Prof. Dr. Rüdiger Zarnekow ist Inhaber des Lehrstuhls für Informations- und Kommunikationsmanagement an der Technischen Universität Berlin. Seine aktuellen Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich des IT-Managements, Cloud Computings und der Geschäftsmodelle für die ICT-Industrie. Außerdem ist er seit Jahren als Business Angel aktiv und investiert regelmäßig via Crowdinvesting in Unternehmen. Im Interview erklärt Prof. Zarnekow, weshalb gerade bei Startups Risikodiversifizierung eine wichtige Rolle spielt, welche Kriterien für ihn bei der Investment-Auswahl via Crowdinvesting wichtig sind und ab wann für ihn ein Portfolio als diversifiziert gilt.
Themenreihe „Portfoliostrategie“ Teil II: Business Angel und Crowdfunding-Investor im Gespräch
Seedmatch: Guten Tag Herr Prof. Dr. Zarnekow, Sie sind als Business Angel aktiv und haben auch per Crowdfunding investiert. Können Sie uns ungefähr sagen, wie viel Prozent Ihres Gesamt-Portfolios Startups ausmachen?
Prof. Rüdiger Zarnekow: Die genaue Prozentzahl kann ich ihnen nicht sagen, aber ich schätze mal ungefähr 15 bis 20 Prozent – was wahrscheinlich schon eher viel ist. Ich denke, dass die meisten Investoren eher eine Größenordnung von 10 Prozent an Startups im Portfolio haben werden.
Seedmatch: Inwieweit spielte bei diesen Investmententscheidungen auch Risiko-Diversifizierung Ihres Portfolios eine Rolle?
Prof. Rüdiger Zarnekow: Das ist für mich eines der wichtigsten Kriterien, neben den inhaltlichen Einzelkriterien, die man bei einer Investmententscheidung zu Grunde legt. Ich persönlich lege sehr großen Wert auf Diversifikation.
Ein gutes Ziel ist es meines Erachtens, ein Portfolio von etwa 10 bis 15 Beteiligungen aufzubauen. Diese müssen nicht zwingend alle gleich groß sein, aber ein Investment sollte die anderen Investments nicht um ein mehrfaches übersteigen. Denn ich glaube: Egal wie intensiv man sich mit den Startups auseinandersetzt, egal wie viel Kenntnisse man meint selbst zu haben, egal wie gut man glaubt, den Geschäftsbereich zu kennen, muss man einfach davon ausgehen, dass auf Dauer ein großer Teil der Startups nicht erfolgreich sein wird und man bei einigen Investmententscheidungen auch daneben liegen wird.
Daher ist Diversifikation aus meiner Sicht so entscheidend – in der Erwartung, dass von zehn Beteiligungen, die man eingeht, sich vielleicht ein bis zwei wirklich sehr gut entwickeln werden, weitere zwei bis drei mittelmäßig und die andere Hälfte vermutlich ein Verlustgeschäft wird.
Seedmatch: Worauf achten Sie speziell bei Investitionen auf Crowdfunding-Plattformen wie Seedmatch?
Prof. Rüdiger Zarnekow: Grundsätzlich sind für mich die Auswahlkriterien unabhängig vom Weg des Investments oder der Plattform immer die gleichen. Ich schaue natürlich auf das Geschäftsmodell, auf das Gründerteam, auf Skalierbarkeit, auf den Markt – auf übliche Kriterien, die vermutlich bei den meisten Investoren eine Rolle spielen.
Die Besonderheit beim Crowdfunding sehe ich eher darin, wie man sich die Informationen zu den genannten Kriterien beschafft. Denn da gibt es natürlich schon Unterschiede. So ist es beispielweise beim Crowdfunding meist nicht möglich, die Gründer über einen längeren Zeitraum persönlich in Gesprächen kennen zu lernen und sich ein persönliches Bild zu machen. Wenn ich mich dahingegen als Business Angel an einem Startup beteilige, ist es in der Regel so, dass ich mich über Wochen und Monate hinweg intensiv persönlich mit den Gründern austausche.
