Lichtblick im Paragrafen-Dschungel: LegalTechs verhelfen jedem zu seinem Recht

Wer an Rechtsdienstleistungen denkt, der denkt häufig an dicke Wälzer mit Gesetzestexten, an langwierige, für Laien schwer durchschaubare Prozesse und an Anwälte, die Fachchinesisch sprechen. Es ist ein Eindruck, der sich auch heutzutage noch oft bewahrheitet, und die Auswirkungen können fatal sein. Denn aufgrund dieser Barrieren sind rechtlicher Beistand und damit das eigene “gute Recht” nicht für jeden Menschen gleichermaßen zugänglich. Nicht jeder kennt schließlich einen kompetenten Anwalt, der ihm im Ernstfall sofort zur Seite steht, oder kann sich die Gebühren für eine Rechtsschutzversicherung leisten. Das Recht ist ein Luxusgut – und das kann für viele schnell zum Problem werden. Denn ob Verkehrsunfall, Streit mit den Nachbarn oder Ärger um ein Arbeitszeugnis – jeder von uns kann von einem Moment auf den anderen in eine Rechtsstreitigkeit verwickelt sein. Zum Glück für alle Betroffenen gibt es jedoch immer mehr Startups, die für Mandanten einen einfachen und kostengünstigen Weg durch den Paragrafen-Dschungel bahnen: die sogenannten LegalTech-Unternehmen.

Unter dem Begriff LegalTech versteht man ganz allgemein den Einsatz digitaler Technologien in der Rechtsbranche, um rechtlichen Beistand effektiver, transparenter und kostengünstiger leisten zu können. Dabei kann es sich also z. B. auch um den Einsatz von Software handeln, mit deren Hilfe die Prozesse in einer klassischen Anwaltskanzlei digitalisiert werden. Im engeren Sinne – und vor allem in der Startup-Szene – denkt man bei LegalTechs jedoch nicht an ein neues Programm zur Dokumentenverwaltung, sondern an innovative, junge Unternehmen, die Online-Rechtsdienstleistungen anbieten und so den Zugang zur Rechtsberatung demokratisieren – auch für Menschen mit kleinem Geldbeutel und ohne einschlägige Kontakte. Die Chancen, sich am Markt zu etablieren, sind gut, denn der deutsche Markt für Rechtsberatungen mit einem Gesamtvolumen von 29 Mrd. Euro im Jahr 2020 ist sehr stark fragmentiert. Die vier größten Anbieter kommen zusammen lediglich auf einen Marktanteil von fünf Prozent – eine gute Ausgangslage für Startups und neue Player.

Von der individuellen Dienstleistung zum skalierbaren Produkt

Die Vorgehensweise und das Geschäftsmodell vieler LegalTech-Unternehmen ähneln sich. Sie wählen eine Nische im Bereich der Rechtsberatung aus, in der es eine ausreichend große Anzahl an Rechtsstreitigkeiten gibt, die nach einem immer gleichen, aus juristischer Perspektive unkomplizierten Schema ablaufen. Mithilfe digitaler Technologien und stromlinienförmiger Prozesse verändern sie anschließend die rechtliche Beratung in diesem Bereich – weg von der individuellen Dienstleistung und hin zum skalierbaren Produkt. Das hat viele Vorteile für die Kunden, denn die Unternehmen können so Rechtsdienstleistungen deutlich schneller, transparenter und kostengünstiger anbieten, häufig im Rahmen leicht verständlicher Festpreismodelle.

Das Spektrum der Unternehmen, die zu den Gründungsmitgliedern der LegalTech-Plattform beim Bundesverband Deutsche Startups e. V. gehören, gibt ein Gefühl dafür, welche Nischen für LegalTechs lohnend sein können: wenigermiete.de, PatientenverfügungPlus oder CarRight.de heißen einige der Mitglieder. Besonders bekannte LegalTechs, die ihre Nische erfolgreich besetzen, sind Flightright.de und geblitzt.de. Flightright.de hilft seinen Kunden, ihre Erstattungsansprüche bei Flugausfällen und -verspätungen durchzusetzen, geblitzt.de unterstützt dabei, Bußgeldbescheide und Anhörungsbögen bei Verkehrsverstößen zu prüfen und so hohe Bußgeldzahlungen oder Punkte in Flensburg zu vermeiden. Von der Datenaufnahme bis hin zum Antrag auf Schadensersatz wird alles von der jeweiligen Software übernommen. Anwälte und Anwältinnen kommen nur dann zum Einsatz, wenn der Fall vor Gericht geht. Dank dieser Vorgehensweisen konnten beide Unternehmen bereits Hunderttausende ähnlich gelagerte Fälle bearbeiten und unzähligen Menschen zu ihrem Recht verhelfen.

Ein Vorbild auch für andere Branchen

Auch über Seedmatch hat sich bereits ein LegalTech erfolgreich finanziert – rightmart, die digitale Anwaltskanzlei 2.0, im Jahr 2017. Den Unterschied zu traditionellen Anwälten fasst rightmart-Geschäftsführer Jan Frederik Strasmann so zusammen: „Als klassische Kanzlei hat man keinen Anreiz, schnell und effizient zu arbeiten, denn dann kann man weniger Stunden abrechnen – wir machen das anders.“ rightmart verpackt einzelne Rechtsansprüche in gebündelte Produkte und vertreibt diese an die passenden Zielgruppen. Begonnen hat das Unternehmen mit der Überprüfung von Hartz4-, Bafög- und Bußgeldbescheiden, für die es eine spezielle, selbst entwickelte Software einsetzt. Tauchen Fehler auf, legt rightmart bei der zuständigen Behörde Widerspruch ein. Führt das zum Erfolg, trägt die unterlegene Partei die Kosten – für den rightmart-Kunden kann die Rechtsdienstleistung daher komplett kostenlos angeboten werden. Inzwischen hat das Unternehmen sein profitables Geschäftsmodell auf viele weitere Rechtsbereiche ausgedehnt.

Es ist der Verdienst der LegalTechs, dass seit einigen Jahren frischer Wind durch die einst etwas angestaubte Branche der Rechtsdienstleistungen weht. Die jungen Unternehmen leisten einen wichtigen Beitrag dazu, dass hohe Zugangsbarrieren zu rechtlichen Beratungen in vielen Fällen bereits der Vergangenheit angehören und dass das Angebot deutlich verbraucherfreundlicher geworden ist. So werden Rechtsdienstleistungen vom ehemaligen Luxusgut zu einem Produkt, das für jeden erreichbar und erschwinglich ist. Ein Beispiel, das Schule machen könnte – auch in anderen Branchen, in denen häufig Expertenrat gebraucht wird und der Digitalisierungsgrad bisher vergleichsweise gering ist, etwa in der Steuerberatung oder der Fachmedizin.

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