Knapp ein Jahr ist es her, dass die Investoren von Seeding Alliance (ehemals rankseller) Grund zum Feiern hatten: Sieben Jahre nach dem erfolgreichen Funding kündigte das Unternehmen die Verträge mit der Crowd regulär – und entließ die Investoren mit einer Traum-Rendite von 1.600 Prozent aus der Partnerschaft, die sich für beide Seiten gelohnt hat. Kürzlich hat Seeding Alliance die letzte Tranche des Auseinandersetzungsguthabens an seine Crowd ausgezahlt und damit sein Kapitel „Seedmatch“ offiziell beendet. Grund für uns, bei Seeding-Alliance-Geschäftsführer Cevahir Ejder nachzufragen, wie sich der „Abschied“ von der Crowd für ihn anfühlt, welche Tipps er jungen Unternehmen für die Kommunikation mit ihren Investoren sowie für den Umgang mit schwierigen Phasen wie der aktuellen Corona-Situation gibt – und welche Pläne er persönlich jetzt verfolgt.
Seedmatch: Hallo Cevahir, herzlich willkommen zum Interview! Vor einem Jahr hatten wir bereits Gelegenheit, mit deinem Co-Gründer Coskun Tuna über die Kündigung der Verträge mit euren Crowdinvestoren und die sagenhafte Rendite von 1.600 %, die diese erzielt haben, zu sprechen. Vor einigen Monaten habt ihr euer Kapitel „Seedmatch“ mit der Rückzahlung der letzten Tranche des Auseinandersetzungsguthabens komplett beendet. Wie fühlt sich das für dich an?
Cevahir Ejder: Vielen Dank. Wir haben Ende 2019 die letzte Tranche des Auseinandersetzungsguthabens ausgezahlt und wir freuen uns über die vielen positiven Nachrichten aus den Investorenkreisen. Insgesamt hatten 198 Mikroinvestoren im Jahr 2012 eine Summe von 100.000 € investiert. Bis auf wenige Ausnahmen, die vorzeitig ihren Vertrag gekündigt hatten, konnten die meisten aufgrund einer Top-Rendite von 1.600 % die Champagnerkorken knallen lassen. Wie sich das anfühlt? Zum Teil eine enorme Erleichterung, da wir keinen Mikroinvestor enttäuscht haben, und zum Teil ein Abschiedsgefühl, da wir mit der Auszahlung der letzten Tranche unser Kapitel „Seedmatch“ abschließen konnten. Persönlich bin ich sehr froh darüber, dass wir unsere Crowd nicht enttäuscht haben.
Seedmatch: Wie haben eure Investoren darauf reagiert, dass sich ihr Investment in euch so gelohnt hat?
Cevahir Ejder: Ich glaube solch eine Situation erlebt man nicht oft – sehr überwältigend! Uns selbst war zu Beginn nicht wirklich bewusst, was wir gemeinsam mit unserem Team für die Crowd geschaffen haben. Unser Anreiz war es immer, ein solides Unternehmen aufzubauen, zu wachsen und natürlich am Ende damit Geld zu verdienen. Nachdem die Verträge mit unseren Mikroinvestoren abgelaufen waren und wir eine erste Berechnung angestellt haben, wurde uns zum ersten Mal klar, was wir wirklich erreicht haben. Die Erkenntnis haben wir dann natürlich sofort mit den ‚Mikros‘ geteilt.
Wir haben sehr viele lobende Nachrichten über die Seedmatch-Plattform erhalten sowie sehr viele E-Mails und Telefonate mit unseren Mikroinvestoren geführt. In Summe waren alle glücklich und konnten ihr Invest durch unser Engagement vervielfachen.
