bepreist hat, schien es vernachlässigbar. Wenn aber in China ein Hafen schließt, steht die halbe Welt vor Lieferengpässen.
Daher braucht man zusätzlich zu den Lieferketten aus Asien eine eigene Solarindustrie. Die US-Regierung demonstriert mit dem Inflation Reduction Act, wie das geht. Europa sollte sich davon inspirieren lassen.