Am 20. August 2014 hat die Bundesregierung die Digitale Agenda vorgelegt. Sie soll wichtiger Baustein für die Wirtschafts- und Innovationspolitik sein und werden: „Unsere Welt ist zunehmend digital vernetzt. Das verändert unseren Alltag und das Zusammenleben: wie und wo wir arbeiten oder wie wir uns gesellschaftlich einbringen können. In diesen Veränderungen liegen große Chancen für den Wohlstand, die Lebensqualität und die Zukunftsfähigkeit in Deutschland. Die Bundesregierung fördert und gestaltet den digitalen Wandel aktiv.“
Scheitert Deutschland an der digitalen Agenda? Aktuelles Beispiel: Kleinanlegerschutz und Crowdfunding für Startups
Auszugsweise drei Kernpunkte der Agenda, die das Thema Wachstum und Startupfinanzierung betreffen:
- Die Agenda will die Zahl der Gründungen von heute ca. 10.000 jährlich kontinuierlich auf ca. 15.000 jährlich steigern und unterstützt
- die Stärkung des Gründergeists in Deutschland durch die Weiterentwicklung der Informations und Beratungsangebote für Gründerinnen und Gründer, mit besonderem Fokus auf IT-Startups;
- die Verbesserung der Finanzierungsbedingungen für Startups durch international wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für Wagniskapital und Crowd Investments.
Gestern nun wurde der aktuelle Gesetzesentwurf zum Kleinanlegerschutz im Kabinett beschlossen. Wir fragen uns: Geht das Bestreben, den grauen Kapitalmarkt auf diese Weise zu regulieren, nicht an der Digitalen Agenda vorbei?
Grundsätzlich halten wir es noch immer für sinnvoll und wünschenswert, dass es eine Verbesserung der Gesetze für mehr Transparenz und Anlegerschutz auf dem grauen Kapitalmarkt geben soll. Das nun verabschiedete Gesetz zum Kleinanlegerschutz und die darin enthaltenen Ausnahmen für über Crowdfunding finanzierte Unternehmen werden aber die Finanzierungsmöglichkeiten für Startups maßgeblich einschränken:
Die Ausnahme der Prospektpflicht ist nach wie vor auf die Grenze von 1 Million Euro beschränkt. Wie bereits in unserem Statement zum letzten vorgelegten Gesetzesentwurf erläutert, erachten wir diese Grenze als viel zu niedrig. Die europäische Prospektrichtlinie sieht eine Prospektpflicht erst ab 5 Millionen Euro vor – andere europäische Staaten folgen dieser Richtlinie bereits. Ein Anheben der Grenze würde zudem dem oftmals deutlich höheren Kapitalbedarf junger Wachstumsunternehmen gerecht werden.
Nach wie vor kritisieren wir das Vorhaben der Bundesregierung, die Crowdfunding-Ausnahme von der Prospektpflicht nur für partiarische Darlehen und Nachrangdarlehen vorzusehen. Dadurch wird verzerrend in den Markt eingegriffen und die Innovationskraft des Crowdfunding-Markts geschwächt. Die vorgeschlagenen Crowdfunding-Ausnahmen sollten konsequenterweise auf alle Vermögensanlagen ausgedehnt werden.
Einzelinvestoren dürfen sich nur mit 1.000 Euro beteiligen. Die Obergrenze für Einzelinvestments liegt bei 10.000 Euro, wenn entsprechende Vermögensnachweise erbracht werden. Doch selbst für Investoren, deren Gesamtvermögen 100.000 Euro übersteigt, gilt diese maximale Investmentsumme. Gerade aber diese Investoren tragen neben der Crowd zur Finanzierbarkeit von Startups bei. Wir halten es daher für sinnvoller, die Investitionsgrenze in Abhängigkeit zu einer Selbstauskunft der Investoren zu setzen. Dies sollte idealerweise in Form einer „Authorisierung“ des Anlegers (z. B. nach dem britischen Crowdfunding-Modell) eingeführt werden. Dabei wird die Eignung des Anlegers für die jeweilige Anlagenklasse anhand seiner Vermögensverhältnisse und/oder seiner Erfahrungen direkt auf der Plattform festgestellt.
Für unnötig bürokratisch halten wir nach wie vor die manuelle Unterzeichnung des Vermögen-Anlage-Informationsblattes. Das Ausdrucken und Einscannen des VIBs stellt einen erheblichen Medienbruch dar. Hier müssen andere, zeitgemäßere Lösungen gefunden werden, wie z. B. gesetzeskonforme elektronische Unterschriften, die auch auf den Plattformen integriert werden könnten.
Die Werbeeinschränkung für Crowdfunding-Projekte im Online-Bereich halten wir für unrealistisch und am Grundgedanken des Crowdfundings vorbeigedacht. Die Ausnahme des Werbeverbots für Print-Werbung muss auch auf Internet-Medien und soziale Netzwerke ausgeweitet werden.
Crowdfunding ist ein Internetphänomen und richtet sich ganz bewusst an die Crowd, also eine Vielzahl unterschiedlicher Leute, die Interesse daran haben, als Privatperson in innovative Ideen zu investieren. Nur so kann aus einem Funding ein Crowdfunding werden. Vom digitalen Wandel und der Unterstützung der digitalen Wirtschaft sind wir mit dem Kleinanlegerschutzgesetz jedoch noch weit entfernt. Schützen wir den Anleger tatsächlich, wenn er händisch ein Informationsblatt unterzeichnet? Oder sollte es nicht stärker um mehr Aufklärung zum Thema hohe Rendite = hohes Risiko gehen? Die Frage ist doch, wie viel Eigenverantwortung man dem Investor zuschreiben sollte und welche regulierenden Maßnahmen den Anleger tatsächlich vor unseriösen Angeboten schützen bzw. ihn bei der Bewertung von Investmentangeboten unterstützen können.
13. November 2014
Ich bin gestern einmal vorgeprescht und habe den MDBs meines Wahlkreises eine Mail geschrieben und erklärt, dass bei der möglicherweise kommenden Regulierung der VFL Pleite wäre, weil das Crowdfunding, was unter Zeitdruck lief und die Lizenz gerettet hat, nicht zum Erfolg geführt hätte. Die Zeit war einfach zu knapp, um den Papierkram zu erledigen. Zudem gab es Einzelinvestments, die zu hoch waren. Ich schlage vor, dass dem Beispiel viele Crowdinvestoren folgen. Ich habe hier eine Musterschreiben verlinkt:
14. November 2014
Hallo Klaus-Martin,
danke für Dein Engagement. Das German Crowdfunding Network wird dazu auch einen offenen Brief an alle MdBs schicken. Dieser wird vermutlich in Kürze online gestellt werden und steht dann zur Unterschrift bereit. Wir sagen gerne Bescheid, wenn es so soweit ist.
Viele Grüße
Sabine
Corporate Communications, Seedmatch
13. Februar 2015
[…] die Crowdinvesting Plattform Seedmatch sprach sich im November letzen Jahres gegen das Kleinanleger-Schutzgesetz aus und stellte sogar die Frage, ob diese Gesetzesregelung […]