Seedmatch: Ihr wart 2012 eines der ersten Unternehmen, die sich an ein Crowdinvesting auf der damals noch jungen Plattform Seedmatch gewagt haben, und habt ein sehr spezielles B2B-Geschäftsmodell verfolgt – obwohl viele damals noch davon ausgegangen sind, dass sich Crowdinvesting vor allem für B2C-Produkte eignet. Wie ist es euch gelungen, euer erklärungsbedürftiges Business der Crowd näher zu bringen?
Cevahir Ejder: Tatsächlich waren wir mit unserem B2B-Geschäftsmodell meines Wissens nach die ersten in Deutschland, die über Crowdfunding finanziert wurden. Zu Beginn gab es einen intensiven Austausch mit Seedmatch, und wir haben uns damals dazu entschlossen, einfach mal das Risiko einzugehen. Wir waren uns zu dem Zeitpunkt bewusst, dass vielleicht sogar die Finanzierung über Seedmatch scheitern könnte. Zum Glück konnten wir aber unser Businessmodell (damals Blog-Marketing-Plattform) sehr einfach erklären und die riesigen Vorteile aufzählen sowie unsere ambitionierten Wachstumsziele darstellen. Trotz des speziellen B2B-Geschäftsmodells konnten die Mikroinvestoren verstehen, was wir dort vorhatten. Im Vergleich zu anderen Projekten hat die Finanzierung bei uns etwas länger gedauert, aber irgendwann hatten wir die 100.000 € erreicht und konnten mit dem Betrag unsere Vorhaben umsetzen.
Egal ob B2B- oder B2C-Geschäftsmodell: Sobald man sein Business anderen Menschen nicht in wenigen Worten näherbringen kann, sollte man vielleicht erst gar nicht damit anfangen. Gründer müssen sehr schnell und einfach ihr Businessmodell erklären können – ansonsten wird es wenig Zukunft haben.
Seedmatch: Unter den Crowdinvestoren geltet ihr als eines der Vorbilder in Sachen Investorenkommunikation. Was sind deine Tipps für den Umgang mit der Crowd?
Cevahir Ejder: Diese Info haben wir auch von vielen Mikroinvestoren erhalten und freuen uns natürlich sehr darüber, als Vorbild angesehen zu werden. Wir haben von Beginn an versucht, die Kommunikation mit der Crowd so offen wie möglich zu gestalten. Von der Veröffentlichung der Quartalszahlen bis zu einzelnen Telefonaten mit einigen Mikroinvestoren – wir waren immer ansprechbar. Ich glaube es ist wichtig, die Crowd nicht als reine Risikokapitalgeber zu sehen, sondern als eine Familie, die ihr Geld in dein Unternehmen einbringt, damit du erfolgreicher wirst oder deine Ideen umsetzen kannst. Sobald man diese Denkweise verfolgt, wird man automatisch mehr mit der Crowd kommunizieren und eine andere Bindung aufbauen. Für uns waren die Mikroinvestoren wie starke Familienmitglieder, die uns ihr Geld anvertraut haben. Dementsprechend sind wir sehr solide mit dem Geld umgegangen.
Ich empfehle Gründern definitiv einen offenen Austausch, auch in Zeiten, wo es vielleicht nicht so rosig aussieht. Wahrscheinlich wird die Crowd damit viel besser umgehen, als wenn man vieles verheimlicht und am Ende die Bombe platzen lässt. Das führt meist zu bleibenden Imageschäden bei den Gründern, die dann verbrannt sind und wahrscheinlich nie wieder eine Finanzierung über die Crowd oder sogar über klassische Venture-Capital-Gesellschaften erhalten werden.
Seedmatch: Signifikantes Umsatz- und Mitarbeiterwachstum, Expansion in andere Märkte, Übernahme mehrerer Wettbewerber – in eurer Unternehmenshistorie konntet ihr viele Erfolge feiern. Habt ihr ein „Erfolgsgeheimnis“, das du mit anderen aufstrebenden Jungunternehmen teilen möchtest?
