Crowdfunding ist weit mehr als die bloße Akquise von frischem Kapital: Wer seine Kampagne richtig umzusetzen weiß, der profitiert von positiven Effekten auf das Marketing und den Vertrieb. Kartenmachen.de-Gründer Andreas Ritter kann das im Gespräch mit uns nur bestätigen. Einige Wochen nach dem Ende des Crowdfundings für Kartenmachen haben wir ihn zu seinen Erfahrungen mit dem Crowdfunding und zur PR-Arbeit rund um die Kampagne befragt.
Seedmatch: Andreas, ihr habt zu Beginn und während der Venture-Debt-Kampagne bei Seedmatch betont, dass Kartenmachen.de auch aus eigener Kraft wachsen könnte und ihr das Crowdfunding vor allem aus Marketinggründen machen wolltet. Ist die Rechnung für euch aufgegangen?
Andreas Ritter: Insbesondere was die Pressearbeit betrifft, haben wir viel erreicht. Printmedien berichteten über uns, viele Startup-Blogs haben mich interviewt; die Portale einflussreicher Medienmagazine stellten Kartenmachen.de ebenso vor wie Portale, die sich mit den Themen Marketing und Selbstständigkeit beschäftigen. Unsere Sichtbarkeit in Suchmaschinen ist durch diese Publikationen und ihre Hinweise auf unseren Shop um über 20 Prozent gestiegen.
Weil wir auch nach dem Abschluss des Fundings mit der Pressearbeit weitermachen, haben wir nach wie vor Interviewanfragen. Das Funding war für uns der Anlass dafür, die Tür zum Thema „Öffentlichkeitsarbeit“ einen Spalt weit aufzumachen. Jetzt steht diese Tür weit offen: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass unsere Themen einen Nachrichtenwert haben. Das gibt uns den Mut, nach der Wirtschaftspresse nun auch Publikumsmedien und Lifestyle-Blogger ins Visier zu nehmen und eigenen Content zu entwickeln.
Ich habe gelernt, dass Öffentlichkeit wieder Öffentlichkeit produziert, weil Medienerfolge für uns zum Social-Media-Content werden. Sie sorgen dafür, dass das Wahrnehmungs-Karussell weitere Kreise ziehen kann. Das mediale Interesse wertet uns auch auf: Interessanterweise bekommen wir deutlich mehr qualifizierte Bewerbungen als früher.
Seedmatch: Wie hat sich euer Business während und nach dem Funding entwickelt?
Andreas Ritter: Man darf sich nichts vormachen: Ein Funding bindet viel Zeit und Energie. Und die fehlte uns im Sommer für die Produktentwicklung – wir sind da also etwas im Rückstand. Im Vergleich zum Vorjahr haben wir unseren Umsatz um 50 Prozent gesteigert – da hatten wir ehrlich gesagt mehr erwartet. Aber: Die Anzahl der Besucher des Shops wächst kontinuierlich und die Suchanfragen zeigen uns, dass wir 20 Prozent mehr potenzielle Kunden erreichen als früher.
Aktuell liegt unser Schwerpunkt deshalb auf der Produktentwicklung. Wir arbeiten daran, eigene Ideen und Vorschläge von Investoren und Interessenten umzusetzen. Weil wir durch die Überzeichnung mehr als erhofft eingenommen haben, konnten wir einige neue Weiterverarbeitungsmaschinen anschaffen. Dadurch haben wir die Produktion noch stärker ins Unternehmen verlagert, was langfristig die Kosten senkt und die Produktionsgeschwindigkeit erhöht. Die neuen Maschinen eröffnen uns auch neue Gestaltungsmöglichkeiten: Wir werden bald Produkte im Shop haben, die es so noch nicht auf unserem Markt gibt und uns deshalb noch stärker von unseren Wettbewerbern unterscheiden. Das ist großartig!
Seedmatch: Sind auch andere Investoren auf euch aufmerksam geworden?
Andreas Ritter: Die Macher des Accelerator-Programms von ProSiebenSat.1 wollten, dass wir uns bewerben. Zuerst waren wir Feuer und Flamme. Dann wurde uns aber klar: Nach dem aufwändigen Funding bei Seedmatch wollen und müssen wir uns jetzt ganz auf die Produktentwicklung fokussieren. Wir können nicht von einem Programm zum nächsten springen UND unseren Shop auf Hochtouren weiterentwickeln.
Die Teilnahme an Fundings und Startup-Programmen bedeutet: Man muss enorm viel planen und zusätzliche Aufgaben bewältigen – für die Geschäftsentwicklung hat man dann weniger Zeit. Das heißt nicht, dass wir generell nicht an einem Accelerator-Programm teilnehmen würden. Es heißt nur, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt dafür ist.
