Die Diagnose Krebs kann von einem auf den anderen Moment alles verändern. Doch bei den gängigen Diagnostikverfahren gibt es Ungenauigkeiten, die zu unnötigen invasiven Eingriffen führen. Vor allem Frauen, die vermeintlich an Gebärmutterhalskrebs erkrankt sind, haben durch die Operationen ein gesteigertes Risiko für mögliche Früh- oder Fehlgeburten bei späteren Schwangerschaften. Um dieses Problem zu lösen, hat ein Team der Jenaer Universitätsklinik das Biotech-Unternehmen oncgnostics ausgegründet.
Mithilfe spezieller, das Erbgut von Zellen analysierender Tests sollen exaktere Diagnosen gestellt werden können als bisher. Mit GynTect, einem bereits zugelassenen Test der bei Verdacht auf Gebärmutterhalskrebs Anwendung findet, will oncgnostics nun auf den Markt – und zwar mit Unterstützung der Crowd und einem institutionellen Investor. Vor dem Fundingstart haben wir mit den Geschäftsführern Dr. Martina Schmitz (CSO) und Dr. Alfred Hansel (CEO) gesprochen.
Seedmatch: Morgen startet das Crowdfunding für oncgnostics. Erklären Sie doch bitte kurz, welches Ziel Ihr Biotech-Unternehmen verfolgt.
Dr. Alfred Hansel: Seit unserer Gründung im Jahr 2012 verfolgen wir bei oncgnostics das Ziel, innovative Krebsdiagnostik, basierend auf speziellen molekularbiologischen Markern, zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Die sogenannten epigenetischen Marker, welche auf Veränderungen von DNA-Sequenzen in Zellen hinweisen, werden bereits seit Jahren als Option für eine bessere Diagnostik in unterschiedlichen medizinischen Feldern diskutiert. Bisher sind nur sehr wenige Player, die diese Technologie nutzen, im Diagnostikmarkt unterwegs. Das erste Ergebnis unserer Forschungs- und Entwicklungsarbeit ist der Test GynTect.
Seedmatch: Was ist das Besondere am Diagnostikverfahren mit GynTect?
Dr. Martina Schmitz: Die epigenetischen Marker, die wir für unsere Diagnostik einsetzen, sind sehr zuverlässig. Sie sind im molekulardiagnostischen Labor einfach nachweisbar und liefern zuverlässige Ergebnisse in kurzer Zeit. Die epigenetischen Veränderungen können im gleichen Material nachgewiesen werden, das den Patientinnen bisher für den Pap-Abstrich sowie für den Nachweis der humanen Papillomviren (HPV), die den Gebärmutterhalskrebs auslösen, entnommen wird. Das ist sehr praktisch, da GynTect ja als Abklärungstest für auffällige Pap-Abstriche sowie positive HPV-Testergebnisse gedacht ist.
Es bedeutet auch, dass sich an der diagnostischen Routine für Ärzte und Patientinnen nichts ändert. Allerdings erhalten Arzt und Patientin mit GynTect eine zuverlässige Entscheidungshilfe:
- Ist GynTect negativ, sollte keine Erkrankung vorliegen. Die Patientin kann zur Wiederholung der Voruntersuchungen in einem Jahr wieder kommen.
- Ist GynTect positiv, erhält die Patientin eine Spezialuntersuchung um herauszufinden, an welcher Stelle des Muttermunds die Veränderung vorliegt. Diese wird dann mit einem kleinen chirurgischen Eingriff entfernt.
Seedmatch: oncgnostics wurde 2012 als ein Spin-off aus dem Jenaer Universitätsklinikum gegründet. Gerade im Bereich der medizinischen Forschung und Entwicklung ist ein hoher Grad an Expertise im Team Voraussetzung für den Erfolg. Wie ist oncgnostics hier aufgestellt?
Dr. Martina Schmitz: Unser Team ist eine sehr gute Mischung aus erfahrenen Wissenschaftlern, Mitarbeiterinnen mit sehr viel Expertise aus der Diagnostikbranche sowie jungen motivierten Mitarbeiterinnen, die sich bei uns in die Thematik eingearbeitet haben. Mit diesem Team haben wir es in kürzester Zeit geschafft, unseren gesamten Betrieb nach einem zertifizierten Qualitätsmanagementsystem ins Laufen zu bringen und das erste Produkt GynTect nicht nur bis zur Marktreife zu entwickeln, sondern auch für die diagnostische Anwendung zuzulassen.
