Der Online-Shoppingboom setzt sich fort – und wird zu einer immer größeren Herausforderung für die Logistikbranche. Denn 3,5 Milliarden Pakete müssen Jahr für Jahr in Deutschland zugestellt werden, ein Fünftel davon jetzt in der Vorweihnachtszeit. Die Folgen bekommen wir alle zu spüren: Lange Staus in den Innenstädten, zugeparkte Straßen in Wohngebieten, Lärm und Abgase stressen Paketboten und Stadtbewohner gleichermaßen. Auch die Umwelt leidet unter der stetig steigenden CO2-Belastung. Innovative Lösungen für die Paketzustellung der Zukunft sind dringend gefragt. Genau solche Lösungen entwickelt unser Startup ONO Motion. Diese Woche stellt das Unternehmen ein neuartiges E-Cargo-Bike vor, das in enger Abstimmung mit Paketzustelldiensten entwickelt wurde. Wir sprachen mit dem Gründerteam Beres Seelbach, Philipp Kahle und Murat Günak (v. l. n. r.) darüber, was die ONO so besonders macht, wie das zugehörige Logistikkonzept die Zustellung auf der letzten Meile revolutionieren soll und welches immense Marktpotenzial sich für das neuartige Fahrzeug – auch über die Paketbranche hinaus – bietet.
Seedmatch: Hallo und herzlich willkommen zum Interview. Ich freue mich, dass ihr euch heute die Zeit für ein Gespräch mit uns nehmt, denn morgen ist gleich in doppelter Hinsicht ein bedeutender Tag für euer Unternehmen: Eure Crowdfunding-Kampagne bei Seedmatch startet, und abends präsentiert ihr den Prototypen eures Lastenfahrrads auf einem großen Launch-Event vor einem hochkarätigen Teilnehmerkreis aus Mobilitätsbranche, Politik, Medien etc. Seid ihr schon aufgeregt?
Beres Seelbach: Wir freuen uns total! Wir werden morgen die Ergebnisse intensiver monatelanger, ja sogar jahrelanger Arbeit zeigen. Wir sind sehr gespannt auf die Reaktionen.
Seedmatch: Ihr habt ein neuartiges Elektro-Cargobike entwickelt, das von Paketlieferdiensten genutzt werden soll, und bereits jetzt ist das Interesse von Branchenexperten und Medien an euch und eurem Produkt enorm. Fasst doch bitte mal kurz zusammen, was das Besondere an eurem ONO ist.
Philipp Kahle: Es ist rechtlich gesehen ein elektrisches Fahrrad. Aber im Prinzip schaffen wir mit der ONO eine völlig neue Fahrzeugkategorie, die zwischen Fahrrad und Auto liegt. Die Kabine mit Wetterschutz für den Fahrer, das innovative Design und das große Ladevolumen machen es zu einem einzigartigen Fahrzeug.
Seedmatch: Gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit erleben wir es wieder allerorten: Paketlieferfahrzeuge parken kreuz und quer in den Wohngebieten, oft gibt es kaum noch ein Durchkommen. Die Straßen sind zurzeit noch verstopfter als sonst ohnehin schon. Wie wollt ihr mit ONO für Entlastung sorgen?
Murat Günak: Unser Fahrzeug braucht deutlich weniger Platz als die klassischen Zustellfahrzeuge und behindert dadurch auch deutlich weniger den Verkehr. Es ist viel flexibler und kann bis vor die Haustür des Empfängers fahren. Zudem stößt es keine Abgase aus, da es rein elektrisch fährt.
Seedmatch: Viele Zustellfahrzeuge verfügen über Diesel-Motoren und sind von etwaigen Dieselfahrverboten bedroht. Und es liegt ja auch auf der Hand: Besonders umweltfreundlich ist der ganze Lieferverkehr in den Städten nicht, es herrscht sprichwörtlich “dicke Luft”. Wie groß ist eigentlich das durch Lieferfahrzeuge verursachte Umweltproblem – und welche Effekte würde eine Umstellung auf ONO bringen?
Murat Günak: Das größte Problem sind die Staus, die diese Fahrzeuge verursachen. Durch das Parken in zweiter Reihe entstehen viele Staus und gefährliche Situationen vor allem auch für Radfahrer. Im Stau stehende Fahrzeuge wiederum verursachen schlechte Luft und genervte Autofahrer. Wenn wir die Paketzustellung auf unsere Fahrzeuge umstellen, können wir einen Großteil der Staus durch Lieferverkehr verhindern. Dadurch verbessern wir auch die Luftqualität in den Städten enorm und sorgen für stressfreies Vorankommen.