Daher ist beim Crowdfunding für mich ein sehr wichtiger Punkt, inwieweit das Gründerteam schon Erfahrung vorweisen kann. Ich würde eher nicht ein Team investieren, das frisch von der Uni kommt, weil ich mir in diesem Fall kein hinreichendes Bild über die Personen machen kann.
Des Weiteren ist die Art und Weise wichtig, wie über die Diskussionsplattformen kommuniziert wird. Der dritte Punkt, auf den ich persönlich beim Crowdfunding achte, ist das Vorhandensein eines „Proof of Concept“. Sei es, dass bereits erste kleinere Umsätze generiert werden oder bereits einige Kunden vorgewiesen werden können. So bekommt man eine höhere Sicherheit, dass die beschriebenen Ideen auch wirklich Hand und Fuß haben.
Seedmatch: Eine Möglichkeit, seine Investments zu verteilen, ist eine Streuung nach Branche, also seine Investments auf Unternehmen unterschiedlicher und möglichst unabhängiger Branchen zu verteilen. Nehmen Sie eine solche Investment-Strategie vor oder investieren Sie lieber in Unternehmen, deren Geschäftsmodell Sie aufgrund Ihrer beruflichen Expertise oder aufgrund Ihres persönlichen Interesses besser einschätzen können?
Prof. Rüdiger Zarnekow: Es ist sicherlich grundsätzlich sinnvoll, auch über Branchen hinweg zu diversifizieren. Ich mache dies auch, wenn ich etwa mein Gesamt-Portfolio betrachte. Bei Startups investiere ich allerdings nahezu ausschließlich in die Bereiche Internet und E-Business. Das sind Bereiche, in denen ich mir zutraue, die Geschäftsmodelle und Ideen der Startups einigermaßen gut einschätzen zu können – das ist an dieser Stelle ein entscheidender Faktor.
Ich bin ja an der Technischen Universität Berlin tätig und sehe daher auch viele Startups, die nicht aus dem IT-Bereich kommen – also beispielsweise aus den Naturwissenschaften, der Chemie oder dem Maschinenbau. Auch hier gibt es viele gute und interessante Ideen und Teams, aber es fällt mir dort schwerer, diese fundiert zu beurteilen und mir eine Meinung zu bilden. Deswegen investiere ich bei Startups in die Branchen, in denen ich im weiteren Sinne auch beruflich tätig bin.
Wenn man allerdings die Expertise besitzt, oder durch ein Netzwerk die Möglichkeit hat, über mehrere Branchen hinweg Expertise aufzubauen, dann ist das sehr hilfreich. Denn es gibt neben IT-Startups natürlich auch viele andere interessante Segmente, wie zum Beispiel Medizin oder Biotech.
Seedmatch: Man liest häufig von Portfolioaufbau als Risikodiversifizierung, aber ganz praktisch stellt sich ja die Frage, ab wann ein Portfolio als diversifiziert gilt. Was macht ein Portfolio für Sie diversifiziert?
Prof. Rüdiger Zarnekow: Ich denke man muss Diversifikation aus zwei Blickwinkeln betrachten.
Zum einen ist es sehr entscheidend, dass man sein Portfolio über verschiedene Anlageklassen hinweg diversifiziert. Es ist eine Grundvoraussetzung, sich zu überlegen: welchen Anteil meines Vermögens investiere ich in Aktien? Was stecke ich in Immobilien, in Anleihen – oder eben in Startups? Das muss gerade unter Risikoaspekten jeder individuell für sich entscheiden, je nachdem wie persönlich die Risikodiversifizierung aussehen sollte.
Die zweite Ebene, die man dann betrachten muss, ist die Diversifikation innerhalb der einzelnen Anlageklassen. Ich denke, insbesondere bei Startups ist es wichtig, dass man ein Portfolio mit einer gewissen Vielfalt aufbaut. Ich würde empfehlen, sein Gesamt-Investment besser auf acht bis zehn Startups zu verteilen, anstatt alles auf ein oder zwei Pferde zu setzen.
Wenn man diese beiden Ebenen betrachtet, dann sollte man im Hinblick auf die Risikodiversifizierung eine gute Strategie haben.