Wesentlich für die Forschung und Entwicklung sind aber auch unsere sehr engen Kooperationen mit Kliniken. So erhalten wir Feedback für die richtige Positionierung unserer diagnostischen Tests. Speziell in unserem ersten Anwendungsfeld Gebärmutterhalskrebs haben wir mit Prof. Matthias Dürst von der Uni-Frauenklinik einen ausgewiesen Experten, dessen Arbeiten wesentlich dazu beigetragen haben, dass sein Doktorvater Prof. Harald zur Hausen 2008 den Nobelpreis für Medizin erhalten hat für die Erkenntnis dass humane Papillomviren Gebärmutterhalskrebs auslösen.
Auch Prof. Beckmann, Direktor der Frauenklinik in Erlangen mit leitenden Funktionen in mehreren Gremien – zum Beispiel der DKG und der DGGG – als Teil unseres Beirats ist hier in Fragen klinischer Positionierung und Anwendung sehr wichtig. Aber auch im Bereich Business Development sind wir gut aufgestellt, da wir mit Hilfe unseres Beirates Oliver Schacht (CEO Curetis AG) selbst viel in den letzten Jahren gelernt haben und zudem mit Dr. Peter Haug vor zwei Jahren eine sehr gute Verstärkung des Managementteams gefunden haben.
Seedmatch: Das Produkt GynTect sei erst der Anfang einer Reihe möglicher Test zur Krebsdiagnostik aus Ihrem Haus. Ist GynTect bereits zum Einsatz zugelassen und wann wird oncgnostics Umsätze erzielen?
Dr. Martina Schmitz: Tatsächlich haben wir für GynTect seit Oktober 2015 eine sogenannte CE-IVD-Kennzeichnung, welche die Voraussetzung für die Vermarktung des Tests auf dem europäischen Markt ist. Damit haben wir die Voraussetzungen für zwei Dinge geschaffen:
- Vermarktung des Tests über Vertriebspartner und
- die Durchführung von Studien zur Etablierung des Testkonzepts und zur Positionierung von GynTect innerhalb der Gebärmutterhalskrebs-Früherkennung.
Für Länder im europäischern Raum sprechen wir mit einigen, potenziellen Vertriebspartnern im Bereich der Diagnostik, aber auch mit Firmen im Bereich Frauengesundheit. Für einen ganz anderen, nämlich den indischen Markt, haben wir bereits einen Vertriebspartner, der sich gerade um die Zulassung dort kümmert und noch in diesem Jahr mit der Vermarktung auf dem indischen Markt startet. Daher erwarten für 2016 erste Umsätze über unseren indischen Vertriebspartner.
Seedmatch: Welches Potenzial bietet der Markt und wie stark ist der Wettbewerb? Wo steht oncgnostics in fünf Jahren?
Dr. Alfred Hansel: Die Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs befindet sich gerade im Umbruch: Von der klassischen mikroskopischen Diagnostik, dem Pap-Abstrich, hin zu dem zuverlässigeren und auch sensitiveren Nachweis der Viren, die den Krebs auslösen – humane Papillomviren (HPV). Ein positiver HPV-Test im Screening bedeutet hier aber nur, dass die Frau infiziert ist. Und diese Infektion mit HPV hat fast jeder einmal im Leben, ohne etwas davon zu bemerken. Also ist bei einem solchen positiven HPV-Testergebnis eine Abklärungsuntersuchung mit Tests wie GynTect notwendig – entsprechen attraktiv ist der Markt um derartige Produkte.
In attraktiven Märkten gibt es immer Konkurrenz. Hier ist es die Roche Diagnostics, die sich vor einigen Jahren stark im HPV-Testmarkt positioniert hat und hier sehr an Marktanteilen gewinnt. Die haben vor fünf Jahren einen auf Proteinmarkern basierenden Abklärungstest mitsamt der Firma mtm Laboratories, die ihn entwickelt hat, für einen dreistelligen Millionenbetrag zugekauft und positionieren diesen Test in der Abklärung. Dieser Test ist allerdings nicht sehr spezifisch. Prof. von Knebel Doeberitz, einer der Gründer von mtm Laboratories, sieht für einen Test wie GynTect daher so gute Chancen, so dass er uns als Beirat stark unterstützt.