Seedmatch: Welche Argumente ergeben sich außerdem für Paketlieferdienste, ihre Flotte auf der letzten Meile durch Elektro-Cargobikes zu ergänzen oder gar zu ersetzen?
Beres Seelbach: Der Bundesverband Paket Logistik (BIEK) hat errechnet, dass die Zustellung mit Cargobikes 20 % günstiger ist. 20 % sind in der Logistik extrem viel, vor allem da die erste und letzte Meile fast 70 % der Gesamtkosten einer Paketlieferung ausmachen. Zusätzlich können Paketfirmen mit der Umstellung auf Cargobikes auch neue Mitarbeitergruppen ansprechen. Es gibt viele, die keinen Führerschein haben oder keine Lust haben, mit dem LKW durch die Stadt zu fahren. Dies ist ein großes Potential an neuen Mitarbeitern für die Paketbranche – die unter einem chronischen Fahrermangel leidet.
Seedmatch: Ihr stellt diese Woche euren Prototyp vor, seid also für ein Crowdfunding bei Seedmatch recht früh dran. Wie geht es für euch im nächsten Jahr weiter und welche Pilotprojekte sind bereits in Aussicht?
Murat Günak: Nach der Vorstellung des Prototypen geht es darum, diesen zu testen und weiterzuentwickeln. Nächstes Jahr werden wir dann Pilotprojekte z. B. mit der Schweizer Post, VW Nutzfahrzeugen und einigen weiteren Paketunternehmen durchführen. Die Rückschlüsse aus diesen Projekten werden wir dann wieder in das Fahrzeug einfließen lassen, um dann anschließend die Serienfertigung zu beginnen.
Seedmatch: Wie reagiert die Paketzustellbranche auf eure Idee? Soweit ich informiert bin, habt ihr euer Produkt in enger Abstimmung mit einigen Branchengrößen entwickelt…
Philipp Kahle: Von Beginn an haben wir bei der Entwicklung sehr stark auf die Wünsche und Anforderungen der Paketbranche geachtet. Das Fahrzeug ist quasi in enger Zusammenarbeit mit dieser entstanden. Entsprechend groß ist heute die Nachfrage aus der Branche und der Wunsch, so schnell wie möglich damit in die Serienfertigung zu gehen.
Seedmatch: Ein Ende des Onlineshopping-Booms ist nicht in Sicht, die Anzahl zuzustellender Pakete wird in den nächsten Jahren sicher noch deutlich steigen. Sieht ja nach glänzenden Zukunftsaussichten für euch aus. Mit welchem Marktpotenzial rechnet ihr für ONO?
Beres Seelbach: Alleine in Europa gibt es bereits heute ca. 500.000 Fahrzeuge in der Paketzustellung. Laut dem DLR (Institut für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt) können davon ca. 100.000 Fahrzeuge durch Cargobikes ersetzt werden. Aber auch Nordamerika ist ein interessanter Markt für uns. Zudem ist unser Fahrzeug modular aufgebaut, so dass wir nach dem Paketmarkt auch andere Märkte wie die Lebensmittelzustellung oder den Taximarkt ins Visier nehmen werden.
Seedmatch: Mir scheint, dass die Zukunft der Paketzustellung gerade ziemlich im Fluss ist. Denn auch mit Elektro-Cargobikes ist die Haustürzustellung sehr personal- und damit ressourcenintensiv. Andere Optionen werden diskutiert, etwa die Haustürzustellung nur noch als Premium-Service gegen eine gesonderte Gebühr, oder der Einsatz autonomer Zustellmethoden wie Drohnen oder Roboter. Wie schätzt ihr die Erfolgschancen dieser Lösungen ein und wie wirken sie sich auf euer Geschäftsmodell aus?
Philipp Kahle: Ich denke, Drohnen und Roboter werden in ländlichen und abgelegenen Gebieten eine interessante Option sein. Aber nicht in den Städten. Dafür sind diese Lösungen nicht geeignet. Und da sich die Menschen heute über Jahre an die Haustürzustellung und an kostenlose Lieferungen gewöhnt haben, wird es aus meiner Sicht sehr sehr schwer sein, ihnen dies wieder abzugewöhnen. Im Gegenteil gibt es ja den Trend von Onlineshops wie Amazon, die Zustellung noch schneller und bequemer zu machen. Dies sind natürlich auch interessante Kunden für uns.