Cevahir Ejder: Chancen erkennen und sofort nutzen! Das war eigentlich unser Erfolgsgeheimnis. Als Gründer darf man den Biss niemals verlieren, denn Chancen ergeben sich eigentlich überall. Die Schwierigkeit ist jedoch, die Chancen als Chance zu erkennen und sofort einen Nutzen daraus zu ziehen. Wir haben diese Methode sehr erfolgreich umgesetzt. So hat sich z. B. unser Geschäftsmodell im Lauf der Jahre sehr stark verändert: von der klassischen Blog-Vermarktung hin zu einem führenden Native-Advertising-Anbieter, der heute über 300 Tageszeitungen in Deutschland vermarktet und einen Umsatz im achtstelligen Bereich macht.
Unsere Übernahmen waren alle strategisch ausgerichtet. Dabei ging es uns niemals um Image-Booster, die dazu führen sollten, dass wir im Markt künstlich stärker wahrgenommen werden. Beispielsweise haben wir einen Konkurrenten aus Berlin übernommen, obwohl wir technologisch viel weiter waren. Dabei ging es uns nur um deren Publisher-Portfolio, um damit unsere eigene Vermarktung zu stärken. Später haben wir uns an einer AdTech Company in Lüneburg beteiligt – und sie wenige Monate später sogar komplett übernommen. Seitdem wird unsere Technologie inhouse in Lüneburg entwickelt.
Ich bin ein Freund von Gründern, die an ihre Ideen und Visionen glauben, aber nicht unbedingt krampfhaft daran festhalten. Schaut man sich die meisten erfolgreichen Startups an, so sieht man eine starke Veränderung im Lauf der Jahre. Startups sind nun mal dafür gemacht, schnell auf Marktveränderungen zu reagieren. Genau diese positive Eigenschaft müssen viele Gründer leider noch lernen. Ich sehe Startups, die scheitern, weil die Gründer entweder Chancen nicht erkennen oder sehr stark an ihrer Idee festhalten.
Wir sind das beste Beispiel: Hätten wir damals an unserer ersten Idee (Blog-Marketing) festgehalten, wären wir heute wahrscheinlich mit einer kleinen Truppe noch aktiv – aber niemals so erfolgreich wie heute.
Seedmatch: 2017 gelang euch das, wovon wohl viele Unternehmen träumen: ein erfolgreicher Exit! Seeding Alliance wurde Teil der Ströer Gruppe. Wie ist es euch gelungen, den Großkonzern auf euch aufmerksam zu machen und von eurem Geschäftsmodell zu überzeugen?
Cevahir Ejder: Jeder Gründer träumt natürlich von einem erfolgreichen Exit. Jedoch stand ein Exit eigentlich nicht auf unserer Agenda. Wir haben immer wieder an einen starken Partner gedacht, aber es war tatsächlich nicht unser Ziel, jemals einen Exit anzustreben. Wir haben einfach einen guten Job gemacht und wurden am Ende dafür belohnt. Da wir in der Branche sehr gut vernetzt sind, kannten wir Ströer bereits über einige Verlage. So entstand irgendwann ein intensiver Austausch mit der Ströer-Geschäftsführung und uns war sofort klar, dass wir gemeinsam mit Ströer deutlich mehr bewegen können. Nachdem Ströer aktiv nach einer Beteiligung gefragt hat, haben wir uns in Rekordzeit dafür entschieden und alle Details verhandelt. In Summe haben wir drei Monate benötigt, bis wir einen Notar-Termin hatten. Rückblickend kann ich nur sagen, dass uns der Deal sehr gut getan hat und wir mit dem Konzern jetzt einen starken Partner haben, der uns aktiv unterstützt – jedoch genug Freiräume lässt.
Seedmatch: Was war der größte Fehler, den ihr seit der Gründung gemacht habt – und was habt ihr daraus gelernt?
