Jedes Jahr, wenn es auf Weihnachten zugeht, zeigt sich in den Wohnvierteln deutscher Städte dasselbe Bild: Die Straßen sind zugeparkt von Paketzulieferern, die oft in zweiter Reihe halten und aus denen stapelweise bestellte Pakete ausgeladen und an die Haushalte verteilt werden. Der Online-Handel boomt unübersehbar. Dem Online-Monitor 2018 des Handelsverbands Deutschland zufolge ist der Online-Handelsumsatz hierzulande im letzten Jahr um 9,7 Prozent auf 53,6 Milliarden Euro gestiegen – damit fließt mittlerweile mehr als jeder zehnte im Handel ausgegebene Euro in die Kassen eines digitalen Händlers. Online einzukaufen ist in unserem hektischen Alltag oft praktisch, trägt jedoch unter anderem zu einer immer angespannteren Verkehrssituation in den Städten bei – insbesondere zum Jahresende, wenn innerhalb weniger Wochen gut ein Fünftel des jährlichen deutschen Paketaufkommens von derzeit 3,2 Milliarden Sendungen zugestellt werden muss.
In Hochzeiten wie dem Weihnachtsgeschäft treten die bisher ungelösten Probleme der Logistik- und Zustellbranche besonders deutlich zutage: Häufig sind die Kunden zum Zeitpunkt der Zustellung gar nicht zuhause anzutreffen, weswegen Paketdienste viele Wege umsonst fahren, um die Pakete schließlich wieder mitnehmen und an zentralen Zustellpunkten ablegen müssen. Um zusätzliche Wege zu diesen Pickup-Points zu vermeiden, die das Online-Shopping unattraktiver machen, entscheiden sich immer mehr Verbraucher für besondere Zustelloptionen, bei denen konkrete Lieferzeiten vereinbart werden oder in Großstädten sogar eine Lieferung innerhalb von nur ein bis zwei Stunden möglich ist. Hierdurch können Routen jedoch nicht optimal geplant werden, die Lieferfahrzeuge sind oft nur halb gefüllt und dafür häufiger unterwegs. Nicht zuletzt stellt auch die hohe Anzahl von Retouren – stolze 800.000 Pakete pro Tag in Deutschland – eine Herausforderung für Logistik, Verkehr und Klima gleichermaßen dar: Die dadurch tagtäglich verursachten 400 Tonnen CO2 entsprechen immerhin 255 Autofahrten von Frankfurt nach Peking. Eine Verdopplung des Online-Shopping-Anteils an den Gesamteinzelhandelsumsätzen auf 20 Prozent – sicherlich in naher Zukunft ein realistisches Szenario – würde zudem dazu führen, dass der gesamte Energiekonsum Deutschlands um 5,6 Prozent steigen würde – größtenteils auch verursacht durch die aufwändige Logistik…
Ökologisch und ökonomisch sinnvolle Zustelloptionen gesucht
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Paketdienstleister, Online-Händler sowie Städte und Gemeinden gleichermaßen daran interessiert sind, die Paketzustellung der Zukunft ökonomisch und ökologisch sinnvoller zu gestalten – mit positiven Effekten nicht nur auf die eigene Marge, sondern auch auf den Klimaschutz und die Mobilitätskonzepte in den urbanen Zentren. Verschiedene Lösungswege sind in der Diskussion oder werden bereits in Pilotprojekten getestet. Wir schauen sie uns näher an:
Ein Ansatz fokussiert sich darauf, Zustellwege einzusparen, indem der Paketversand an eine Privatadresse entgegen unserer bisherigen Gewohnheiten nicht mehr die Regel ist. Die Sendungen sollen stattdessen an Pickup-Points geliefert werden, wo die Empfänger sie selbst abholen müssen. Dies können Postfilialen, Paketshops oder Packstationen, aber auch zentrale Hubs an Knotenpunkten wie Bahnhöfen oder Einkaufszentren sein. Die Zustellung direkt nach Hause oder an einen anderen individuellen Wunschort sowie zur Wunschuhrzeit wäre dann lediglich als Premium-Feature gegen Aufpreis möglich. Aus Sicht der Paketdienstleister sicher ein verlockendes Szenario, denn es umgeht das Problem, Empfänger nicht zuhause anzutreffen, spart Zeit und Wege und ermöglicht so eine schlankere Kosten- und Personalstruktur – gerade in Zeiten, in denen die Paketdienste kaum noch Fahrpersonal finden, ein wichtiger Punkt. Aus Sicht der Online-Shops und der Endkunden wird diesem Konzept jedoch Skepsis entgegengebracht, denn es könnte Online-Shopping weniger bequem und somit unattraktiver machen und damit auf die Marge der Shops drücken. Der Erfolg dieser Lösung steht und fällt damit, dass es gelingt, eine große Anzahl an Pickup-Points an Orten einzurichten, die Paketempfänger ohnehin frequentieren und an denen sie möglichst unabhängig von Öffnungszeiten unkompliziert ihre Sendungen entgegennehmen können.