Seedmatch: Ihr wollt euch nicht nur als Hersteller von Elektro-Cargobikes einen Namen machen, sondern bietet die Räder im Rahmen eines Leasing-Systems (Vehicle as a Service, VaaS) inklusive Service und Wartung an. Warum habt ihr euch dafür entschieden und was ist der Vorteil für euch und eure Kunden?
Beres Seelbach: Aus unserer Sicht ist die Zukunft der Mobilität nicht mehr der Verkauf von Fahrzeugen, sondern die Bereitstellung der Dienstleistung, Menschen oder Dinge von A nach B zu bringen. Es geht nicht mehr darum, ein Fahrzeug zu besitzen, sondern rein um den Nutzen. Unsere Kunden wollen nicht Fahrzeuge kaufen, sondern eine Lösung, um Pakete zu transportieren. Genau das bieten wir ihnen. Wir kümmern uns um das Fahrzeug inkl. Wartung und Service, und unsere Kunden können sich auf ihre Dienstleistung, die Lieferung von Paketen, konzentrieren.
Seedmatch: Teil eures Konzepts sind sogenannte Microdepots in Großstädten, von denen aus die Cargobikes zu den Paketempfängern ausschwärmen sollen. Teilen sich dann mehrere Paketdienste ein solches Depot? Und welche Rolle nimmt es konkret in ihrem Logistikprozess ein?
Philipp Kahle: Es gibt den Trend, dass Städte den Dienstleistern die Depots zur Verfügung stellen, wie z. B. in Berlin im KoDoMo-Projekt. Darüber hinaus suchen alle Paketfirmen zur Zeit eigene Standorte, z. B. leerstehende Ladenflächen oder Parkflächen, die vor allem am Wochenende, aber nicht unter der Woche genutzt werden. In diesen Microdepots werden dann unsere gefüllten und wechselbaren Container zwischengelagert. So kann ein heutiges Fahrzeug mit Fahrer durch eine ONO mit Fahrer ersetzt werden.
Seedmatch: Sind die Paketzustelldienste eure einzige Zielgruppe oder peilt ihr mittelfristig weitere Käuferschichten an?
Beres Seelbach: Onlineshops sind weitere interessante Kunden, die mehr und mehr die Zustellung selbst in die Hand nehmen. Hinzu kommen Unternehmen, die Lebensmittel oder Stückgut transportieren. Auch Handwerker oder Unternehmen wie Baumärkte oder Möbelhäuser, die unsere Fahrzeuge ihren Kunden zur Verfügung stellen, sind mögliche Kunden. Es gibt zahlreiche Anwendungsfälle. Wir werden uns zu Beginn auf den Markt mit dem größten Potential konzentrieren und das ist der Paketmarkt.
Seedmatch: Ihr Gründer habt bereits umfassende Erfahrungen in der Automobil- sowie der E-Mobilitäts-Branche gesammelt. Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?
Murat Günak: Wir haben zusammen an elektrischen Autos gearbeitet. Murat hat nach seiner Zeit bei Volkswagen die Elektroautofirma mia in Frankreich aufgebaut. Philipp und ich waren mit unserem Unternehmen Lautlos durch Deutschland der Generalimporteur dieses Fahrzeuges in Deutschland. Zusammen haben wir die großen Herausforderungen gesehen, die Elektroautos mit sich bringen, und kamen zu dem Schluss, dass es eine neue Generation von Fahrzeugen braucht, welche die Flexibilität und Leichtigkeit von elektrischen Fahrrädern mit dem Wetterschutz und der Transportfähigkeit von Elektroautos vereint. Das war der Beginn von ONO.
Seedmatch: Welche Ziele wollt ihr mit dem über Seedmatch akquirierten Kapital erreichen?
Philipp Kahle: Wir werden das Fahrzeug weiterentwickeln, Pilotprojekte durchführen und die Serienfertigung vorbereiten.
Seedmatch: Könnt ihr zum Abschluss für unsere Leser bitte noch einmal zusammenfassen, warum sie sich ein Investment in ONO keinesfalls entgehen lassen sollten?
Beres Seelbach: Es bietet sich eine einmalige Chance, in ein hochmotiviertes und erfahrenes Team zu investieren, das eine neue Art von Fahrzeug entwickelt hat, welches viele drängende Probleme der Paketbranche löst und somit gute Aussichten auf hohen Renditen hat.
Seedmatch: Vielen Dank für das Interview! Ich wünsche euch einen erfolgreichen Kampagnenstart und natürlich ein tolles Launch-Event.
Beres Seelbach: Danke!