Die Firma QIAGEN, einer der Platzhirsche in der HPV-Diagnostik, will im Herbst einen Test auf den Markt bringen, der auf dem gleichen Prinzip basiert wie GynTect. Die bisherigen Daten weisen aber auf schlechtere Sensitivität und Spezifität hin. Da noch einige weitere wesentliche Player im HPV-Markt wie HOLOGIC, Abbott und Quest Diagnostics Abklärungstests wie GynTect gut brauchen könnten in ihrem Produktportfolio, sehen wir da sehr gute Chancen für strategische Partnerschaften speziell für den amerikanischen Markt. Eine für alle an oncgnostics-Beteiligten lukrative Aquise – was für die Crowd mit einem Exit gleichbedeutend ist – könnte durchaus die Folge sein.
Seedmatch: In der Vergangenheit wurde Ihr Unternehmen von Venture-Capital-Gesellschaften wie etwa dem High-Tech Gründerfonds und dem bm|t beteiligungsmanagement thüringen unterstützt. Warum fiel die Entscheidung nun auf ein Crowdfunding?
Dr. Alfred Hansel: Tatsächlich haben sich an unseren ersten Finanzierungsrunden arrivierte Investoren beteiligt. Unsere beiden Seed-Investoren, den High-Tech Gründerfonds und STIFT Thüringen, hat unser initiales Konzept überzeugt. Nachdem wir ein gutes Stück vorangekommen waren, sind in der Serie A mit der bm|t beteiligungsmanagement thüringen GmbH und der Sparkasse Jena-Saale-Holzland zwei lokale Investoren dazugekommen.
Die Finanzierungen haben wir genutzt, um unser erstes Produkt GynTect bis zur Marktreife zu entwickeln und auch für die Diagnostik zuzulassen. Erste Schritte in der Vermarktung gehen wir bereits. Nun kommt es aber sehr darauf an, unser Produkt und das Konzept, das wir verfolgen, in der Öffentlichkeit bekannter zu machen! Dazu brauchen wir die Crowd – schließlich wollen wir mit GynTect ein ernsthaftes Problem lösen: nämlich die Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs so zu verbessern, sodass es einerseits weniger unnötige Operationen gibt, andererseits aber auch weniger Krebsfälle erst relativ spät erkannt werden. Über die Crowdfunding-Kampagne wollen wir diese Informationen weitergeben. Mit Frau Borghardt und ihrer ITAI Invest GmbH haben wir seit der Serie A im Übrigen eine Privatinvestorin an Bord, die genau aus diesem Grund bei uns investiert!
Seedmatch: Wie etwa der Investmentstory zu entnehmen ist, handelt es sich bei aktuellen Finanzierungsrunde sogar direkt um eine Co-Finanzierung von Crowd und bm|t – wie kam es dazu?
Dr. Alfred Hansel: Genau so ist es! Als wir unseren Gesellschaftern von unseren Plänen für ein Crowdinvesting berichtet haben, hat die bm|t sich schnell positioniert und ein Co-Investment zu gleichen Bedingungen und in gleicher Höhe in Aussicht gestellt. Dies vergrößert die Reichweite der Kampagne natürlich enorm, da wir damit ein Investitionsvolumen von bis zu 1 Million Euro erreichen können. Das macht es auch für Crowd-Investoren attraktiver, mit einzusteigen: denn jeder Euro aus der Crowd ist damit das Doppelte wert für uns – und damit auch für die Seedmatch-Investoren.
Seedmatch: Welche Maßnahmen planen Sie mit dem frischen Kapital konkret umzusetzen?
Dr. Martina Schmitz: Wir sind grade dabei, eine erweiterte Version von GynTect für den Markt zuzulassen. Damit kann der Test dann mit fast jeder beim Arzt vorliegenden Abstrichlösung durchgeführt werden. Er wird dadurch auch noch zuverlässiger. Eine bereits laufende Studie wollen wir als erstes abschließen, um dann die Daten für die Ansprache internationaler Player, die GynTect gemeinsam mit uns vertreiben oder aber die Rechte zur Nutzung für eine eigenständige Vermarktung einlizenzieren wollen, nutzen zu können.
Außerdem wollen wir Studien zur Performance und Positionierung von GynTect abschließen. Diese Studien werden die Akzeptanz von GynTect bei medizinischen Experten sowie bei Diagnostikfirmen erhöhen – und damit die Absatzchancen sowie die Chancen für strategische Partnerschaften! Gerade solche strategischen Partnerschaften könnten schnell zu einem substanziellen Mittelzufluss und damit einer Exitchance für die Crowd führen.
Seedmatch: Frau Dr. Schmitz, Herr Dr. Hansel: vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für das Funding!
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