Elektromobilität als Revolution für die letzte Meile
Für den Pakettransport auf der letzten Meile von zentralen Hubs aus gilt die Elektromobilität vielen Zustellunternehmen als emissionsarme Alternative zu den herkömmlichen, oft dieselbetriebenen Lieferfahrzeugen, die sich mit immer mehr Restriktionen und Fahrverboten konfrontiert sehen. So betreibt die Deutsche Post bereits eine mehr als 10.000 Fahrzeuge umfassende Elektroflotte, zu der neben E-Bikes auch die selbst entwickelten und in Eigenregie produzierten Streetscooter gehören – Elektro-Lieferfahrzeuge in unterschiedlichen Größen, die komplett emissionsfrei unterwegs sind und so bereits Jahr für Jahr 23.000 Tonnen klimaschädliches CO2 einsparen. Mittelfristig plant das Unternehmen, seine gesamte Zustellflotte durch Elektrofahrzeuge zu ersetzen, die mit grünem Strom betrieben werden. Andere Paketzusteller ziehen nach: Auch Konkurrent Hermes hat sich den Themen Elektromobilität und alternative Zustellsysteme auf der letzten Meile verschrieben. “City-Hubs oder Micro Depots, aus denen heraus die Zusteller die Pakete zum Beispiel mit Elektrofahrrädern ausfahren, sind eine spannende Option. Wir haben bereits eine ganze Reihe von elektrisch betriebenen Lastenfahrrädern getestet – das funktioniert gut!”, sagt Roger Hillen-Pasedag, Bereichsleiter Strategy, Innovation und CR, in einem Interview. Von elektrisch angetriebenen Lastenfahrrädern versprechen sich die Paketdienstleister vor allem auch deswegen viel, weil sie auf den Straßen weniger Platz einnehmen und in der Regel direkt bis ans Gebäude heranfahren können – die zeitintensive Suche nach einem geeigneten Ort zum Halten entfällt.
Neben den sich immer mehr etablierenden elektrischen Lieferfahrzeugen – ob nun mit zwei, drei oder vier Rädern – werden auch futuristischere Konzepte intensiv diskutiert. Hierzu gehören etwa Lieferroboter oder Paketdrohnen. Beide Trends werden von den Paketdiensten genau beobachtet. Doch so sinnvoll gerade Drohnen für die Zustellung an schwer erreichbare Orte erscheinen, so bestehen doch berechtigte Zweifel an der Skalierbarkeit dieser Zustellform, denn Paketzustellung ist ein Massengeschäft, das nur durch möglichst große Standardisierung und Automatisierung funktionieren kann. Roboter, Drohnen & Co. werden daher wohl zumindest vorerst nicht über das Stadium eines Premium-Services für wenige, besonders anspruchsvolle und zahlungskräftige Kunden hinaus kommen.
Am Ende wird es bei der Paketzustellung wahrscheinlich nicht den einen Königsweg geben, sondern Online-Kunden werden sich bereits in naher Zukunft mit einer Vielzahl an möglichen Zustelloptionen konfrontiert sehen, aus denen sie je nach Bequemlichkeit, zeitlichem sowie finanziellem Budget wählen können. Unabdingbar ist in jedem Fall, dass sich das System reformiert, denn nur eines ist wirklich gewiss: Die Anzahl der Online-Bestellungen und damit auch der zuzustellenden Pakete wird weiter steigen…