Die gute Nachricht zuallererst: Crowdfunding für erneuerbare Energieprojekte und Startups wird in Deutschland auch in Zukunft möglich sein. In den letzten Monaten musste die Crowdfunding-Branche durch das geplante Kleinanlegerschutzgesetz der Bundesregierung um ihre Existenz bangen. Gestern nun wurde das Gesetz in deutlich entschärfter Form vom Bundestag verabschiedet. Damit hat das Parlament der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung von Crowdfunding Rechnung getragen.
Das sind die wichtigsten Gesetzespunkte im Überblick:
- Im Kabinettsentwurf waren Crowdfunding-Projekte nur bis zu einer Funding-Summe von einer Million Euro von der Prospektpflicht ausgenommen. In der verabschiedeten Version wurde diese Grenze auf 2,5 Millionen Euro angehoben. Erst wenn Unternehmen oder Projekte einen höheren Kapitalbedarf haben, müssen sie künftig einen kostenaufwendigen und prüfungsbedürftigen Wertpapierprospekt erstellen. Crowdfunding-Plattformen hatten mit Blick auf die Gesetzeslage in anderen europäischen Ländern wie z.B. in Großbritannien eine Grenze von fünf Millionen gefordert. Insgesamt konnte unserer Einschätzung nach aber ein Kompromiss gefunden werden, der Crowd-Finanzierungen weiterhin in einem angemessenen Rahmen zulässt.
- Werbung bleibt erlaubt: Ein radikales Werbeverbot für Crowdfunding-Projekte im Internet und in sozialen Medien, wie ursprünglich vorgesehen, wird es glücklicherweise nicht geben. Dadurch wäre es für Projekte kaum noch möglich gewesen, die für eine erfolgreiche Finanzierung notwendige Masse an Unterstützern zu erreichen.
- Alles online: Das vorgesehene Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB) muss nun beim Investieren doch nicht ausgedruckt und handschriftlich unterzeichnet an die Plattform gesendet werden. Diese umständliche und wenig zeitgemäße Prozedur war anfangs Teil des Gesetzespapiers. Erfreulicherweise bleibt sie den Crowd-Investoren und den Plattformen erspart. Das VIB, das die wesentlichen Aspekte des Investments auf wenigen Seiten zusammenfasst, kann künftig elektronisch unterzeichnet werden.
- Einer der vermutlich größten Einschnitte für Plattformen wird die Selbstauskunft über die Einkommensverhältnisse sein, die Investoren abgeben müssen, wenn sie mehr als 1000 Euro investieren möchten. Laut einer Studie des IT-Verbands BITKOM, die im Februar 2015 veröffentlicht wurde, wären fast drei Viertel der befragten Crowd-Investoren nicht bereit, Informationen zu ihrem Einkommen offenzulegen. Wie sich dieses Ergebnis in der Praxis auf den Erfolg größerer Fundings und die durchschnittliche Investmenthöhe – bei Econeers stammen ca. 70 Prozent des Investmentvolumens aus Investments über 1000 Euro – auswirken wird, wird sich noch zeigen.
- Um Kleinanlegern die Möglichkeit zu geben, ihr Investment noch einmal zu überdenken, wird außerdem eine verpflichtende Widerrufsfrist von 14 Tagen festgelegt, welche auf unserer Plattform bereits von Anfang an Teil der Investmentverträge ist, und daher keine Auswirkungen haben wird.
Das Kleinanlegerschutzgesetz wird zum 1. Juli 2015 schrittweise in Kraft treten. Mit den genannten Änderungen haben die Macher des Gesetzes im Finanz- und Justizministerium auf die Bedürfnisse der Crowdfunding-Landschaft reagiert und viele der Vorschläge aus der Branche aufgenommen und zumindest in Teilen umgesetzt. Dies ist ein klares Zeichen dafür, dass Crowdfunding in Deutschland auch seitens Politik als zukunftsfähiges und zunehmend etabliertes Finanzierungsinstrument für Unternehmen und die Energiewende angesehen wird. Auch die Erkenntnis der Politk, Crowdfunding als Internetphänomen nicht durch zielgruppenfremde Printwerbung oder ausgedruckte Formulare zurück ins Offline-Zeitalter zu katapultieren, werten wir sehr positiv. Bis 2016 soll das Kleinanlegerschutzgesetz nun erprobt und gegebenenfalls nachjustiert werden. Ob es sein Kernziel, private Anleger zu schützen, erreichen kann, wird sich erst in einiger Zeit herausstellen.
Im nächsten Schritt ist aus unserer Sicht eine maßgeschneiderte Regulierung für Crowdfunding notwendig, nicht nur auf nationaler sondern vor allem auch auf europäischer Ebene.