Cevahir Ejder: Nie wieder eine UG! Ich würde jedem Gründer raten, direkt eine GmbH zu gründen. Jeder Geschäftspartner wird wissen, dass die UG mit nur einem Euro Stammkapital gegründet werden kann und wird euch demnach nicht wirklich ernst nehmen. Wir haben damals versucht, sehr schnell aus der UG eine GmbH zu machen… wir wollten ernst genommen werden ☺
Seedmatch: Seit über zwei Monaten bestimmt das Corona-Virus die Schlagzeilen und wirkt sich auf nahezu alle Lebensbereiche aus. Auch zahlreiche Startups sind dadurch in unruhiges Fahrwasser geraten und haben aktuell Schwierigkeiten, sich zu finanzieren. Was rätst du ihnen – generell und in Bezug auf das Thema Finanzen?
Cevahir Ejder: Ich glaube, dass vor zwei Monaten noch niemand mit solch einer Krise gerechnet hat. Demnach war auch niemand richtig auf solch eine Situation vorbereitet. Ich kenne einige Gründer, die gerade einige finanzielle Probleme haben und bezüglich einer Finanzierung jede erdenkliche Möglichkeit anschauen. Parallel gibt es aber auch Startups, die ihren ursprünglichen Plan umwerfen, Kosten senken und die Corona-Krise als neue Chance sehen.
Würde ich heute in solch einer Situation stecken und ein Unternehmen aufbauen, welches noch in den Kinderschuhen steckt, würde ich definitiv mein Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen. Jeder Gründer sollte schauen, ob sich die Idee in solch einer Situation noch erfolgreich umsetzen lässt. Manchmal muss man ehrlich zu sich sein und einfach andere Ideen ausloten. So müssen sich beispielsweise Gründer, die im Tourismus aktiv waren, die Frage stellen: Wann kann ich damit wieder Geld verdienen – oder wird die Krise trotz sinkender Infektionszahlen noch länger anhalten? Falls man davon ausgeht, dass der Bereich, in dem man heute aktiv ist, länger stillstehen wird, dann muss man sich umorientieren und kann so wieder Investoren überzeugen. Geld wird nur dann fließen, wenn das Geschäftsmodell nicht direkt von der Krise betroffen ist. Die aktuellen Finanzierungsrunden sprechen ja genau diese Sprache. Unternehmen, die trotz Corona oder genau wegen Corona eine riesige Chance haben, werden weiter finanziert.
Seedmatch: Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Dein Co-Gründer Coskun Tuna bleibt Seeding Alliance zwar als Gesellschafter treu, hat das operative Geschäft aber im letzten Jahr verlassen und widmet sich neuen Projekten. Was sind deine Pläne? Wirst du weiterhin im Unternehmen an Bord bleiben?
Cevahir Ejder: Natürlich mache ich mir ebenfalls immer wieder Gedanken, wie meine Zukunft aussehen könnte und welche Ideen ich gerne umsetzen würde. An Ideen mangelt es nicht, jedoch habe ich weiterhin das Gefühl, dass ich bei Seeding Alliance noch nicht alles erreicht habe. Mit einem erfolgreichen Konzern wie Ströer im Rücken werden wir mit Seeding Alliance noch weitere Erfolge feiern. Genau diese Zeit möchte ich unbedingt noch mitnehmen.
Sobald ich irgendwann das Gefühl habe, ich werde nicht mehr gebraucht – werde ich loslassen und an neuen Ideen arbeiten. Zu welchem Zeitpunkt das passieren wird, kann ich heutenicht sagen. Das kann in den kommenden Monaten passieren oder erst in zwei bis drei Jahren. Fakt ist jedoch, ich werde nicht bis zu meinem Rentenalter bei Seeding Alliance Geschäftsführer sein. Vielleicht kommt sogar in einer neuen Phase eine Finanzierung über Seedmatch in Frage …
Seedmatch: Vielen Dank für das Interview und die spannenden sowie hilfreichen Insights!
Cevahir Ejder: Sehr gerne! Euch ebenfalls vielen lieben Dank für das schöne Interview.