Seedmatch: Dass Crowdfunding als Marketing- und PR-Instrument genutzt werden kann, ist vielen Startups nicht bewusst. Was war dein größtes Learning dabei?
Andreas Ritter: Die große Medienresonanz hat uns wirklich beflügelt. Es war ein schönes Gefühl, dass große Wirtschaftsmedien über uns schreiben, die ich selbst regelmäßig lese. Was mir auch klargeworden ist: Pressearbeit bindet enorm viel Zeit. Es war eine gute Entscheidung, dass wir unsere Pressearbeit einer PR-Beraterin übertragen haben: Alleine hätten wir das nicht geschafft. Und wir hätten nie die Medienerfolge erreicht, die wir heute vorzuweisen haben.
Seedmatch: Hast du durch die Fragen und Anregungen aus der Crowd auch einen anderen Blick auf dein Unternehmen bekommen?
Andreas Ritter: Was wirklich neue Räume eröffnet hat, war die Tatsache, dass wir uns in der Vorbereitung auf das Funding nochmal intensiv mit unserem Geschäftsmodell auseinandersetzen mussten. Sehr hilfreich waren Tipps von Investoren, die Geschäftsbereiche oder Vorgehensweisen betrafen, die wir bislang nicht auf dem Schirm gehabt hatten. Die haben wir entweder sofort umgesetzt – etwa die Einführung von Empfehlungskärtchen – oder werden das zu einem späteren Zeitpunkt tun, z. B. andere Papiere nutzen sowie neue Kategorien und Kooperationen ins Leben rufen.
Seedmatch: Fünf eurer Seedmatch-Investoren, die mehr als 5.000 Euro investiert haben, können ihr eigenes Motiv für Kartenmachen.de gestalten und werden am Gewinn beteiligt. Habt ihr das schon umgesetzt?
Andreas Ritter: Die Karten werden nach Ideen des jeweiligen Investors gestaltet – und zwar von unseren Grafikern, nicht von den Investoren selbst. Ein Design ist bereits fertig, ein anderes wird gerade finalisiert. In etwa einem Monat werden wir alle Investorenkarten im Shop anbieten. Das hätte natürlich noch schneller gehen können, aber: Wir wollen unsere Umsatzziele erreichen und das Versprechen einlösen, das wir im Funding gegeben haben. Dafür ist es wichtig, dass wir unsere Shop-Kategorien und unsere Produkte weiterentwickeln. Deshalb hat die Realisierung der Investorenkarten etwas länger gedauert.
Seedmatch: Wo steht ihr aktuell mit Kartenmachen.de? Werdet ihr eure Ziele für dieses Jahr erreichen?
Andreas Ritter: Aktuell liegen wir noch 20 Prozent unter unseren Zielen. Aber wir haben bald neue Produkte im Shop, die uns schnell ins Plus bringen können: Anfang Oktober führen wir die neue Kategorie „Personalisierbare Grußkarten“ ein. Die ersten Designs gibt es zum Thema „Weihnachten“. Zwischen Anfang Oktober und Jahresende bringen wir viele neue Artikel für die Hochzeitssaison 2017. Einige der Artikel werden so bislang noch nicht auf dem Markt der personalisierbaren Einladungskarten angeboten. Worum es da geht, möchte ich heute noch nicht verraten. Wir sind sehr gespannt, wie die Kunden auf diese Produkte reagieren!
Seedmatch: Welche Tipps würdest du anderen Gründern, die ein Crowdfunding planen, mit auf den Weg geben?
Andreas Ritter: Crowdfunding soll man nicht auf die leichte Schulter nehmen. So schnell mal nebenbei funktioniert das nicht. Die Vorbereitungen für das Funding binden eine Menge finanzieller und personeller Ressourcen. Das heißt: Es bleibt weniger Zeit für das Tagesgeschäft und die Geschäftsentwicklung.
Auch während und nach dem Funding muss man Zeit einkalkulieren – insbesondere dann, wenn man möglichst viel aus dem Funding herausholen möchte. Damit das klappt und man die Chancen, die ein Funding bietet, optimal nutzen kann, sollte man sich frühzeitig – also nicht erst zwei Wochen vor dem Funding-Start – Hilfe ins Boot holen.
Nur des Geldes wegen lohnt sich ein Funding wahrscheinlich nicht immer. Wenn man das Funding jedoch auch für das Marketing nutzt und dafür zusätzliche Ressourcen freigibt, ist Crowdfunding ein starkes Instrument. Man kann zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: das Unternehmenswachstum finanzieren und seine Sichtbarkeit erhöhen.
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